Noch vor der Sommerpause soll der Regierungsentwurf für die Krankenhausreform (Krankenhausstrukturgesetz) von den Koalitionsfraktionen beschlossen werden. Die Folgen dieser Reform hätten drastische Auswirkungen auf die Finanzausstattung der Krankenhäuser. Die Gütersloher Krankenhäuser Klinikum Gütersloh, Sankt Elisabeth Hospital und LWL-Klinikum äußern ihren Unmut und warnen vor den negativen Folgen des Gesetzes, die spätestens ab 2017 zum Tragen kommen werden.
Die drei Gütersloher Krankenhäuser sehen sich in der Pflicht – wie in diesen Tagen viele Kliniken in NRW und ganz Deutschland – öffentlich über die schwerwiegenden Folgen der Reform zu informieren. Ziel ist es, noch vor den ersten Abstimmungen im Bundestag Aufmerksamkeit zu erregen und die Politik zum Umdenken zu bewegen. Nach den Sommerferien werden die Krankenhäuser landesweit eine Informationskampagne mit Postern und Broschüren starten und ihren Protest bei Großveranstaltungen und Demonstrationen deutlich machen.
„Wir appellieren ausdrücklich an die nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten, die Kritik der Krankenhäuser ernst zu nehmen und bei den weiteren Beratungen und Entscheidungen über das Krankenhausstrukturgesetz zu berücksichtigen“, sagt Geschäftsführerin Maud Beste vom Klinikum Gütersloh. Eine Krankenhausreform, mit der eine Qualitätsoffensive und eine Entlastung des Personals durch ein Pflegeförderprogramm propagiert, und gleichzeitig den Häusern in dramatischem Umfang die finanziellen Mittel gekürzt und verwehrt werden, sei eine „Mogelpackung“.
Dr. Stephan Pantenburg, Geschäftsführer des Sankt Elisabeth Hospitals, weist auf die Schwachstellen der Reform hin: „Auf die drei wesentlichen Problembereiche des Krankenhauswesens – die Finanzierung des Personalbedarfs, die Finanzierung der hochdefizitären Notfallambulanzen sowie die Bereitstellung von Investitionsmitteln – gibt diese Reform keine Antwort. Sie verschärft diese zum Teil noch.“
Brennpunkt 1: Kürzung der Krankenhausbudgets
Wegfall des Versorgungszuschlags und Einführung eines Pflegeförderprogramms
Allein durch die ersatzlose Streichung des bundesweiten Versorgungszuschlags von 0,8 Prozent ab dem Jahr 2017 werden den Krankenhäusern deutschlandweit 500 Mio. Euro pro Jahr entzogen. Dies entspricht der Finanzierung von durchschnittlich sieben Pflegekräften in einem Krankenhaus. Das in dem Gesetzesentwurf vorgesehene Pflegeförderprogramm in Höhe von 220 Mio. EUR stellt damit weit weniger Mittel zur Verfügung als allein diese Kürzungen ausmachen.
Höhere Preisabschläge für Mehrleistungen
Üblicherweise werden Mehrleistungen (zusätzlich mit den Krankenkassen zu vereinbarende Leistungspunkte zu dem bisher bestehenden Budget) mit einem Abschlag von 25 Prozent versehen. 2017 wird der bisherige Mehrleistungsabschlag abgeschafft. Ab diesem Zeitpunkt unterliegen neu vereinbarte zusätzliche Leistungen dem neuen so genannten Fixkostendegressionsabschlag (löst Begriff Mehrleistungsabschlag ab). Dieser ist für fünf Jahre gültig und beträgt mindestens 50 Prozent.
Brennpunkt 2: Chronische Unterfinanzierung der Personalkostenentwicklung
In den Jahren 2011 bis 2015 hat der deutlich stärkere Anstieg der Tariflöhne als der Preisanstieg der Landesbasisfallwerte (Preis pro Fall mit Fallgewicht von 1) über die Jahre zu einer Refinanzierungslücke von 4,5 % geführt. Dies macht bei einem Krankenhaus mit rund 50 Mio. EUR Personalkosten ein Volumen von 2,25 Mio. EUR aus, die über Verweildauerverkürzungen, Prozessreorganisationen und Kostenreduktionen eingespart werden mussten.
