Zu guter Letzt wird es noch einmal so richtig kreativ. Auf den nächsten beiden Doppelseiten dreht sich nämlich alles um eine erfolgreiche, freischaffende Künstlerin aus unserem Nachbarstädtchen Versmold. Für viele von euch sicher keine Unbekannte, denn erst vor Kurzem bereicherte sie die Galerie in der Stadtbücherei Harsewinkel mit ihren »Fundstücken«. Momentan zieren ihre Werke im Rahmen von »Kunst in der Praxis« die Praxisräume von Dr. Labis. In ihren eigenen vier Wänden zeigt uns Petra Kuhn, dass ihre Kreativität absolut keine Grenzen kennt. Und wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus.

»Gemalt habe ich schon immer«, berichtet uns Petra Kuhn an diesem Vormittag in ihrem eigenen Wohnzimmer. Wir sitzen unter einer Wohnzimmerlampe, aus einer alten Fahrradfelge. Nicht das erste kreative Werk, das wir auf dem Weg von der Haustür bis zum Sofa entdecken. Und sicher nicht das Letzte. Petra Kuhn erzählt uns von zahlreichen Kursseminaren, die sie seit 1974 besucht hat: Die Themen reichen von plastischer Gestaltung, über Vergoldung, Bildhauerei, Aktmalerei, bis hin zu Gips und Pappmaché. »Ich experimentiere einfach gerne mit unterschiedlichsten Materialien. Bei meinen Bildern und Objekten arbeite ich heute hauptsächlich mit Acrylfarbe, die ich dann mit anderen Dingen kombiniere.« Diejenigen, die schon mal eine Ausstellung der Versmolderin besucht haben, wissen was sie damit meint.

»Ich bin schon immer eine Sammlerin«, verrät uns die 55-Jährige. Ihre Fundstücke verarbeitet sie dann in ihren Werken. So werden alte und teilweise ka-putte Alltagsgegenstände von ihr zu neuem Leben erweckt. »Da gehen Holz, Stein und Metall schon mal eine Verbindung ein oder aus bunten Fliesenstücken entsteht handgemachte Deko. Aber auch aus Pappmaché, Beton oder Gips forme ich verschiedene Objekte«. Ein Objekt, auf das die Künstlerin besonders stolz ist, schaut uns aus dem Wohnzimmerregal an. Madame Maché ist eine Pappmaché-Dame mit roten Bäckchen und langen Beinen. Kuhn hat den Namen schützen lassen, denn die Figur steht im Mittelpunkt einer ihrer Kreativkurse: Unter dem Titel »Madame Maché mit den besten Freundinnen« kann man sich selbst an den verrückten Pappmaché-Figuren versuchen. In den Werkräumen im Keller gibt Kuhn Kreativkurse zu ganz verschiedenen Themen.

Auf einen bestimmten Stil möchte sich die Künstlerin also nicht festlegen.Und das wird uns bei einer kleinen Führung durch ihre eigenen vier Wände mehr als deutlich. In der Küche entdecken wir ein Bild, in dem zerborstene Schieferplatten vom Schornstein eine neue Bleibe gefunden haben. Im Zentrum ein Stück einer alten eisernen Kaimauer. Drumherum die Teile einer zerborstenen Rosenkugel. Uns fällt auf, dass viele ihrer Werke das Thema Meer in irgendeiner Weise aufgreifen. Wir entdecken Kombinationen aus Gips und Fischernetzen oder Schiffstauen

 

»Im Urlaub an der Küste oder bei Spaziergängen im Wald finde ich Dinge, oft ohne zu suchen. Manchmal denke ich, die Dinge liegen da, um nur von mir entdeckt zu werden.« Wie das Abzugsrohr, das nun mit indirekter Beleuchtung ihr Werk »Art Cuisine« schmückt.

Wir erfahren von Petra Kuhn, dass sie meist tagelang an einem Werk arbeitet. In zahlreichen Arbeitsschritten trägt sie die Farbe auf, zerkratzt und übermalt sie oder legt alte Ebenen vom Vortag wieder frei. »Man muss sich auf bestimmte Sachen einfach einlassen. Einfach probieren, probieren, probieren. Denn auch aus etwas nicht Gelungenem entsteht manchmal etwas richtig Tolles!« Wichtige Voraussetzungen für all die Kreativität sind Raum und Zeit. Und davon hat sie genug, seitdem ihre Töchter aus dem Haus sind. 2004 gründete sie in ihrem Obergeschoss das Atelier »Stückwerk«. Wir folgen Petra Kuhn die Treppen hinauf. Oben angekommen stehen wir vor einem Schätzchen: Drei Kinositze, aufgetrieben in Bielefeld und neu bezogen. In den bunten Zimmern gibt es überall liebevoll Handgemachtes zu entdecken: Schilder mit schönen Sprüchen, Schalen aus Pappmaché oder Stein, teilweise vergoldet oder mit Mosaik verziert. Sie zeigt auf eine Schüssel: »Ich arbeite auch gerne alte Sammelteller mit ein. So erhalten die Objekte einen ganz besonderen Reiz.« Aber auch Blumentöpfe werden mit Mosaiksteinen aufgehübscht. Aus den Überbleibseln eines Polterabends fertigt sie außerdem bunte Mosaikherzen. Ein wirklich besonderes Andenken für Brautpaare, wie wir finden.

Unsere Entdeckungstour geht weiter und wir stoßen auf viele weitere schöne Unikate: Bemalte Steine, Schlüsselanhänger, Geschenkkarten und schöne Kissen. Wir entdecken handgemachte Schmuckstücke aus alten Knöpfen, Meerglas und Besteck. In einige Ketten hat sie geschickt Tasten einer alten Schreibmaschine eingearbeitet. Auf einem kleinem Tisch stehen zwei Bücher von Hartwig Kuhn. Wir erfahren, dass auch Petras Mann Hartwig kreativ unterwegs ist: »Seine Kunst ist es, fantasievolle Geschichten, wie Spinnen-weben um meine Kunstwerke zu legen.« In seinen Büchern »JETZT! Gedankenwechsel« und »Gedanken fassen« finden sich viele kreative Gedichte, die gemeinsam mit den Fotos seiner Frau Geschichten erzählen. »Oder er schreibt Gedichte zu meinen Werken«, erzählt uns Petra Kuhn und zeigt uns ein kurzes Gedicht, das sich ganz allein ihrer Madame Maché widmet. So viel Kreativität in einer Familie: Das wollen wir euch nicht vorenthalten!

Zum Ende unseres Besuchs lässt sich sogar die Sonne nochmal blicken und es zieht uns in den Garten der Kuhns. Hier entdecken wir noch viel mehr Kreatives. Eines haben alle ihre Werke gemeinsam: Sie erzählen Geschichten. So wie der mit Mosaik verzierte Spiegel im Beet. »Als der Sturm Kyrill durch unseren Garten fegte, fiel der Spiegel um und einige Spiegelstücke fielen ab. Die habe ich dann viel später durch bunte Mosaikstücke ersetzt. Seitdem heißt der Kyrill.«

Text: Charline BelkeFotos: Antoine Jerji