Gütersloherisch für Anfänger
Ein Expresssprachkurs »Umgangsostwestfälisch«
Regie, Kamera, Ton: Dominique Osea
Schnitt: Sven Grochholski
Darsteller: Matthias Borner, JoPelle Küker-Bünermann, Angus Bernards
Szenerie: Stadtmuseum Gütersloh, Studio Carl
Dröge
In unserer aktuellen Lektion geht es um Drogen. Was in der hochdeutschen Sprache verloren geht, wird nämlich auf Westfälisch hörbar: dass das Wort »Droge« von »dröge« = »trocken« stammt. Drogen sind Trockenwaren, getrocknete pflanzliche oder tierische Rohstoffe. Im Sinne von »Rauschgift« verwendet man »Droge« erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Die ursprüngliche Bedeutung ist in den »Drogerien« erhalten geblieben, die noch vor hundert Jahren getrocknete Pflanzen als Heilmittel und Kosmetika verkauften.
Im übertragenen Sinn wird in Gütersloh mit »dröge« eine Person beschrieben, die wenig Wert auf gesellige Treffen legt und von Mitmenschen als farbloser Langeweiler empfunden wird (»Der Otto, der macht sein Mund auch nua zum Essen auf. Das is villeicht ’n drögen Käal!«). Ein schöner Dialog, in der »dröge« im eigentlichen Sinne vorkommt, nämlich als Ersatzwort für »trocken«, ereignet sich im besonders heißen Sommer 1905 auf dem Gütersloher Bahnhof (zugegeben, schriftlich überliefert ist der genaue Wortlaut nicht, aber andererseits steht auch nirgendwo geschrieben, dass sich die Begebenheit nicht so abgespielt hat):
Die Königlich Preußischen Eisenbahn-Verwaltung hat eine Anordnung für alle Stationen entlang der Köln-Mindener Eisenbahn erlassen. Die Billetschalter (das ist das, was man vor 30 Jahren »Fahrkartenausgabe« nannte und was heute bei der Bahn »Ticket Counter Service Point« oder so ähnlich heißt) sind mit einem Anfeuchter auszustatten, bestehend aus einem Schwämmchen in einer kleinen Holzschale. Was aus heutiger Sicht nicht wirklich sensationell klingt, ist damals für viele Fahrgäste eine Überraschung.
Auch Landwirt Johanngreve ist bass erstaunt, als der Stationsassistent auf seine Fahrkartenbestellung hin erst den trockenen Daumen auf den Schwamm drückt und dann das Ticket vom Block reißt. Seine Reaktion »Was issen das nu schon wieder füan Kroppzeuch!« macht deutlich, dass er diese (wie alle) Neuerungen für überflüssig erachtet und erwägt, die offensichtliche Geldverschwendung dem Bund der Steuerzahler zu melden, sobald dieser gegründet ist.
»Das is kein Kroppzeuch«, klärt ihn der Beamte auf, »das is getz Voaschrift wegen der Hügiäne. So muss unsereins die Finger nich mehr anlecken und kricht den Billjetblock doch gut duarchgeblättat.« – »Awatt!«, zeigt sich Johanngreve keineswegs überzeugt, »das taucht doch nix. Bei der Bullenhitze is das Ding doch sobutz wieder dröge.« Worauf der Kartenverkäufer trocken (wie auch sonst?) erwiedert: »Ehm nich. Ich spuck da ein, zwei Mal moagens drauf, und das hat noch gedes Mal bis ahmds gereicht.«