„Natürlich stehen wir zu Qualität und guter Pflege, aber dies muss auch bezahlbar sein und ein Krankenhaus ist nun einmal mit rund 65% seiner Kosten ein personalintensiver Sektor, in der Psychiatrie liegen die Personalkosten sogar bei 80%“, sagt Frank Hackmann, Stv. Kaufmännischer Direktor der LWL-Klinik. An der Finanzierung der Krankenhäuser durch Bund und Länder hapere es gewaltig. Das Krankenhausstrukturgesetz in dieser Form sei nicht patientenorientiert, denn es belaste die Mitarbeiter und treibe die Krankenhäuser noch weiter ins Defizit. Von 2.000 Krankenhäusern in Deutschland schrieben schon jetzt 43 Prozent der Maximalversorger mit mehr als 800 Betten rote Zahlen. Die Allgemeinkrankenhäuser in der Größenordnung um 500 Betten seien zu 35 Prozent betroffen, von den kleinen Häusern der Grundversorgung trifft es bereits die Hälfte. Das Reformgesetz würde diese Situation noch weiter verschärfen und zum Kliniksterben führen.
Brennpunkt 3: Ambulante Notfallversorgung – Milliardenunterdeckung bleibt bestehen!
Kliniken entstehen durch die ambulante Notfallversorgung durchschnittlich Kosten in Höhe von 120,- EUR / Patient. Sie erhalten hierfür eine durchschnittliche Vergütung von 32,- EUR/ Patient. Durch die im Krankenhausstrukturgesetz geplante Reduktion der Investitionsabschläge für Krankenhäuser von 10% auf 5%, wird die Vergütung um ca. 2 EUR pro Behandlung steigen. Das bestehende Defizit von bundesweit fast 1 Mrd. EUR aus den jährlich 10 Millionen Fällen steigt damit weiter. Die Kliniken werden mit der steigenden Zahl an ambulanten Notfällen komplett allein gelassen.
Brennpunkt 4:
Dramatischer Investitionsstau in den Kliniken – dauerhafter Rechtsverstoß der Länder
Die Finanzierung der Investitionen ist in Deutschland Aufgabe der Länder. Dieser Verpflichtung kommen die Bundesländer in sehr unterschiedlichem Maße nach. NRW bildet hier bundesweit das Schlusslicht. Die Krankenhäuser in NRW haben einen jährlichen Investitionsbedarf von 1,3 Mrd. EUR. Die deutlich darunter liegende jährliche Investitionsförderung des Landes NRW in Höhe von rund 500 Mio. EUR bedeutet für die Kliniken in NRW einen Investitionsstau von über 800 Mio. EUR im Jahr. Das Krankenhausstrukturgesetz gibt auf diese Misere keine Antworten.
Die Folgen: Weiterer massiver Rationalisierungsdruck für die Kliniken
„Alle Kliniken in Deutschland unterliegen seit vielen Jahren einem ständigen Rationalisierungsdruck, der sie zu Prozessreorganisationen, Verweildauersenkung, Kostenreduktionen und Personalkürzungen zwingt. Doch schon jetzt zeigt sich, dass dies mit einer erheblichen Arbeitsverdichtung und Belastung aller Mitarbeiter, berufsgruppenübergreifend, einhergeht. Wenn nun die Situation der Kliniken noch weiter verschärft wird, frage ich mich, wie die Kliniken unter diesen Voraussetzungen zukünftig noch in der Lage sein werden ihre Patienten adäquat zu behandeln,“ bringt es Geschäftsführerin Maud Beste auf den Punkt.
Strukturfonds hilft, löst aber das Grundproblem nicht!
Der Kabinettsentwurf des Krankenhausstrukturgesetzes sieht die Bildung eines sog. Strukturfonds vor, der mit Der Strukturfonds für Umstrukturierungsmaßnahmen löst das zentrale Problem der vollkommen unzureichenden Investitonsfinanzierung nicht. Zur Unterstützung der Krankenhäuser ist er dennoch zu begrüßen, insbesondere, wenn die zusätzlichen Mittel zur Weiterentwicklung der Krankenhausstruktur oder auch zur Unterstützung der Zusammenlegung von Kliniken zu wirtschaftlicheren Einheiten oder auch zur Unterstützung bei der Schließung eines Krankenhauses genutzt wird.
Forderung an die Politik:
Wegfall des Versorgungszuschlags ab 2017 muss zurückgenommen werden
Verringerung oder zumindest Beibehaltung des bisherigen Mehrleistungsabschlags
Eine vollständige Ausfinanzierung der tarifbedingten Personalkostensteigerungen
Verbesserung der Vergütung in der ambulanten Notfallversorgung
Neuordnung der Investitionsfinanzierung ist dringend erforderlich
Vorschlag ist ein zuschlagsfinanziertes Investitionssystem, das zu 50% von den Ländern und zu 50% von den Krankenkassen finanziert wird in Höhe von 8-10%.