Fotos: Detlef Güthenke
Mit Carl unterwegs: Detlef Güthenke
Detlef Güthenke ist viel unterwegs in Gütersloh. Das ausgediente gelbe Postfahrrad als Hauptarbeitsmittel ist dabei in mehrfachem Sinne Mittel zum Zweck: Zum einen trägt es eine Menge Last, denn für eine ausgedehnte Foto-Tour braucht es einiges an Equipment. Zum anderen ist der Fotograf damit schnell und wendig unterwegs. Der Aktionsradius ist somit allein auf die Kondition beschränkt, die er mitbringt. Schließlich muss er auch immer noch an den Ausgangspunkt zurückkommen, an dem er gestartet ist. Auf den Wegen versucht er, die Orte mit ihren Eigenheiten zu verstehen. Wer seine Bilder kennt weiß, dass ihm das gelingt. Für Detlef Güthenke zählt der Standpunkt, nicht der Standort. Denn aus dem richtigen Blickwinkel bietet auch eine Stadt wie Gütersloh ein unendliches Portfolio an Motiven. Darum auch die Stange am Fahrrad: Auf dem Stativ erfasst die Kamera Motive, die beim normalen Gang durch die Stadt nicht erkennbar sind. Im Mittelmaß aus Bildern auf Augenhöhe und Luftbildern erscheinen Orte fast unbekannt, wie von einem Balkon aus, der nur wenigen Menschen zugänglich ist. Seit seinem dritten Lebensjahr wohnt der Fotograf in Gütersloh, somit kennt er sich hier gut aus. Aus Leidenschaft zur Fotografie hat er sich entschieden, das Thema auch beruflich zu erkunden und an der FH Bielefeld zu studieren.
Den eigentlichen Schwerpunkt des Bildjournalismus hat er dabei aus zwei einfachen Gründen recht schnell an den Nagel gehängt: Auf der einen Seite gibt es in Gütersloh außer bei den Tageszeitungen kaum eine Möglichkeit, das Fach dauerhaft auszufüllen. Auf der anderen Seite wurde er während des Studiums zum ersten Mal Vater – mit der daraus entstehenden Folge, Geld verdienen zu müssen. Anders als viele Kommilitonen, die sich das Studium zum Beispiel durch fachfremde Jobs finanzierten, blieb Detlef Güthenke bei der Fotografie und übernahm die ersten Foto-Aufträge. »Ich wollte lieber Wurstwaren fotografieren als Taxi fahren«, schmunzelt er. Im Endeffekt aber war genau das die richtige Entscheidung. Denn auch nach dem Studium ließ sich mit Produktfotografie im Studio gutes Geld verdienen. Irgendwann aber musste Abwechslung her – und da war die Stadt eine gute Wahl. Wer in Gütersloh wohnt, war mit Sicherheit schon an tausend Orten und Stellen, die sich auf einem Foto richtig gut machen. Allein die Wahrnehmung dafür muss geschärft werden. »Irgendwann ist mir klar geworden, dass man auch in diesem Nest Geschichten finden kann«, sagt Güthenke.
»Da hier alles flach ist und auch landschaftlich nicht so viel passiert, muss man sich die entsprechenden Punkte aber oft hart erkämpfen«. So zieht er wie mit der Lupe durch die Stadt und findet im Unspektakulären große Qualitäten. Dass er dabei oft komisch angesehen wird, ist ihm durchaus bewusst. Das Fotografieren an öffentlichen Plätzen ist durch ein falsches Verständnis des Rechtes am eigenen Bild nicht leichter geworden. Auch darum ist das auffällige Fahrrad wichtig – um klar zu signalisieren, dass die Fotos nicht heimlich gemacht werden. Das wird vor allem nachts ein Problem, wenn kaum jemand auf den Straßen unterwegs ist. Dann allerdings ist das Fotografieren ein besonderes Erlebnis, denn die Motive lösen sich durch Langzeitbelichtungen aus dem Alltagskontext. Das lohnt sich besonders in der Darstellung von Kunst im öffentlichen Raum, wie die Fotos von Detlef Güthenke eindrucksvoll zeigen.
