Vokabeltrainer Ostwestfälisch mit Matthias Borner

Gütersloherisch für Anfänger

Ein Expresssprachkurs »Umgangsostwestfälisch«

Regie, Kamera, Ton: Dominique Osea
Darsteller: Matthias Borner, Sven Grochholski, Dominique Paulin
Szenerie: Musikgalerie am Dreiecksplatz

schrebbeln

Bedeutung: das Erzeugen eines für andere nur schwer zu ertragenen Geräuschpegels

Wenn im Kreis Gütersloh die Klessmanns, Piepenbrocks oder Meiertoberens ein Familienfest veranstalten, dann ist die heimische Deele butz proppevoll, derart viele Sippenangehörige finden sich da ein. Die unterschiedlichsten Persönlichkeiten kommen da zusammen, alle haben ihren Weg gemacht, einige sind ausgezogen in fremde Länder (z.B. ins Lipperland – oder gar nach Bayern), andere stammen von dort und haben in die Familie eingeheiratet (und leben nun notgedrungen in Marienfeld statt am Marienplatz ...).

 Ganz ähnlich ist es bei der Wortsippe, die auf den gemeinsamen Urahnen »schreffen« zurückgeht. In der letzten Folge erläuterten wir, wie aus dem Wort, mit dem man das Ritzen und Kratzen der Haut zur Blutentnahme beschrieb, das »Schröpfen« und das »Schrappen« entstand.

 Doch die »Kratz-Begriffe« haben noch viel mehr Verwandte. Einer, der im fernen Berlin Karriere machte, ist die »Schrippe« – ein Gebäck, dessen Kruste man längsseits aufkratzt (also ein Brötchen). Ein anderer ist bundesweit aktiv: der »Schrubber«, mit dem man Schmutz vom Boden kratzt. Und auch das »Schraffieren« gehört zur Mischpoke, bedeutet es doch nichts anderes, als viele dünne parallele Linien auf einen Untergrund zu ritzen.

Doch es gibt auch heimatverbundene Familienangehörige, die es nicht bis in den Duden geschafft haben, uns in Ostwestfalen aber umso öfter begegnen: Wer ein Kratzen im Hals hat und mit heiserer und sich überschlagender Stimme spricht, der mag anderswo ein »Krächzer« sein, in Gütersloh ist er ein »Schrebbel«. Ein solcher klingt ähnlich »schrebbelich« wie ein Gitarrist, der bei völligem Melodieverzicht auf seinem Instrument rumschrubbt, als sei es ein Waschbrett. Der Möchtegernmusiker mag es selber herrlich finden, wenn sein Sound so »richtich dearbe schrebbelt«. Doch ist sein Lied eine akustische Zumutung, die außer ihm nun wirklich niemand hören will – mit Ausnahme von höchstens zehn Millionen Teenagern, die sofort diese (nach Meinung der Eltern) »füachtaliche Schrebbelmusik« kaufen (wobei die Meinung der Eltern erheblich zum Verkaufserfolg beiträgt ...). 

Immerhin kann man die CD-Boxen im Winter zum Freikratzen vereister Scheiben zweckentfremden. Ob sich dazu eine Hardrock-CD von AC/DC besser eignet als eine Scheibe samtweichen Schmusepops von Julio Iglesias, ist nicht bewiesen. Es passt aber einfach besser, wenn man mit dem Geschrebbel schrappt – sprachlich gesehen bleibt es so jedenfalls in der Familie ...