Das Wasserwerk Quenhorn der Stadtwerke Gütersloh liegt in idyllischer, ländlicher Lage inmitten zahlreicher Wiesen und Felder. Seit 1995 wird hier am Tecklenburger Weg in Herzebrock-Clarholz Wasser für die Gütersloher und Herzebrocker Haushalte gefördert und aufbereitet. Im Fokus von Landwirtschaft und den Stadtwerken als Betreiber der Brunnen steht an dieser Stelle in besonderem Maße der sorgsame Umgang mit Natur und Ackerbau – und genau das hat ein spannendes und wegweisendes Projekt auf den Plan gebracht. Carl hat seine Sommertour fortgesetzt und sich vor Ort ein Bild gemacht – von bunt blühenden Pflanzen, regem Insektenflug und einer nachhaltigen Flurnutzung.

Nach Recherchen des Netzwerkes »Lebensraum Feldflur« werden auf jedem fünften Hektar der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland inzwischen nachwachsende Rohstoffe angebaut – hauptsächlich zur Energieproduktion. Ein wesentlicher Anteil dient der Energiegewinnung durch Biomasse in Biogasanlagen. Als besonders ergiebig, aber ökologisch bedenklich hat sich hier der Mais durchgesetzt. Dies führte regional zu einer Verengung der Fruchtfolge und zu massiven Nachteilen für die Artenvielfalt in den ländlichen Räumen. Ein weiteres Problem gerade im Wasserschutzgebiet: Der Mais hinterlässt Restnitrate, die sich langfristig auf die Qualität des geförderten Wassers auswirken können. Um genau das aufzubrechen, haben die Stadtwerke Gütersloh in Zusammenarbeit mit der heimischen Landwirtschaft, dem Kreis Gütersloh und weiteren Akteuren eine 2,2 Hektar große Flurfläche in ein blühendes Paradies für Insekten und Wildtiere verwandelt. Im Frühling wurde hierfür eine Saatgutmischung aus ertrag- und blütenreichen ein- und mehrjährigen heimischen Wildpflanzen ausgebracht. Diese bringen zahlreiche Vorteile mit sich – und sind ein innovativer Ansatz, mit dem die Energieerzeugung aus Biomasse enger mit Zielen des Landschafts-, Natur- und Artenschutzes verknüpft werden kann. Bei unserem Besuch vor Ort stehen Sonnenblumen, Malven und Steinklee in ihrer schönsten Blüte – ein echter Blickfang zwischen Getreide- und Maisfeldern. Die eingesetz-te mehrjährige Samenmischung bietet im Sommer wie im Winter Nahrung und Deckung für Wildtiere. Durch die Ernte Ende August wird zudem die Gefahr von Mähverlusten bei Bodenbrütern und Jungtieren deutlich verringert, was einen sehr positiven Nebeneffekt darstellt.

Die Wildpflanzenmischungen zur Energiegewinnung bringen aber auch ökonomische Vorteile mit sich: Sie eignen sich als Dauerkultur und erfordern keine jährliche Bodenbearbeitung und Ansaat, auf mineralische Düngung und chemische Pflanzenschutzmittel kann weitgehend verzichtet werden. Durch die ganzjährige Bodenbedeckung wird der Bodenerosion und der Nährstoffauswaschung entgegengewirkt und die Humusbilanz verbessert. So schließt sich ein lohnender Kreislauf aus vorsorgendem Trinkwasserschutz, Förderung und Schutz der Natur sowie einer guten ökonomischen Bilanz.

Initiiert wurde das Projekt vom Kreis Gütersloh, der das Saatgut für insgesamt neun Landwirte zur Verfügung gestellt und so die Grundlage für 25 Hektar Fläche mit Wildpflanzen geschaffen hat. Die Stadtwerke Gütersloh machen gerne mit und lassen die gepachtete Fläche entsprechend bewirtschaften. Ein toller Farbklecks in der Landwirtschaft mit vielfachem Nutzen, denn nach der Blüte beginnt die Weiterverwertung der Pflanzen in der nahegelegenen Biogasanlage des Hofes der Familie Brand in Herzebrock.

