Saure-Gurken-Zeit

Immer wieder gerne tauschen wir unsere digitale Arbeitswelt gegen echte Offline-Erlebnisse ein. Mit der passenden Idee im Gepäck geht es zurück zum Ursprünglicheren, in die Natur oder  wie im Rahmen unserer Sommertour durch Gütersloh  an die Wurzeln jahreszeitlicher Esskultur. Denn unser Familienziel ist an diesem Samstag kein Tierpark oder Schwimmbad, sondern der bunte Citymarkt auf dem Berliner Platz. Der ist  nimmt man sich entsprechend Zeit, um alles in Ruhe zu entdecken  an sich schon ein kleines Erlebnis wert. Verbunden mit einer kleinen Aufgabe macht es umso mehr Spaß: Herausspringen soll mindestens ein saisonales Mittagessen, das der ganzen Familie schmeckt und zugleich auch im heimischen Nutzgarten wachsen könnte.

Passend zu einer Regenpause kommen wir am Berliner Platz an. Viel los ist an diesem Samstagmittag nicht. Schade eigentlich, denn gerade jetzt präsentieren die Händler besonders viel Obst und Gemüse aus eigenem Anbau. Noch einige Tomatensorten, zahlreiche Kräuter im Topf, Blumen und Naschgemüse, das noch am Busch hängt, ziehen unsere Blicke auf sich. Auch Salate, bunte Beeren und Gemüse von Blumenkohl über grüne Bohnen bis zur Zucchini wären definitiv ein bzw. mehrere Mittagessen wert. An allen Ständen allerdings besonders präsent sind an diesem Tag Gurken. Kistenweise kleine Einlege-gurken warten auf ihre Verarbeitung, ebenso Salatgurken von klein bis groß. Mittendrin finden wir die hier in Westfalen vielfach eher als Exoten gehandelten »Schmorgurken« mit ihrer pieksig-warzigen und gelb gefärbten Schale, dick gewachsen und teils sehr unförmig. Wir erinnern uns ein Ur-Berliner Rezept im Familienkochbuch und legen uns schnell fest: Das ist das Gericht der Wahl!

 

Nach kurzen Überlegungen haben wir die Zutaten im Kopf zu einer Einkaufsliste zusammengestellt. Neben fünf bis sechs Gurken benötigen wir ein paar Zwiebeln und wenn vorhanden frische Dillblüten sowie einen Bund Dill zum späteren Würzen. Als Beilage suchen wir uns kleine, festkochende Kartoffeln aus, denen man ihre Feldfrische tatsächlich noch ansehen kann. Geräucherter Schinkenspeck vom Metzger des Vertrauens liegt noch zu Hause im Kühlschrank – und damit ist der Einkauf perfekt. Auf dem Rückweg wandern noch ein paar frische Äpfel zum Naschen unter den Kinderwagen, dazu ein paar der letzten heimischen Kirschen für den Nachtisch.

 

Zurück zu Hause packen wir voller Vorfreude auf das am Ende süß-säuerliche Gericht die Einkäufe aus. Seinen Ursprung hat die Zubereitung der Schmorgurken unter anderem in Ostpreußen, bekannt ist das Gericht insbesondere auch in und um Berlin. Entsprechend ist auch das Angebot der hartfleischigen Gurken regional beschränkt, zudem werden echte Schmorgurken tatsächlich nur saisonal angeboten  umso größer ist Jahr für Jahr die Vorfreude auf die Gurkenzeit. Das ganze Jahr über erhältlich ist das Gemüse übrigens in eingelegter Form als Senfgurken.

 

Und dann geht es ans Werk: Wir waschen die leicht sandigen Gurken einmal ab und schälen die feste Schale komplett ab. Absolut entscheidend ist bereits jetzt der Geschmackstest, für den wir an jedem Gurkenende ein kleines Stück abschneiden und probieren. Schmorgurken können einen extrem bitteren Geschmack entwickeln. Sollte dies der Fall sein, die Gurke auf keinen Fall mitkochen! Allerdings haben wir Glück und können alle sechs Gurken weiterverarbeiten.

 

Die geschälten Gurken werden halbiert und mit einem Löffel von ihren Kernen befreit, die nicht mitgegessen werden. Die Gurkenhälften werden in etwa zwei Zentimeter große Würfel geschnitten. Kleine Würfel machen wir auch vom Speck und den Zwiebeln, die anschließend gemeinsam in etwas Butter im Topf angebraten werden. Für den Geschmack wichtig ist die Zugabe von Zucker, der gemeinsam mit Speck und Zwiebeln angeröstet wird. Bevor wir die Gurken hinzufügen wird alles mit Essig abgelöscht und gut verrührt. Anschließen fügen wir nach Geschmack noch etwas Salz und Pfeffer hinzu und vermengen alles mit den frischen Dillblüten vom Markt.

Nun heißt es: Abwarten! Denn der besondere Geschmack der Schmorgurken benötigt Zeit. Etwa 45 Minuten geben wir der Menge bei niedriger Schmortemperatur im verschlossenen Topf. Ausreichend Zeit also, um die Kartoffeln zu waschen und mit Schale als Pellkartoffeln zu garen. Zudem schneiden wir den Dill klein, der erst ganz am Ende zum Würzen hinzugegeben wird.

Abgeschmeckt werden die Gurken zudem mit Essig, Salz oder Gemüsebrühe, Zucker und Pfeffer. Am Schluss binden wir die Flüssigkeit noch mit etwas in Wasser eingerührter Speisestärke  fertig ist das perfekte Gurkengericht! Wer etwas mehr Fleisch zur Mahlzeit haben möchte, serviert die Schmorgurken klassisch mit frisch gebratenen Frikadellen.

Am Ende schmeckt es der ganzen Familie  und wir werfen direkt einen Blick auf den Saisonkalender für Obst und Gemüse im August. Da verstecken sich noch einige andere leckere Gerichte für die kommenden Wochen!

 

 

Rezept: Schmorgurken Berliner Art

 

1 kg Gurken fast reif und gelb, schälen, an den Enden auf Bitterkeit prüfen, der Länge nach durchschneiden und mit einem Löffel die Kerne herauskratzen. Das Gurkenfleisch in Würfel (ca. 2cm) schneiden.
1 EL Butter in einem großen Topf zerlassen und 2 Zwiebeln würfeln. Beides in der Butter anbraten.
1 EL Zucker darüber geben und mit anrösten. Mit 1 bis 2 EL Essig ablöschen. Die Gurkenstücke dazu geben und mit Salz, Pfeffer und Dillblüten würzen.
Die Gurken im geschlossenen Topf weich schmoren (ca. 45 Minuten). Bei Bedarf etwas Wasser zugeben. Zum Schluss mit Speisestärke binden und mit Gemüsebrühe, Pfeffer, Zucker, Essig und frischen Kräutern (gehackter frischer Dill!) abschmecken.

Zu den Schmorgurken schmecken am besten frische Pellkartoffeln und klassisch auch Frikadellen.

 

Text und Fotos: Ben Hensdiek