Vokabeltrainer Ostwestfälisch mit Matthias Borner

Gütersloherisch für Anfänger

Ein Expresssprachkurs »Umgangsostwestfälisch«

 

 

 

Kamera: Dominique Osea
Ton: Daniel Krestovsky
Darsteller: Zakaria Azrioual, Angus Bernards, Matthias Borner, Dominique Paulin
Szenerie: trendless – Second Hand Modeshop der ash Gütersloh e.V.

Plüdden, die

Bedeutung: alte, unmoderne, unordentliche Kleidung, Klamotten, Klamottenhaufen

Die ostwestfälische Ausdruck »Plüdden« (auch »Plünnten« oder »Plünnen«) für Textilien stammt vom Wort »Plunder«, das schon im Mittelalter für gebrauchten Hausrat, Bettzeug und Kleidung verwendet wurde.

Mit Plüdden bezeichnet man ganz allgemein Kleidung, die ihren Zweck nur unzureichend erfüllt, sei es, weil sie nicht dort liegt, wo sie hingehört (»Kevin, räum deine Plüdden aussem Fluar!«), sei es, weil sie zwar dort liegt, wo sie hingehört, aber nicht zum Anziehen taugt (»Hach, Frau Reckendrees, ich sach es Ihn’, es ist alles so fuarchtbar: Am Samstach is Gebuatstachsfeier von mein Georch sein Kusäng und ich hab nur Plünnen im Schrank!«), sei es, weil sie schon ein bisschen vermackelt ist (»Wenn ich schon seh, wie Du da das Loch in Deine Socken zusammengeprühnt hast, statt das väanünftich mit kreuzweisen Fäden zu schließen – nee, also wiaklich, da kannste die Plünnen auch gleich wechschmeißn.«) oder sei es, weil sie etwas aus der Mode gekommen ist (»Der Ferdi hat ja getz son Krösken am Start – dem seine Neue, das is son Puselchen, die trächt Plüdden, die hätt unser Omma nache Brockensammlung hingebracht.«).

Merke: Tragen tun Plünnen immer nur die anderen. Die eigene Kleidung definiert dagegen, was modisch auf der Höhe der Zeit ist. Allerdings kann, was heute als chic gilt, schon morgen ein Lacherfolg sein – wo wüsste man das besser als in Ostwestfalen, einem traditionellen Zentrum der Textilindustrie. Gerüchteweise arbeitet man bei Gerry Weber bereits daran, die Kleidungsstücke mit einem Verfallsdatum zu versehen, damit wir Kunden wissen, wann die Klotten unmodern werden.

Wobei aus der Mode Gekommenes auch der Mode voraus sein kann. »Ein Kleid, das sie heute einen Schlafrock nennen, tragen sie morgen zum Tanze und umgekehrt«, so erkannte Heinrich von Kleist schon vor mehr als 200 Jahren die Gesetzmäßigkeiten der Branche. Die unmodern gewordenen Plüdden im Schrank muss man also nicht entsorgen, irgendwann sind sie wieder voll angesagt. Und wegschmeißen sollte man unbeschädigte (!) Hemden, Hosen, Jacken und Schuhe ohnehin nicht, sondern dem obigen Beispiel von »unse Omma« folgen: Zum Beispiel, indem man die Kleidungsstücke der Flüchtlingshilfe spendet oder zur Second-Hand-Boutique der Arbeitslosenselbsthilfe bringt …