QUASSELWASSER

Der Rückblick auf den Dienstag

 

Tag zwei, Woche der kleinen Künste 2015. Und eines vorweg: Es hat natürlich nicht geregnet - außer tosenden Applaus auf dem Platz und um das Grün herum eimerweise »Quasselwasser«. Das ist normal, denke ich. Und es wurde oft thematisiert. Beim Spagat zwischen musikalischer Hochkultur und Kirmes-Flair ist man sich auf dem Dreieckspatz anscheinend einig, dass beides zusammenpasst. Das darf in Frage gestellt werden, ich wollte es an dieser Stelle lediglich erwähnen. Denn auf der Bühne wurde in der Tat einmal mehr ein Top-Niveau geboten, das sogar dann fasziniert, wenn es nicht den eigenen Geschmack trifft. Die Offenheit des Publikums wird Abend für Abend mit begeisternder Leistung honoriert. Und genau das sollte bei allen »Nebenreden« im Fokus dieser besonderen Kultur-Woche stehen.

Ich beginne den Abend erneut im Backstage-Bereich. Nicht aus Gemütlichkeit, die hier zweifelsfrei gegeben ist, sondern aufgrund der Herzlichkeit, die hier gelebt wird. Jeden Tag werden neue Musiker empfangen, umsorgt und verpflegt. Auf der anderen Seite trifft sich hier die Crew immer dann für Gespräche, wenn die Arbeit vorerst erledigt ist.

Ich blicke auf die Ventilatoren, die sich immer noch unentwegt drehen. Und auf die Kühlschränke, die wieder gut gefüllt sind. Das frische Obst vom Markt auf dem Tisch – und drei Stapel Handtücher. Sicher, irgendwer wird hier gestern noch richtig nass geworden sein. Denn ein Konzert ist ja nicht zu Ende, wenn das Publikum geht, sondern Stunden später, wenn alles Equipment sicher verstaut ist. Und in genau diesen Stunden prasselte hier gestern die Sintflut herunter.

Doch zurück zum Dienstag-Abend, der so viel mit sich bringen sollte. Bei perfektem Open Air Wetter – trocken, nicht zu kalt und nicht zu warm – wartete das Publikum heute etwas früher als am Montag auf den ersten Act. Der hatte zum Wohle der Veranstaltung in Person von Schlagzeuger Markus Strothmann einmal mehr etwas Lokalkolorit in sich.

Mit dabei die Broadway-Sängerin Adrienne West. Allein das wäre ein tolles Gespann gewesen, das durch John Hondorp und Linley Hamilton komplettiert wird. Schlagzeug, Gesang, Hammond-Orgel und Trompete – eine ungewöhnliche Mischung mit reichlich Potenzial.

Das konnte man bereits im vergangenen Jahr in der Stadthalle erleben, als die Vier einen ersten Einblick in ihre Arbeit gaben. Was damals intuitiv und richtig gut war, ist noch etwas gereift und unter dem Namen »Adrienne West & The Hammond Jazz Orchestra« ein Begriff. Konkret heißt das: Hier stand das kleinste Jazz-Orchester Europas auf der Bühne, brachte ergänzt durch die Broadway-Sängerin Jazz für’s Publikum auf die Bühne und erinnerte so an die guten alten Zeiten, in denen die Menschen noch zum Jazz getanzt haben. Dem hört und sieht man gerne zu.

Mein Highlight, wie auch bei einem vergangenen Video-Dreh, den ich begleiten durfte: Die unglaublich intensive und einmalige Interpretation des Lennon-Klassiker »Imagine«. Unter freiem Himmel lässt das einige weitreichende Floskeln zu. Denn der Platz lag unter einem sanft klingenden Zauber, versank in einem wunderschönen Traum und schien wahrhaft zu schweben… Oder in einem Begriff ausgedrückt: Es war Grandios!

Mit Peter Fessler gesellte sich anschließend ein weiterer Künstler in die Reihe »Woche der großen Stimmen 2015«. Stimmakrobat, Sänger, ECHO Jazz-Preisträger. Begleitet von den ebenso ausgezeichneten Musikern Christoph Adams (Piano), Christian von Kaphengst (Bass) und Wolfgang Haffner (Schlagzeug) erzeugte er neben Latin Jazz und Bossa Nova-Rhythmen mit seiner besonderen Art, die Stimme einzusetzen, Begeisterung und Faszination. »Fesperanto« nennt er seine virtuose Improvisationssprache, die unnachahmlich scheint. Unter den internationalen Jazz-Sängern nimmt er mit dieser Kunst des »instrumentalen Singens« eine Einzelstellung ein - außerhalb jeglicher Kategorien. Er scheint das überaus solide Fundament der Band, die ebenfalls immer wieder durch mitreißende Soli begeistert, gesanglich geradezu zu illustrieren.

Das Publikum springt hervorragend darauf an und singt wo es geht mit. Das ist Kultur erleben pur auf den zahlreichen Bänken. Das ist die Woche der kleinen Künste. Und da ist es ganz egal, wie viel Quasselwasser es außerhalb des Grüns geregnet hat.

Bis später auf dem Platz!



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