Ganzheitlich gewachsen ...

Ab dieser Ausgabe von Carl suchen wir Startup-Unternehmen mit zukunftsweisenden Ideen. Was aus ihnen wird, wissen wir heute noch nicht – wohl aber, dass es in Gütersloh eine Reihe bodenständiger Firmen gibt, die den Weg von der Idee bis heute glänzend gemeistert haben. Mit allen Finessen, die auf die Neugründer noch warten.

Auf dreißig Jahre dieser Erfahrungen kann das Gütersloher Unternehmen Maas Naturwaren zurückblicken. Mehr aus der Not heraus geboren, hat der inhabergeführte Betrieb heute 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bundesweit acht Ladengeschäfte und führt mit 1200 Sendungen pro Tag einen gut funktionierenden Online-Handel für fair produzierte ökologische Mode. Das passt somit gleich doppelt gut in dieses Heft. Denn auf den folgenden Seiten beschäftigen wir uns mit dem bewussten Umgang mit Ressourcen, die wir für unser tägliches Leben nutzen.

Was das mit einem vollen Eimer Plastik-Windeln zu tun hat und warum bei einer Firmengründung nicht immer von Anfang an der große Wurf geplant ist, wissen die folgenden Seiten zu erzählen.

Versetzen wir uns zurück in das Jahr 1985: Vor zwei Jahren sind die »Grünen« zum ersten Mal in den deutschen Bundestag eingezogen, der Bio-Landbau erlebt einen ersten Boom und auch in Gütersloh eröffnen erste Bio-Läden wie das »Wurzelwerk«. Auslöser war vielfach ein neues Bewusstsein für das eigene Leben und Konsumieren. Das gibt es auch heute noch, allerdings musste man vor dreißig Jahren viele Dinge neu denken.

Zum Beispiel, ob es für das gerade geborene Kind eine Alternative zu den auch damals üblichen Wegwerfwindeln gibt, die Woche für Woche die Mülltonnen verstopfen. Und die gab es tatsächlich: Bauwollwindeln und Wollhöschen. Wenig verbreitet und, hier entscheidend, nicht einfach käuflich erhältlich. Der Gründer und Inhaber von Maas Naturwaren, Reinhard Maas, erinnert sich an diese Zeit: »Ich habe gemeinsam mit meiner Frau Kontakt zu einem Produzenten von Naturtextilien gesucht und gefragt, ob wir für uns und Bekannte mit Kindern dort die Windeln bestellen könnten«. Der Versandhandel steckte noch in den Anfängen und das Unternehmen belieferte ausschließlich Geschäftskunden. Kurzentschlossen ging er zum zuständigen Amt in Verl und besorgte sich einen Gewerbeschein, woraufhin die erste Sammelbestellung Windeln aufgegeben wurde.

Und so passierte, was passieren musste: Auf den ersten Schritt folgten die nächsten und über das Interesse von Freunden immer weitere Bestel-lungen, die nun auch versandt wurden. Eine erste Preisliste wurde gedruckt und eine Anzeige in einem Ökomagazin geschaltet. »Naturtextilien zu günstigen Preisen« war der Satz, der reges Interesse am Unternehmen »Wickelkiste« weckte, wie es zu der Zeit hieß.

Dienstags und donnerstags von 15 bis 18 Uhr konnte man seine Windeln auch persönlich in Verl abholen. Um die finanzielle Freiheit des wachsenden Geschäfts zu sichern, arbeitete der ausgebildete Sozialpädagoge als Nachtwache. So konnte aus den Erträgen des Tagesgeschäftes nach einem Jahr eine Mitarbeiterin eingestellt werden, später kam eine weitere dazu. Und auch das Sortiment wuchs mit dem Kind mit, immer weitere Größen und Formen wurden angeboten.

Im Jahr 1989 folgt dann der Kauf des ehemaligen Ärztehauses an der Haller Straße in Isselhorst. Dort reicht der Platz gerade einmal zwei Jahre für Versand, Laden und Büros unter einem Dach. Folgend werden Lager und Versand ausgelagert. Das Vertrauen der Kunden in die ökologische Mode wuchs stetig und auch am »Kartoffelsack-Image« der Öko-Kleidung wurde kontinuierlich gearbeitet. So fanden frische Farben und Anlehnungen an Modetrends ihren Weg in die nach und nach selbst hergestellten Produkte. »Ökologie, soziale Verantwortung, Gesundheit und Qualität« sind die vier Prinzipien, auf denen alle Entscheidungen nach wie vor von den Inhabern getroffen werden. »Da wir als inhabergeführtes Unternehmen frei entscheiden können, wie wir unsere Prioritäten setzen, dürfen diese Werte auch mal wichtiger sein, als ökonomische Interessen«, hält Maas fest. Ein starkes Wort im Jahr 2015.

Seit 1999 befinden sich alle Geschäftsbereiche wieder unter einem Dach, vereint im Neubau an der Werner-von-Siemens-Straße. Als zweites Geschäft eröffnete das Unternehmen eine Filiale in Oldenburg, vor zehn Jahren folgte Bielefeld. Heute gibt es weitere Läden in Bad Homburg, Hamburg, Berlin, Münster und seit November 2014 in Frankfurt. Vier bis fünf Kataloge werden pro Jahr in großer Auflage gedruckt, in denen sich die komplette Produktlinie von der Babykleidung über Kinder-, Damen- und Herrenmode bis hin zu Geschenkartikeln findet.

Nicht zuletzt die medial groß aufgebauten Katastrophen in Produktionsfirmen für Billigwaren haben für ein wachsendes Interesse an fair produzierter Mode und einen bewussteren Umgang der Konsumenten gesorgt. »Es wird öfter nachgefragt, aber auch gekauft«, kann Reinhard Maas aus eigener Erfahrung berichten.

Gemeinsam mit seiner Frau ist es ihm gelungen, Maas Naturwaren über 30 Jahre kontinuierlich auf- und auszubauen und auf solide Füße zu stellen. Angestoßen durch ein paar Baumwollwindeln.

 

Text: Benedikt Hensdiek
Fotos: Maas Naturwaren