 

Auch dort waren wir zu Besuch und haben uns dem Verlauf erklären lassen. Wenige Tage nach unserem ersten Besuch an der Wildpflanzen-Wiese der Stadtwerke Gütersloh war es so weit: Fast etwas wehmütig durften wir zusehen, wie die langsam verblühende Blumenpracht mit heimischer Technik abgemäht, gehäckselt und verladen wurde. Das Ziel: der Herzebrocker Hof Brand, der gut zwei Kilometer von der Fläche entfernt eine Biogas-Anlage betreibt.

An Hof Brand angekommen, wird das geschnittene Material wie jedes andere Substrat (Mais, Gras) einsiliert, also gut bedeckt eingelagert, bis es für die Biogas-Erzeugung genutzt werden kann. Ist der Selierprozess durchlaufen, geht die entstandene Silage anteilig dosiert in die Biogas-Anlage. Rund 10 Prozent Gras und auch unsere Wildkräuter, 20 Prozent Mais und 70 Prozent Rinder-, Pferde- Geflügel- und Schweinemist aus den umliegenden Betrieben – die optimale Mischung für einen hohen Energie-Wirkungsgrad. Die Landwirte nehmen die Möglichkeit, den Mist hier unterzubringen, gerne an. Das verringert Lagerungsprobleme – und am Ende des Kreislaufs kommen sie wieder mit ins Spiel. Die Einbringung der Mischung in den Fermenter, in dem die Biomasse unter Ausschluss von Licht und Sauerstoff von Mikroorganismen abgebaut wird, geschieht vollautomatisch und steuert die Gasproduktion in der Anlage. Im Rahmen des Gärprozesses bei rund 50 Grad entstehen Methan und Kohlendioxid – das Biogas mit einem Methangehalt von etwa 57 Prozent.

Und das kann sehr vielfältig genutzt werden. Im Fall der Herzebrocker Anlage der Brand Bioenergie werden aus dem Gas in zwei Blockheizkraftwerken Wärme und Strom erzeugt. Die Wärme versorgt sieben Zweifamilienhäuser sowie technische Anlagen zur Trocknung von Getreide, Körnermais, Holz und Gärreste. In Zukunft wird über eine Fernwärmeleitung voraussichtlich auch ein Schwimmbad versorgt. Der Strom wird ins Netzt eingespeist. Bis zu 525 kW Gesamtleistung können hier in abgerufen werden. Der Wirkungsgrad der Strom- und Wärmeerzeugung liegt bei rund 90 Prozent. Alternativ zur Direktnutzung vor Ort kann das Biogas aber auch über eine Gasaufbereitungsanlage in das Erdgasnetz eingebracht werden.

Die gewonnene Energie ist allerdings nur eines der Produkte der Biogas-Produktion aus nachwachsenden Rohstoffen. Für die Landwirtschaft bringt sie weitere Vorteile mit sich: Die vergorene flüssige Biomasse wird in einem Gärrestelager gesammelt und schließlich als hochwertiger Dünger genutzt. Durch den sehr ausgewogenen Nährstoffgehalt kann das Material als Volldünger für nahezu alle Anpflanzungen genutzt werden, was jeglichen Einsatz von Kunstdünger überflüssig macht. Ein weiterer Vorteil dieser Gülle: Der penetrante Geruch der Rohmasse ist nahezu komplett verschwunden.

Um den ohnehin schon geschlossenen Kreislauf abzuschließen, denken wir zurück an den Standort der Wildkräuterwiese nahe des Wasserwerkes Quenhorn, wo das Augenmerk besonders auf dem vorsorgenden Grundwasserschutz liegt: Das in der Biogasanlage auch aus den hier gewachsenen Pflanzen entstandene Restprodukt, das als Dünger auf die Felder aufgebracht wird, enthält keinerlei Nitrate. Das wiederum spiegelt sich direkt in der Trinkwasserqualität der Gütersloher wieder. Eine ziemlich runde Sache!

Fotos: Claudia Krullmann, Matthias Kirchhoff
Text: Ben Hensdiek