Einige unserer Geschichten bekommen wir zugetragen, anderen begegnen wir wie durch Zufall auf unseren Wegen. So wie an diesem einen Freitagvormittag. In der Rietberger Altstadt sind wir über die Müntestraße gestolpert. Natürlich nicht im wahrsten Sinne des Wortes. Wir meinen damit eine wunderschöne Illustration der Straße, die wir bei Magd & Fischer im Laden entdecken. Eine beliebte und belebte Straße Rietbergs, die so selbstverständlich zur der Emsstadt gehört wie der Skizzenblock zur Künstlerin. Wir haken nach und erfahren: Die Illustrationen an den Wänden sind nur ein kleiner Vorgeschmack. Birgit Peterschröder hat ein ganzes Buch mit Bildern aus ihrer Heimatstadt gestaltet. Wir staunen nicht schlecht, als wir das Kleinstadtportrait in den Händen halten. Wer ist diese Frau? Woher diese Kreativität? Birgit Peterschröder freut sich über unsere Anfrage und erzählt uns über ihr Leben, die Malerei und ihr Herzensprojekt.
Birgit Peterschröder zeichnet und malt – und das schon ihr ganzes Leben. Sie ist Grafikdesignerin, Illustratorin… und Urbansketcherin. Das heißt Birgit fängt Orte, Menschen und Momente ein. Mit Block und Stift lässt sie sich einfach irgendwo nieder und beginnt zu zeichnen. Dass das einmal mal ihr Beruf werden könnte? »Da bin ich sehr lange nicht drauf gekommen«, erzählt sie uns. Sie entscheidet sich für eine Lehre zur Bürokauffrau. Schon damals weiß Birgit: Das ist nicht der Beruf, den sie bis an ihr Lebensende macht. Als sie fünf Jahre später am Westfalenkolleg in Bielefeld ihr Abi nachholt, lernt sie über eine Freundin die Kunst- und Musikschule kennen und verliebt sich. Neben dem Pauken verbringt sie hier ihre Zeit – natürlich nur zum Spaß, ganz ohne Berufsabsichten. Sie experimentiert mit Farben und Materialien, probiert sich aus. Eine prägende Erfahrung für sie, aber auch keine Hilfe für ihre Berufswahl. Birgit weiß nicht, ob sie Architektin oder Bauingenieurin werden will. Das Einzige was sie weiß: »Ich will eine Weltreise machen!« Gesagt, getan! Nach dem Abi fliegt sie direkt nach Neuseeland. Schon damals mit dem Skizzenbuch in der Tasche. Doch viele Seiten blieben unberührt. Sie zeichnete vergleichsweise wenig, schrieb dafür aber umso mehr. Zurück in Rietberg wird ihr klar, dass die Kunst ihr Weg zum Glück ist. Sie geht für ein Jahrespraktikum zurück an die Kunst- und Musikschule Bielefeld und, landet erstmal an der Fachhochschule Bielefeld und wechselt dann nach Dortmund. Birgit wird Grafikdesignerin, wenig später auch Mutter und beginnt erste Ausstellungen mit ihren Werken zu bestücken. Als sie vier Jahre später mit ihrer Familie nach Rietberg zurückkommt, beginnt sich Birgit in der Comicszene umzusehen. Nach und nach bahnt sich ein großer Traum an. Die eigene Graphicnovel herauszubringen – das wär‘s! Mehrmals besucht sie in Erlangen das Comicseminar bei Paul Derouet, dem Leiter der Zeichneragentur »Contours«. Zudem besucht sie Skizzenevents mit vielen Kollegen und stößt auf ihren Wegen immer wieder auf Menschen, die ihr raten zu den »Urbansketchern« zu kommen, einem Netzwerk von Künstlern, die Städte zeichnen, in denen sie leben und in die sie reisen.
Birgit fährt zum Deutschlandtreffen nach München und war mittlerweile auch auf vielen internationalen Events mit dabei. Ihre Arbeit hat sich mittlerweile gewandelt. »Ich arbeite hauptsächlich allein am Mac für die Werbung und für Animationsfilme. Das Urban Sketching bringt mich raus auf die Straße und mehr unter Menschen«, erklärt sie uns. Auf Firmenveranstaltungen, Geburtstagen oder Hochzeiten nimmt sie den Stift in die Hand und bietet Porträtzeichnungen an. Außerdem wird sie immer wieder gefragt, ob sie Häuser oder Menschen für private Anlässe zeichnet.
Und das tut sie – sogar liebend gern. Durch das Urbansketching mit Block und Stift, kommt sie auf die Idee ein Buch über Rietberg zu machen, quasi ein Kleinstadtportrait. »In Neuseeland bin ich nur getrampt und habe viele Einheimische getroffen, die mir viel über Land und Leute berichten konnten. Ich liebte diese Geschichten und fragte mich gleichzeitig, was ich denn erzählen würde, wenn ein Kiwi nach Ostwestfalen kommen sollte. Mir fiel nicht sehr viel ein, da ich meine Heimat immer für selbstverständlich genommen habe«, erzählt Birgit.
Vor zwei Jahren beginnt sie diese Selbstverständlichkeit abzulegen und sich durch Rietberg treiben zu lassen wie damals auf ihrer Weltreise. »Es war einfach superspannend, zum Zeichnen eingeladen zu werden. Viele dieser Menschen haben mich durch ihre Geschichten sehr inspiriert«, schwärmt sie. So sehr, dass Birgit nicht nur zeichnet, sondern auch kleine Geschichten in ihr Buch einbringt. Sie hält Interviews mit Rietbergern und schreibt sie auf. In dieser Zeit sind Unmengen an Zeichnungen entstanden. Und daran war auch ihre einwöchige Portraitchallenge nicht ganz unschuldig: Birgit lädt Nachbarn, Bekannte und Unbekannte aus Rietberg ein. Bei ihr zu Hause entstehen 140 Portraits. Eine spannende Aktion, über die viele Zeitungen, aber auch der WDR und SAT.1 berichten.
Die Arbeit an dem Buch hat ihre Sicht auf Rietberg und ihre Bewohner in vielen Bereichen verändert. Birgit kann sich zum ersten Mal richtig auf ihr Rietberg-Projekt einlassen, ohne das Gefühl »das kenn ich doch eh schon«. Die Begeisterung der Menschen steckt sie an. »Und wenn Menschen begeistert sind, von dem was sie tun, dann liebe ich ihre Geschichten!« Birgit erzählt uns, dass sie mal jemanden kennengelernt hat, der ihr auf einer 6-stündigen Autofahrt begeistert von seinen Hobbys Segeln und Horn spielen berichtet hat. »Fast permanent wurde ich mit Hornsolos beschallt. Es hat nicht dazu geführt, dass ich heute Horn spiele, aber der Mensch wird mir durch seine Begeisterung immer in Erinnerung bleiben.« So hat Birgit ausgetretene Pfade verlassen, um etwas Neues zu entdecken – und das hat sie auch gefunden. Entstanden ist eine Liebeserklärung an die Heimat.