HANDELSHAUS DER VIELFALT

Kaum ein Geschäft schafft es heute, auf derart kleinem Raum so vieles anzubieten, wie das Traditions-Tabakhaus Friesenhausen in Gütersloh. Stolze 125 Jahre Handelsgeschichte sind hier im Stadtbildprägenden Jugendstil-Haus von 1912 auch heute noch erlebbar inklusive Original-Einrichtung mit Jugendstil-Elementen aus dem Jahr 1913. Das Ambiente sorgt schon beim Betreten des Ladens für eine unverwechselbare Atmosphäre, auch wenn sich das Sortiment über die Jahrzehnte immer wieder gewandelt hat. Aber egal, ob Pfeife und Tabak, Zigarre samt Zubehör oder edle Tropfen aller Preisklassen: Bei Friesenhausen dreht sich damals wie heute alles um die »besonderen« Genussmomente des Lebens.

Als wir das kleine Geschäft in der Berliner Straße 25 besuchen, braucht es eine ganze Weile, um die Viel-falt des Angebotes zu erfassen. Wir riechen, schauen und staunen. Wer sich bewusst in den Mittelpunkt des Raumes stellt und sich langsam im Kreis dreht, entdeckt vom Boden bis nah unter die Decke natürlich unzählige Tabakwaren für alle Gelegenheiten, Zündhölzer und Feuerzeuge, Pfeifen, Zigarren und Zigarillos, Rasierseifen und -pinsel, Aschenbecher, E-Zigaretten, hochwertige Spirituosen, Taschenmesser und natürlich vielfältiges Zubehör.

Die Kunden von Inhaber Christopher Rascher-Friesenhausen (39) sind bunt gemischt: Junge Erwachsene kommen ebenso, wie Genussmenschen im besten Alter und Stammkunden vergangener Jahrzehnte. Sie sind auf der Suche nach besonderen (meist) Herren-Geschenken oder auch nach neuen Erlebnissen für den eigenen Gaumen. Gerade die Vielfalt der Zigarren und edlen Alkoholika aus der ganzen Welt lockt die Menschen an. Letztere gibt es vermehrt auch in Kleinstabfüllungen zum Probieren oder für den immer wieder wechselnden Genuss. Whisky, Gin oder Cognac haben sich über die Jahre zum nahezu reinen Genussartikel entwickelt. Gefragt sind weniger die großen Mengen, sondern die besonderen Momente, die man sich oder anderen gönnt.

Gleiches gilt auch für die Tabakwaren: Gab es immer wieder wahre Hypes bei Pfeifen oder Zigarren, sind es heute vielfach Randströmungen, bei denen das bewusste Rauchen zum Trend wird. Und wer bewusst und genussvoll raucht, der lässt sich das auch gerne etwas kosten. Das heißt natürlich nicht, dass Christopher Rascher-Friesenhausen nur Teures anbietet. Vielmehr bedient er nicht nur alle Altersklassen ab 18 Jahren, sondern auch alle Preis- und Qualitätsstufen. So ist auch der Sprung unter anderem zur E-Zigarette ebenso geglückt, wie die Umstellung der Sortimente auf heutige Bedürfnisse bei gleichzeitigem Erhalt von Werten und Interessen älterer Generationen.

Passend zum 125-jährigen Jubiläum gibt es auch im Bereich der besonderen Geschenkverpackungen etwas Neues zu entdecken: Auf vielfachen Wunsch bietet das Tabakhaus Friesenhausen perfekt auf den Beschenkten abgepasste Themenboxen – zum Beispiel mit einem »Startset Pfeife rauchen« inklusive Pfeife und Tabak, Stopfer, Reiniger und allem, was man sonst benötigt. Der Preis ist hier natürlich so variabel, wie der Inhalt. Als Verpackung erhält man eine schicke Holzbox mit eingebranntem Jubiläums-Emblem.

 

Eine besondere Kreation ist auch die »Bayerische Box« mit exklusivem Inhalt wie dem original bayerischen Single Malt der Destillerie »Slyrs« und einer edel im Reagenzglas verpackten »La Bavaria« Zigarre. Diese Longfiller-Zigarre ist der erste gelungene Versuch, eine original bayerische Zigarre im Premiumsegment der weltweiten Tabakerzeugnisse zu platzieren  mit vor Ort gezogenen Tabaken und zu 100 Prozent mit der Hand verarbeitet. Exklusiver kann ein Geschenk kaum sein.

Welche teils turbulenten Entwicklungen sich auf dem Tabakmarkt einmal einstellen sollten, hat im Gründungsjahr 1892 wohl kaum jemand geahnt. Damals hatten der in Gütersloher Drechslermeister Heinrich Friesenhausen und seine aus Oelde stammende Frau Anna zunächst ein kleines Geschäft für Pfeifen und Tabakwaren in Altenessen eröffnet – wohl in der Hoffnung, im »Ruhrpott« den Schwung des industriellen Wachstums mitzunehmen und so erfolgreich in die Selbständigkeit zu starten. Da sich dies als schwieriger als erwartet erwies, nahmen beide schon im Frühjahr 1893 gerne die Gelegenheit wahr, in Gütersloh das Anwesen Berliner Straße 25 vom Buchbindermeister Thormann zu erwerben. Im März 1893 ging es hier im Zentrum der späteren Top-Lage des Gütersloher Einzelhandels mit Tabakwaren, Pfeifen und Schirmen weiter. Mit der damals noch kleinen Heidestadt wuchs auch der Erfolg des Geschäftes, für das Heinrich Friesenhausen zahlreiche der verkauften Pfeifen selbst an der Drehbank fertigte. Im Jahr 1912 wich dann das damalige Ackerbürgerhaus einem Neubau an selber Stelle, der bis heute seine einladende Wirkung in Richtung Kökerstraße ausstrahlt.

Da die Ehe von Heinrich und Anna Friesenhausen kinderlos blieb, trat nach dem ersten Weltkrieg Neffe Leo Rascher-Friesenhausen als Teilhaber in die Firma ein und verstand es erfolgreich, das Zigarren- und Pfeifensortiment zu erweitern. Spätestens mit dem Eintritt in die Ermuri-Händlervereinigung führender Zigarrenfachhändler im Jahr 1933 wurde das Haus Friesenhausen eine der ersten Adressen für Zigarren, Tabake und Pfeifen in Ostwestfalen.

Nach dem frühen Tod von Leo Rascher-Friesenhausen im Jahr 1952 übernahm seine Frau Katharina das Ladengeschäft, unterstützt von ihrem jüngsten Sohn Heribert, der später die Geschäftsführung übernahm und 1989 zum Alleininhaber wurde. Seit 2012 wird das Geschäft von Christopher Rascher-Friesenhausen geführt. Das Tabakhaus Friesenhausen ist somit seit 125 Jahren in Familienhand und blickt trotz der steten Veränderungen und Verschiebungen auf dem Markt positiv in die Zukunft. Wohl auch, weil man hier mit viel persönlichem Einsatz und der Wahrung der Familientradition von Generation zu Generation auch den Wandel nicht verschläft und so ein heute in der Region wohl einzigartiges Einzelhandelsgeschäft erhalten hat, bei dem sich der Blick hinter die Tür wirklich lohnt.

Text: Ben Hensdiek // Fotos: Jessica Bochinski