TÄGLICH URLAUB

Das Thema »Urlaub« ist, wenn man sich bei Freunden und Bekannten umhört, eine reine Definitionssache. Für die einen geht es nicht ohne das tägliche Sonnenbad am Pool im Süden, anderen wird schon ein einziger Tag ohne Actionprogramm zu langweilig. Und dann gibt es noch die, die es »zu Hause am Schönsten« finden  sei es aus Angst vor Neuem in der Ferne oder schlicht aus Mangel an finanziellen Mitteln für den Traumurlaub. Carl hat auf seiner Sommertour einen noch anderen Grund entdecken dürfen, denn im Garten von Naturfreund und -gärtner Ewald Birkholz ist es tatsächlich einfach nur schön! Wir haben uns mit ihm vor Ort getrof fen und über sein Wohlfühlthema gesprochen.

Als wir zur Terminabsprache mit Ewald Birkholz telefonieren, stellen wir uns einen ländlich gelegenen Garten vor. Ein kleines Anwesen vielleicht, eine alte Hofstelle am Rande von Rheda-Wiedenbrück. Allein die Wegbeschreibung irritiert kurzfristig, denn wir sollen uns am Sankt Vinzenz Krankenhaus in Wiedenbrück orientieren, das nun doch recht zentral und von dichterer Siedlungsbebauung umgeben liegt.

Und genau hier liegt ein besonderer Reiz: In über 40 Jahren ist hier, hinter einem der Häuser gelegen, ein ganz besonderer und von Artenvielfalt geprägter naturnaher Garten entstanden, der viele Geheimnisse in sich birgt. Eine Oase für seltener gewordene Pflanzen, Insekten und auch Vögel, fernab der vielfach hochstilisierten Gartenperfektion moderner Siedlungen – und eben doch mittendrin. Die Symbiose aus Wohnen und der nur einen Schritt entfernten Natur vor der Gartentür übt hier eine ganz besondere Magie aus und bietet genügend Anlässe für einen sommerlichen Entdecker-Nachmittag.

So verlieren wir vor Ort auch gar keine Zeit und widmen uns direkt dem Thema. Schon aus dem Fenster des Wintergartens können wir in die Weite schauen. Einen Teich entdecken wir, mehrere große Bäume und eine nicht gemähte Rasenfläche. Es ist ein erster Hinweis auf die Besonderheiten der Gartenfläche. Wildblumen und -pflanzen dürfen hier wachsen und blühen, den Kleinsttieren Nahrung und ein Zuhause bieten, bevor es zum spätsommerlichen Schnitt kommt. Viele der bei unserem Besuch bereits verblühten Pflanzen sind hier bewusst als Ableger von Wildpflanzen eingebracht worden, andere haben sich ihren Platz selbst gesucht  und dürfen bleiben. Ein Prinzip, das hier überall gilt und dennoch sehr weit von einer Verwilderung entfernt ist. Für Ewald Birkholz hat jede Pflanze ihre Berechtigung. Macht sich eine zu dick und gefährdet wiederum andere Vorkommen, werden sie gezielt ausgedünnt.

Die Leidenschaft des in der Gemeinschaft für Natur- und Umweltschutz im Kreis Gütersloh (GNU) sehr aktiven Gartenliebhabers entspringt allerdings weniger dem Interesse zur Pflanze, sondern vielmehr der Liebe zum Tier. Seit Kindestagen interessiert sich Ewald Birkholz für Insekten, Amphibien und Vögel, hat sie schon früh beobachtet, gefangen und wieder freigelassen. Sein Traum war schon damals der eigene Garten – und der sollte genau diesen vielen Wesen einen Lebensraum bieten. Das Haus, das er schließlich kaufen konnte, glänzte mit seinem von Gärtnerhand angelegten großzügigen Garten. Rund 800 Quadratmeter waren es, die er Stück für Stück renaturierte. Vor gut 30 Jahren kamen dann direkt anschließend gut 1000 Quadratmeter hinzu. Perfektes Bauland, könnte man meinen. Für ihr allerdings war es ein weiterer Schritt in Richtung Traumgarten. Dort angekommen blicken wir auf eine weitere naturbelassene und doch genau gepflegte und beobachtete Fläche. Am Rand Laub- und Obstgehölze, hier und da eine Bank für Naturbeobachtungen und immer wieder Steinbeete und Totholzhaufen mit Höhlen und Räumen für Tierchen aller Art. 

