Gütersloh ist eine Stadt voller Charakterköpfe. Menschen, die das Leben in der Stadt mitgestalten, prägen und vielfältig machen. Carl gibt ihnen Monat für Monat einen Platz und stellt sie mit wenigen Worten vor. Im Mittelpunkt steht ihr persönliches Engagement, ein besonderes Hobby, ein ausgefallener Beruf oder eben ein »Gütersloher Gesicht«. Wir freuen uns auf viele Persönlichkeiten, die uns generationsübergreifend im Stadtbild begegnen und die wir an dieser Stelle noch porträtieren werden.

Jazz findet in geschlossenen, nahezu »geschützten« Räumen statt. Im Sitzen. Zum Zuhören. Für den Gütersloher Musiker Max Oestersötebier ist das ein Graus. Nicht, weil er keinen Jazz mag, sondern vielmehr, weil er während eines langen Aufenthaltes in New Orleans gelernt hat, was Jazz bedeuten und bewegen kann – freudig tanzend, offen für vieles und vor allem für jeden. Genau dieses Lebensgefühl hat er mit nach Ostwestfalen gebracht, wo er seit 2012 beharrlich dafür arbeitet, diese Musik von Gütersloh aus für ALLE zu etablieren.

Die feste Bindung zum Jazz hat er schon als Kind im Farmhouse Jazzclub in Harsewinkel entwickelt, den Rest hat dann die wunderbare Stadt New Orleans vollbracht. Hier wird die Musikkultur von allen Altersgruppen und allen Bevölkerungsschichten gleichermaßen gelebt – zumeist außerhalb von Theatern und Opernhäusern auf der Straße und in kleinen Kneipen. Manche so klein wie die damalige Weinbar »VINUS« am Kolbeplatz. Hier begann Max gemeinsam mit Roger Clarke-Johnson und Christian Altehülshorst eine wunderbare Tradition: Mittwochabends spielten sie ganz unkomplizierten Jazz. Erst vor fünf Gästen, dann vor zehn und irgendwann kamen auch diejenigen, die sich zuvor gegen jede freiwillige Berührung mit der Musik gewehrt haben. Im Sommer trauten sie sich auf die Terrasse vor den Gastraum und begeisterten in lauen Sommernächten dutzende tanzende Besucher.

 

Aus dem kleinen Trio hat sich eine der besten New Orleans Jazzbands der ganzen Region, wenn nicht der Republik oder gar Europas entwickelt. Nicht aufgrund der musikalischen Perfektion, sondern weil die Mischung aus Können, Emotion und Erfahrung einfach passt. Die »Sazerac Swingers« begeistern europaweit das Publikum mit ihrer Show – und das ist gut so!

Als Ersatz für das geschlossene VINUS hat sich vor gut einem Jahr das Parhotel Gütersloh angeboten. Seit einem Jahr zieht die »Sazerac Lobby« im Schnitt rund 160 Gäste an, die bei freiem Eintritt eine große Party feiern. An einem Sonntag. Mit Jazz! Das gleiche Bild beim Gütersloher Sommer, als das Konzert der Sazerac Swingers mit einigen bekannten Gastmusikern der Jazzwelt Besucherrekorde bescherte und dem Mohns Park eine Second Line Parade mit über 1000 Menschen, die freudig durch das Grün zogen.

Ähnliche Bilder spielten sich schon auf dem Dreiecksplatz im Rahmen der Woche der kleinen Künste 2016 ab, wo die Band gemeinsam mit Glen David Andrews und einer Burlesque Show mit Marlene von Steenvag auf der Bühne stand und für einen pompösen Kehraus des Festivals sorgte. All das ist Jazz für alle – genau wie Max Oestersötebier es sich seit vielen Jahren gewünscht hat. Und nun kommt die fast logische Konsequenz aus allem: Gütersloh bekommt am 27. April dieses Jahres ein neues Jazzfestival verpasst. In der Weberei, auf zwei Bühnen und mit einem vergleichsweise geringen Festivalpreis. Das ist Einsatz für die Musik – und über 400 verkaufte Tickets innerhalb nur eines Monats sprechen Bände.

So hat Max Oestersötebier in Sachen Jazz schon vieles erreicht – in Gütersloh, in OWL, in Deutschland und dem benachbarten Ausland. Am Ziel aber sieht er sich – wie könnte es anders sein – natürlich noch lange nicht. Am Ende könnte Gütersloh dann tatsächlich wieder überregional den Stempel »Jazzstadt« vertragen.

Foto: Stephan Cornelis
Text: Benedikt Hensdiek