Für ihn sind diese Foto-Touren echte Highlights. Ein wichtiger Moment in der Fotografenlaufbahn war die Ausstellung »Kaff und Kosmos« von Detlef Güthenke und Eckard Kleßmann, die 2001 im Stadtmuseum Gütersloh zu sehen war. »Provinzkaff und zu Stein gewordene Langeweile oder Mikrokosmos von 90 000 Menschen, der bei genauerer Betrachtung seine Vielfältigkeit preisgibt: Kaff und Kosmos – Gütersloh kann beides sein«, steht in der damaligen Beschreibung. Ein Rahmen, in dem sich auch Güthenke der Stadt noch einmal sehr intensiv genähert hat. Gefunden hat er auch in diesem Rahmen viele Antworten auf die Frage, was den Menschen an Gütersloh gefällt. Die Nähe, die er auf diesem Wege zu den Bürgern aufbauen konnte, war auch eine gute Grundlage für einige Bildbände über die Stadt. Als bekannter »Stadtfotograf« erstellte er gemeinsam mit Matthias Borner zudem einen offiziellen Stadtführer für Gütersloh. »Wichtig ist, die Stadt nicht zu ernst zu nehmen«, weiß er aus Erfahrung. Mit einem angemessenen Abstand zu den Eigenarten und der Mentalität der Gütersloher kann man diese kleinen Kuriositäten gut in Worte und Bilder fassen.
Das hat beim Gemeinschaftsprojekt »Stadtführer« besonders gut geklappt. Fragt man Detlef Güthenke nach seinem Lieblingsplatz in Gütersloh, kommt er trotz bester Ortskenntnis kurz ins Stocken. Dann aber quillt es aus dem ruhigen, meist andächtig wirkenden Fotografen: Die vielen wunderbaren Plätze in Dalkenähe, vor allem die gerade fertiggestellten Bereiche am Klärwerk Putzhagen haben es ihm angetan. »Die Renaturierung ist toll gelungen und es ist spannend, wie sich die Natur nun ihren Platz zurückerobert«, erzählt er. Begeistert ist er aber auch darüber, wie vorrangig junge Menschen die Gütersloher Idylle genießen.
Die großen spontanen Treffen von Jugendlichen in den Dalkeauen, über die viele aufgrund der Verschmutzung schimpfen, empfindet er als äußerst positiv. »Da ist Musik und Spaß, die Menschen fangen da an zu leben«, resümiert er absolut nachvollziehbar. Das gilt auch für das Leben im Stadtpark und im botanischen Garten, wo die Menschen beginnen, die Grünflächen zu nutzen und ihren Wert zu erkennen. In Gütersloh bleibt man eben, »weil es hier so wie es ist in Ordnung ist«.
Ein neues Projekt hat Detlef Güthenke sich bereits vorgenommen: Er möchte hinter die Mauern schauen, die er schon tausendfach abgelichtet hat. »Die Fotografie schleppt einen in völlig unbekannte Situationen. Das ist Überwindung und stillen von Neugierde zugleich«. Je mehr man sich vom öffentlichen Raum entfernt und den Leuten »auf die Pelle rückt«, umso tiefer gehen die Geschichten. Und genau das möchte er dann auf seinen Bildern zeigen. Fast irritierend ist der Gedanke, dass Detlef Güthenke bereits Urheber historischer Bilder ist. Er war unter anderem dabei, als die Menschen um den Erhalt der Weberei kämpften. Dreißig Jahre danach fließen diese Bilder in historische Schriften ein. »Im Moment der Entstehung sind die Bilder schnell vergessen, schon zehn Jahre später sind sie schon allein durch Mode oder Fahrzeuge ein Zeitzeugnis«. Detlef Güthenke bringt Orte zum Lächeln, auch wenn diese Aufgabe in Gütersloh nicht die leichteste ist. Wenn wir ihn auf seinem gelben Fahrrad wiedertreffen, wissen wir genau das zu schätzen.
Text: Benedikt Hensdiek