Obenauf entdecken wir ein sehr vorlautes Rotkehlchen, das uns schon eine Weile folgt. Ein heute recht seltener Anblick und ein Indiz dafür, dass die Naturnähe auch auf kleinstem Raum Wirkung zeigt. Mit ein paar Mehlwürmern, die genau für diesen Gast immer bereitstehen, locken wir das Tier an. Die Würmer holt es sich direkt aus der Hand, frisst ein paar Meter weiter und kommt wieder zu uns. Hier ist genau das ein tägliches Spektakel, das ebenso von einer Fasanenfamilie gespielt wird – zum Frühstück und am späten Nachmittag direkt vor der Tür des Wintergartens.

Das Wissen über die Natürlichkeit von Flora und Fauna hat sich Ewald Birkholz durch seine Vereinsaktivitäten beim GNU, aber auch im Rahmen vieler Reisen und Seminare selbst erarbeitet. Ein gutes Netzwerk ist dabei das A und O, nicht nur für den Austausch von Erfahrungen, sondern auch ganz praktisch zum Tausch von Wildpflanzen, die das eigene kleine Paradies noch vervollständigen können. So ist vor Jahrzehnten auch die Idee zum »offenen Garten« entstanden, für die Birkholz viel Pionierarbeit im Kreis geleistet hat. In regelmäßigen Abständen gibt er Interessierten einen Einblick in seine tägliche Arbeit. Denn wer denkt, dass ein naturnaher Garten schneller oder einfacher zu händeln ist, als ein nach heutigen Maßstäben klassisch angelegtes Areal, der täuscht sich. Durch den Jahreslauf ergeben sich immer wieder neue Aufgaben in einem nie endenden Kreislauf. Das entspricht der Natur der Dinge, sorgt aber natürlich für immer neue Arbeit.

Die nimmt Ewald Birkholz gerne an, was uns zurück zu unserer Ausgangslage bringt. Denn im Großen gesehen geht es hier um nichts anderes, als einen immerwährenden Gartentraum, der sich für den Naturfreund auch bei der Arbeit anfühlt, wie ein Tag Urlaub  und das an 365 Tagen im Jahr. Belohnt wird all das auf der einen Seite durch das Wissen, auch im Kleinen etwas Gutes für die heimische Tier- und Pflanzenwelt zu tun. Auf der anderen Seite steht eine sehr lebendige und nah erlebbare Flora und Fauna mit einer vielfältigen Tierwelt. So sind neben Fasanen und Rotkehlchen auch eine Vielzahl an Drosseln, Klaibern, Blau- und Kohlmeisen zu Gast, darüber hinaus aber auch immer wieder Reiher, Eulen, Waldkauze und Fledermäuse. Nicht zuletzt finden Insekten wie Wildbienen und Hummeln, Käfer, Molche und Kröten ein naturnahes Zuhause. So sind hier Mensch und Tier gleichermaßen glücklich  irgendwo mitten in Wiedenbrück.

 

 

AHA!
Der GNU bietet vielfältige Informationen zum Thema naturnaher Garten an. Neben einer Anleitung für den Bau von Nisthilfen für Wildbienen ist auf www.gnu-gt.de auch eine ausführliche Pflanzenliste zum Thema zu finden. Wer Fragen hat findet hier zudem Ansprechpartner und Telefonnummern für den persönlichen Kontakt.

 

Text und Bilder: Ben Hensdiek