Vokabeltrainer Ostwestfälisch mit Matthias Borner

Gütersloherisch für Anfänger

Ein Expresssprachkurs »Umgangsostwestfälisch«

Nönkern

Bedeutung: Mittagsschlaf halten

Anwendungsbeispiel: Noch wenige Stunden bis zur Theaterpremiere. Als Testpublikum hat der Regisseur ein Seniorenheim zur Generalprobe eingeladen. Nach der Aufführung befragt er einige Zuschauer, wie ihnen das Stück gefallen habe, und gerät dabei ausgerechnet an Willi Kleinewullenkamp, der ihm antwortet: »Ein chanz erfrischendes Stück!« – »Dann hat es Ihnen gefallen, ja?« – »Das tät ich sso nich behaupten wolln, aber ich hab ein bissken nönkern könn´.«

Gütersloher, die tief und fest schlafen, poofen (meistens in der Poofe bzw. der Falle). Gütersloher, die nur leicht vor sich hinträumen, dösen (meistens am Arbeitsplatz bzw. im Unterricht). Genau zwischen diesen beiden Aktivitäten bzw. Nicht-Aktivitäten liegt das Nönkern – das kurze und dennoch intensive Schlafen.

Zeitlich ist nönkern recht eingegrenzt: Wie der Name schon sagt, nönkert man in der Mittagszeit, so zwischen 12 und 15 Uhr. Denn »nönkern« kommt von »None«, und die None bezeichnet seit dem Mittelalter eine Gebetszeit im klösterlichen Tagesablauf, nämlich die neunte Stunde nach Anbruch des Tages. Dem Gütersloher Anglo-German-Club und den hier stationierten Briten ist dieser Zeitbegriff noch geläufiger: Er findet sich wieder im Wort »afternoon« = nach None = Nachmittag.

Im Lauf der Jahrhunderte änderte die None ihre Funktion und aus der Gebets- wurde eine Ruhezeit. Längst hat Gütersloh seinen einst durch äußerste Frömmigkeit erworbenen Ruf, ein westfälisches »Nazareth« zu sein, wieder verloren, und da verwundert es nicht, dass viele Gütersloher heute lieber Muße als Buße tun und sich zur None, statt zu beten, betten ...