Die Kulturmetropole Gütersloh (im Aufbau seit 1825) ist auf dem Weg, einen kleinen Meilenstein zu setzen: Sie bekommt einen »Kulturentwicklungsplan«. Es wird erstmals in dieser umfassenden Art ausformuliert, wer, was und wo Kultur in Gütersloh ist. Schon im öffentlichen Beteiligungsprozess sind dabei die vielen, vielen »kleinen« Kulturmacher zu Papier gebracht worden, die eine besonders prägende Wirkung für das Kulturleben der Stadt haben. Da wird einem schon beim Lesen der langen Listen schwindelig. Aber wo stehen all die Kulturmacher eigentlich heute, was würden sie gerne tun, was sie heute noch nicht tun (können)? Ein Gastkommentar von Szene-Kenner und -Mitgestalter Wolfgang Hein für Carl.

»Swingtänzer suchen Räume für Workshops und Tanzabende …«

»Tiefdruck-Experte sucht Platz für Maschinen und neue Bildungsangebote …«

… zwei Anfragen, beispielhaft aus einem ganzen Stapel herausgegriffen. Sie belegen die Nachfrage nach Räumlichkeiten und zeigen auf, welche Angebote die Gütersloher Kulturszene bereichern könnten. Wenn, ja, wenn nur ein Ort für diese Aktivitäten zur Verfügung stünde. Dieses Dilemma zeigte Weberei-Geschäftsführer Steffen Böning in der von ihm angezettelten »Zuschussdiskussion« des letzten Sommers auf und ja, dieses Dilemma wurde auch schon vorher in den Beratungen zum Gütersloher Kulturentwicklungsplan (KEP) deutlich, die vom Ende des vergangenen Jahres bis Spätfrühjahr in einem breit angelegten Beteiligungsprozess geführt wurden.

Die dort vorgenommenen Analysen zeigen, dass die Gesamtheit der Akteure an Vielfalt und künstlerischer Qualität sowie an Publikum zugenommen haben. Aber: Ehemals der Soziokultur zugeordnete Angebote sind auch von öffentlichen Bildungseinrichtungen aufgegriffen und in deren Angebotspaletten integriert worden. Teilnehmerwanderungen, Flächenverluste und Budgetverschiebungen waren die Folge.

 

Wer erinnert sich noch, dass die Wurzeln der »ash«, der Gütersloher Arbeitslosenselbsthilfe, mit Qualifizierungsmaßnahmen, Weiterbildungswerkstätten und einem großen Gebrauchtmöbeldepot in der Weberei liegen? Dort gab es einstmals auch ein selbst verwaltetes Jugendzentrum, das inzwischen in den geregelten Betrieb einer städtischen Einrichtung, den »Bauteil5«, überführt wurde. Lange Zeit wurde auch ein unabhängiges Kinoprogramm gezeigt, das sich heute im »Bambi & Löwenherz« wiederfindet.

Wie kann also der sogenannten »freien Kulturszene« geholfen werden? Kultur kostet immer Geld und Kultur, die sich auch sozial Schwächere leisten können, erst recht. Kann ein soziokulturelles Zentrum wie die Weberei einspringen und auf die Bedürfnisse Einzelner oder kleinerer Gruppierungen eingehen? Steffen Böning und sein Team sähen sich dabei gern als Ermöglicher, um das Kultur- und Bürgerzentrum – von ihnen liebevoll Bürgerkiez getauft – zu weiterer Blüte zu führen. Wenn sie den Kraftakt finanziell stemmen könnten und wenn das Verständnis von »Soziokultur« im allgemeinen Gebrauch ein »Update« auf das Jahr 2016 respektive 2017 bekommen würde.

Die Beratungen über den Kulturentwicklungsplan werden in ein Leitbild mit zentralen Aussagen zur gewünschten kulturellen Entwicklung einfließen, die zurzeit von den Stadträten im Kulturausschuss formuliert werden. Die KEP-Diskussion soll sich auch im Haushalt 2017 niederschlagen. Die freie und soziokulturelle Szene könnte dann ein kleines Stückchen mehr vom großen Förderkuchen abbekommen.

Vier Prozent plus »für Kultur« ist im Gespräch. Das wäre ein Anfang.

Fotos: Weberei Gütersloh
Text: Wolfgang Hein