In unserer »Poëten:Ecke« dreht es sich in loser Folge um junge Nachwuchskünstler und ihre Wortakrobatik. Schon seit 2008 ist Poetry-Slam fester Bestandteil der Gütersloher Kulturlandschaft. Und dazu haben auch die Gütersloher Jonas Helmich, Marie Masjosthusmann und Niko Sioulis ihren Teil beigetragen. Die drei sind schon seit Jahren als Slammer in der Szene aktiv. Zum Studieren, Leben und Erfahrungen sammeln zog es die Gütersloher in eine neue Wahlheimat. Aber Gütersloh ganz den Rücken zu kehren kommt gar nicht in Frage. Alle Drei zieht es regelmäßig nach Gütersloh – um Zeit mit der Familie und alten Freunden zu verbringen, die Heimat in vollen Zügen zu genießen oder zu den Slams in die Weberei. Jonas und Niko waren es die hier den »Vogelfrei U20 Slam« 2013 ins Leben gerufen haben. Seit 2016 führen die beiden Wortgewandten in ihrem zweiten Wohnzimmer auch beim großen Bruder, dem »Slam GT«, mit viel Humor durchs Programm. Als wir bei Jonas, Marie und Niko angefragt haben, ob sie Lust haben uns in der Redaktion zu besuchen und über ihre geliebte Heimat zu Slammen, lassen sich die Drei nicht lange bitten und geben so richtig was zum Besten.

Jonas:
Wusstet ihr schon? Gütersloh ist Großstadt
Fühlt sich gar nicht so an, für mich zumindest
Ich kann kaum durch die Stadt gehen, ohne wen zu treffen
Den oder die ich kenne
Und dass, obwohl hier so viel Gegend ist
Gütersloh ist bunt in seinem Grau und Lächelt in seiner Tristesse
Es ist Leinwand, malt mit Farbe auf Beton
Der Stadtpark ist der drittschönste Deutschlands
Der Gütersloher Frühling, Dalkesteg, Dreiecksplatz
Gütersloh atmet ein - und aus - und ein - und aus
Und eine neue Baustelle in noch einer Einbahnstraße
Gütersloh war super, als ich kleiner war
Wird super, wenn ich vielleicht mal Kinder hab
Aber jetzt, jetzt wohne ich halt woanders

Marie:
Woanders wohnen und trotzdem ist Gütersloh,
Wo ich her komme.
Wo aufwachsen bedeutet: Waldkindergarten und Stadteis,Dalkegrillen und auf den Bus warten.
Wo ich nachts weiß, dass die Lichter um 22 Uhr aus gehen
Wir aber drauf stehen auszugehen
Mit Stadttheater, Weberei und SpielplatzEin Ort der nicht viel hat, aber mir meinen Stil gab
In Momenten zwischen Ferienspielen Im Sommer und Eiswiese im Winter
Diese Zeit bleibt für mich Bilder
Gerahmt in neue Wände: Bilder von Extrarunden im Auto
Weil das Lied noch nicht zu Ende ist
Schulzeit, in der man zwischen vergilbten Wänden spricht
Viel zu auffällig vom cool Tanzen bis zum Schulranzen
Und wie ein Tattoo stanzen sich Industriestaub und Fortschritt
Vor bis in meine Erinnerung

Niko:

An das Aufwachsen in Bertelsmanns Schatten, an die Größe des Geländes von Miele
An die einstraßige Altstadt, das Stadttheater
Die Stadtbibliothek und den Weihnachtsmarkt, auf dem Mindestens die halbe Stadt zu sein scheint
Die zwei Gymnasien im ständigen Wettstreit
Und auf die Frage, welches das bessere ist
Gibt es nur eine richtige Antwort
Gütersloh ist Großstadt, zumindest auf dem Papier
Wir wohnen zwar alle drei nicht mehr hier
Kommen aber immer gerne zurück
Und jedes Mal sieht es etwas anders aus
In Gütersloh ist nicht so viel los, wie es vertragen könnte
Aber es ist mehr los, wenn wir mehr los machen
Wusstet ihr schon? Gütersloh ist Großstadt

Fotos und Film: Antoine Jerji & Marco Polanski
Text: Charline Belke