Der letzte Cowboy

Zu Besuch bei den Theaterproben

Hauptbahnhof Gütersloh, kurz vor elf am Morgen. Er steigt auf sein Fahrrad und fährt in Richtung Spexard. Im Ohr Thommie Bayers »letzter Cowboy«, eine der wenigen Kultfiguren der Stadt Gütersloh. Dem Country- Schlager entsprungen und bislang nahezu ge- sichtslos, radelt er nun gutgelaunt in Jogging- hose durch die Straßen. Ohne Pferd und ohne letzten Keks. Ausgerechnet aus Berlin ist der Schauspieler angereist, um das Idealbild des ostwestfälischen Präriebewohners zu verkörpern. Gut drei Stunden später allerdings wis- sen wir: Es ist genau die richtige Besetzung für das Stück »Der letzte Cowboy (solitary man)«, einer Koproduktion der internationalen Ruhrfestspiele Recklinghausen und des Thea- ters Gütersloh. Letzteres betritt damit zum zweiten Mal internationales Parkett und leistet so einen großen Dienst beim Aufbau der »Kulturmetropole« Gütersloh. Carl war zu Besuch bei den Proben zum Stück, hat gefilmt und mit Darstellern sowie dem Autoren und Regisseur in Personalunion gesprochen.

Die Geschichte, wie Regisseur und Theaterleiter Christian Schäfer (aka Autor Fink Kleidheu) auf die Idee des Stückes gekommen ist, klingt wie aus dem Märchen gegriffen: Thommie Bayer, der Gütersloh mit dem Song »Der letzte Cowboy« im Jahr 1979 in die Hitparaden brachte, wohnte nur wenige Straßen vom Elternhaus Schäfers entfernt. Fügung oder Schicksal, dass es nun zur Zusammenarbeit kommt? Auf jeden Fall die perfekte Story im Hintergrund. Denn Bayer, heute nicht mehr als Musiker, sondern als Autor unterwegs, war sofort angetan und wirkte von Beginn an am Stück mit. Als Dramaturg und mit dem Text zu einem eigens komponierten Stück.

In der hellen Gewerbehalle am Steinmerschweg in Spexard wird aus der fixen Idee Schäfers und gut eineinhalb Jahren Vorarbeit nun ein Theaterstück. Hier steht die aufwändig und detailreich erarbeitete Bühne zum Proben bis zum Umzug zunächst ins Theater Gütersloh und schließlich nach Recklinghausen in die Halle König Ludwig 1/2. Dort findet am 21. Mai die Uraufführung im Rahmen der Ruhrfestspiele 2016 statt. Eine nicht selbstverständliche Ehre für das Ensemble, aber in Recklinghausen kennt und schätzt man die Arbeit von Schäfer  seit vielen Jahren.

Die Stimmung ist an diesem Vormittag gelöst, das Ensemble, das insgesamt vier Schauspieler umfasst, trifft Vorbereitungen für eine Sprechprobe. Nebenbei werden Kostüme angepasst, Abläufe besprochen und Instrumente gestimmt, die vom isländischen Musiker Svavar Knútur bedient werden. Durch die Tür stolpert ein junger Mann in Jogginghose und singt leise den Refrain des namensgebenden Stückes. »Einsam und immer unterwegs, knabbert er den letzten Keks...« –  es ist der Hauptdarsteller Fabian Baumgarten, der bereits bei vorherigen Inszenierungen in Gütersloh dabei  war. So wie auch Christine Diensberg, Lucie Mackert und Svavar Knútur.

Aber was ist das nun für ein Typ, der letzte Cowboy? Ostwestfälisch korrekt trägt er  den Namen Joachim Ostenkötter, geboren nicht im Death Valley, sondern in der Gütersloher Provinz. Schon als Kind hat er viele Träume, die allerdings durch zahl- reiche Schicksalsschläge bereits ab der frühen Kindheit zunichtegemacht werden. Als Jugendlicher reift er zur Musik von Johnny Cash zum geübten Bourbontrinker, später lernt er im Schützenverein schießen, als Fleischerlehrling töten, im Country-Park reiten, sogar einige Todesfälle pflastern seinen Weg. Härte, Coolness und Männlichkeit, die den echten Cowboy zumindest der Legende nach auszeichnen, wollen sich bei ihm allerdings einfach nicht einstellen. Ausgerechnet im »Wilden Westen«, wo der freiheitssuchende Ostenkötter mit seiner Internetbekanntschaft Diana endlich glücklich zu werden droht, kann er dem Dasein nicht mehr standhalten. Beim Showdown Joachim gegen den Rest der Welt zieht er den Kürzeren. Fabian Baumgarten beschreibt die Rolle des schüchternen, zurückhaltenden Mannes als tragisch komisch, wenngleich das Stück durchaus einen gewissen Ernst mit sich bringt. 19 Szenen bietet das Situationsdrama, darin verborgen 25 unterschiedliche Rollen. Diese zu meistern, ist neben der schauspielerischen Leistung auch ein logistischer Akt. So ist für die beiden Darstellerinnen zwischen zwei Blicken auf das Leben des Cowboys gerade einmal Zeit, die Garderobe zu wechseln, um im nächsten Moment in ganz neuer Rolle aus einem neuen Bühnenzugang zu springen. Das beeindruckt schon bei den Proben und weckt Vorfreude auf die Aufführungen in Gütersloh zur Spielzeiteröffnung im September. Unterstützt wird die Eigenproduktion vom Förderverein des Theaters Gütersloh, der sich nach der Fertigstellung des Theaterbaus vor allem der Programmförderung verschrieben hat. Wenn Stücke wie »Der letzte Cowboy« das Ergebnis sind, kann und sollte man diese Arbeit durchaus unterstützen!


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