Der Traum vom Fliegen ist so alt wie die Menschheit selbst. Auch wenn wir heute ganz selbstverständlich mit dem Flugzeug durch die Welt reisen, so ist sie doch geblieben, diese Sehnsucht nach dem letzten Stück uneingeschränkter Freiheit. Der Wunsch, wie ein Vogel durch die Lüfte zu fliegen. Doch ist der freie Fall wirklich das Beste, was der Himmel zu bieten hat? Die meisten von uns werden es nie erfahren. Daher hat Carl sich auf Spurensuche begeben und einen jungen Fallschirmspringer getroffen, der dieses Gefühl aus eigener Erfahrung kennt.

Mit einem ersten Tandemsprung fing alles an. Genau genommen hat Moritz Ortjohann schon seit Kindertagen die Fallschirmsprünge seines Vaters beobachtet. Die Leidenschaft für luftige Sprünge wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Mit 16 Jahren erlebte er selbst das erste Mal das Gefühl des freien Falls. Diese Spannung, bevor man in 4 000 Metern Höhe aus dem Flugzeug springt. Die ersten Sekunden nach dem Ausstieg, diese kurze Ruhe, bevor man spürt wie die Luft sanft gegen den Körper drückt. Der Wind, der unaufhörlich vorbeirauscht und das plötzliche Gefühl der Leere, das sich unwillkürlich einstellt, während man bis zu 60 Sekunden lang wie ein Vogel durch die Luft schwebt. Und dann ist es auch schon vorbei. Wenn sich der Fallschirm in sicherer Distanz öf fnet, gleitet man die letzten Meter eher langsam zu Boden.

»Ich wusste schon nach dem ersten Sprung, dass ich mehr will«, erzählt uns der 23-jährige Gütersloher. Also lernt er mit 17 Jahren erst einmal theoretisch, worauf man beim Fallschirmspringen achten muss und wie wichtig das Thema Sicherheit ist. Nach zwei Tagen darf er seinen ersten Sprung machen. Allein! Heute werden die »Neulinge« in der Regel von zwei Lehrern begleitet, die ihre Flugschüler festhalten und ihnen zeigen, wo der Öffnungsgriff ist, wie man den Fallschirm öffnet, wie man sich dreht oder auch eine Drehung verhindert. Nach den ersten Sprüngen fliegt nur noch ein Lehrer mit, bis man schließlich auf sich selbst gestellt ist.

Unzählige Male hat Moritz Ortjohann diesen Flow-Effekt schon erlebt. Diesen Zustand der Selbstvergessenheit durch höchste Konzentration und Spannung. Einen Augenblick für die Ewigkeit, das Gefühl, einfach durch den Himmel zu tauchen. Denn das Wort »Fallschirmspringen« trifft nicht annähernd den Kern. Man springt nicht einfach aus dem Flieger, um an einem Schirm zu hängen. Es ist eher ein notwendiges Übel, mit dem Fallschirm zum Boden zu gleiten. Als routinierter Fallschirmspringer möchte man nicht etwa 40 Sekunden von knapp 60 verpassen.

 

Und so trainiert der 23-jährige Student für Fotografie und Medien an der FH Bielefeld bei jedem Sprung auf Neue, mit den extremen Eindrücken während des freien Falls umzugehen, selbstsicherer zu werden und konzentriert bei der Sache zu bleiben. Zwischen 60 und 70 Sprünge absolviert Moritz Ortjohann heute jährlich. »Alles eine Frage des Geldbeutels«, erklärt er uns. Denn so ein Hobby ist ziemlich kostspielig. Dafür jobbt er regelmäßig als Fotograf. Eine gute Kombination.

So kann er nicht nur das Fallschirmspringen finanzieren, sondern zudem noch Berufserfahrung sammeln. Ob es nicht irgendwann langweilig wird, möchten wir wissen. »Nein, auf kleinen Fall. Jeder Sprung ist wirklich anders. Jeder!«, versichert der gebürtige Gütersloher. Und dann ist da noch die Gemeinschaft mit Gleichgesinnten. In der Regel fliegt man nie allein. Fallschirmspringen ist ein Teamsport, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht vermuten würde. Dabei gibt es die verschiedensten Disziplinen vom Stilspringen über Zielspringen und vom Formationsspringen über den Freestyle bis zum Freefly.

Genau den mag Moritz Ortjohann am liebsten. Hier gibt es keine festgelegten Regeln. Was Spaß macht, ist erlaubt. Zu seinen beliebtesten Freefly-Moves gehört der Sitfly. In diesem Fall erreicht man eine Freifallgeschwindigkeit von bis zu 300 Stundenkilometern, was natürlich auch den Reiz dieser Disziplin ausmacht. Die Freeflyer nutzen die Luftströmung um ihren Körper herum und zwar so, dass dabei atemberaubende Flugmanöver möglich sind. Was in der Luft fast spielerisch aussieht, ist in der Realität aber nur etwas für Fortgeschrittene.

»Der schönste Moment ist der nach dem Absprung. Dann bin ich wirklich auf mich selbst gestellt«, erzählt der Fallschirmspringer. Angst fühlt er dabei nicht, nur höchste Konzentration, Körperspannung und Freiheit. Dabei raubt so ein Fallschirmsprung fast jedes Zeitgefühl. Die Sekunden fühlen sich an wie eine Ewigkeit. Nach ein paar Stunden auf dem Flugplatz und einigen Sprüngen sitzt man, wie bei den meisten Sportarten, gerne zusammen, lernt aus den Erfahrungen der anderen, spricht über Figuren oder Formationen und plant schon mal den nächsten Sprung aus luftiger Höhe.

Unser Fazit? Dieses Gefühl des freien Falls kann man wohl kaum in Worte fassen. Man muss es einfach selbst erleben. Allen anderen empfehlen wir, sich unsere Filme anzuschauen!