Immer wieder bekommen wir Rückmeldungen von unseren Leserinnen und Lesern zu unseren Beiträgen oder zu ganzen Magazin-Ausgaben. Beim »zu Besuch« aus der letzten Ausgabe allerdings waren es noch einmal mehr als sonst. Im April haben wir dort von Alex Schumacher und seinem Begleiter Thomas Krone berichtet, die eine Reise zum Naturvolk der »Korowai« in die Provinz Papua in West-Neuguinea unternommen haben – und zugleich versprochen zu erzählen, wie es danach weiterging. Denn mit dem Besuch bei den »Baumhaus-Menschen« war die vierwöchige Reise noch lange nicht zu Ende. Für die beiden Reisenden ging es weiter ins Hochland, wo es um einiges »touristischer« zugeht, als im Tiefland mit seinen weiten Urwäldern. Diesmal lassen wir Alex selbst zu Wort kommen und wünschen viel Spaß beim Lesen des zweiten Teils unserer kleinen Reihe!

»Im Hochland West-Neuguineas ist es um einiges Kühler als in den tieferen Gebieten. Ausgangspunkt unserer Reise ist hier Wamena – ein trotz touristischer Züge sehr dreckiger Ort. Unser Hotelzimmer ist nicht so prall, weswegen wir uns über ein Getränk an der Bar sehr gefreut hätten. Unser Guide allerdings lacht: »Alles Show. In Wamena gibt es (offiziell) keinen Alkohol.« Dafür finden wir im Supermarkt unglaublich teure Sonnencreme die verspricht, die Haut heller zu machen. Sogar Topteile inklusive 412er Boxen kann man hier kaufen.

Dann beginnt unsere Tour ins Hochland: Zunächst geht es mit einem Kleinbus aus Wamena heraus, ein bisschen in den Hang hinein bis zu einem Fluss. Es folgt ein Fußmarsch durch den Schlamm, der ab und zu ein Fluss zu sein scheint. Danach geht es mit einem Auto weiter, das jenseits des Schlamms auf uns gewartet hat. Es geht weiter rauf in die Berge – soweit rauf, bis es absolut keinen Sinn mehr macht, weil man zu Fuß schneller gewesen wäre. Das Auto tanzt und klappert, ein Aufkleber auf dem Armaturenbrett aber macht Mut: ›Happy Birthday‹.

Nach einer anspruchsvollen Wanderung bleiben wir die erste Nacht in Klise, einem pittoresken Dörfchen mit strohgedeckten Rundhütten. Nett hergerichtet wirkt es ein bisschen wie im Detmolder Freilichtmuseum – Rosamunde Pilcher lässt grüßen. Wir essen in der Hütte der örtlichen Religionslehrerin, unsere Träger machen sich auch als Köche gut und es gibt frische Passionsfrüchte aus dem Dorf, das beste was ich an Früchten je gegessen habe! Unsere Hütte ist leicht modifiziert, es gibt theoretisch Licht, allerdings müsste man dazu wohl irgendwo eine Batterie anklemmen.

Als wir aufstehen erwartet uns Kaffee, Frühstück und vor allem der »Frühstücks-Verkauf«. Sobald die engagierten Verkäufer spitz haben, dass wir wach sind, belagern sie uns mit ihren Waren: Federschmuck, äxte und Halsketten. Wir erkunden jedoch erst einmal das Gebiet um Klise mit seinem fantastischen Blick ins Tal mit dem Baliem und seinen Nebenflüssen. Die Menschen des Stammes der Dani bauen hier oben Kartoffeln, Süßkartoffeln, Mais und weitere Dinge an. Auch Kaffeeplantagen sehen wir. Die Felder sind durch Trockensteinmauern abgegrenzt, über die kleine Holzleitern führen. Die traditionellen Hütten im gegenüberliegenden Hang fallen gar nicht auf und fügen sich wunderbar in die Landschaft ein – das trifft allerdings nicht auf die modernen Wellblech-Hütten zu, die von den Missionaren errichtet wurden, weiße Rechtecke, da die Dächer das Sonnenlicht stark reflektieren. Ein ebenfalls völlig absurder Auswuchs der Missionarsarbeit ist, dass hier mancherorts auf fünf Hütten zwei Kirchen kommen.

 

Auch am nächsten Tag wachen wir zu der ewig gleichen Musik aus einer der Hütten auf, die dem Klang nach zu urteilen aus einem winzigen Lautsprecher plärrt. Wir wandern weiter über eine große Hängebrücke und verfallen fürs Foto kurz in eine Indiana-Jones-Pose. Mein Träger Pius macht mir einen Wanderstab, der in den steilen Hängen eine große Hilfe ist. Pius ist vom Stamm der Lani (hier im Hochland leben die Dani, Lani und Yali), ihr Wort für Danke kann ich mir als Gitarrist besonders gut merken: ›Wah-Wah‹ sagt man hier. Trittsicher unterwegs ist Pius übrigens mit einfachen Crocs.

Die nächste Nach verbringen wir in Syokosimo am Fluss. Hier ›duschen‹ wir auch, allerdings ist die Strömung so reißend, dass es schwer ist, sich ihr auf allen Vieren entgegenzustemmen. Das Ausspülen der Haare wird dadurch allerdings deutlich beschleunigt. Später wird ein Schwein vom Fluss davongespült, ein anderes vertilgt einen Flip-Flop. Wir erstehen Ketten und äxte, die Frauen bieten uns Nüsse an. Es regnet die ganze Nacht.

Erlebnisreich ist unsere Reise – allerdings durchaus nicht immer mit positiven Gedanken und Umständen. Als wir die nächste Nacht in Hitugi bleiben sollen, treffen wir nur alte, gebrechliche Menschen und eine Horde Kinder an. Darunter ein kleines Mädchen, das ein noch viel kleineres Mädchen trägt. Unser Guide Marius druckst herum und macht uns klar, dass wir lieber weiter nach Hugim gehen sollten und wir stimmen zu. Dort angekommen erfahren wir dann den Grund für die Abwesenheit der Männer – wir waren mitten in einen Stammeskrieg geraten. Eine Frau war vor einigen Tagen ermordet im Fluss gefunden worden.

Es galt nun das Gesetz der Blutrache: die Männer der Region, aus der das Mädchen stammte, kämpften nun mit Pfeil und Bogen gegen die Männer der Region, aus der der Mörder stammte – und das so lange, bis auf beiden Seiten gleich viele Tote zu beklagen waren. Die Polizei beziehungsweise das Militär hält sich aus diesen Angelegenheiten wohl eher raus. Wir mussten, da es dunkel wurde, die Gastfreundschaft dieser Menschen in Anspruch nehmen, während die ganz andere Sorgen hatten. Ein eigenartiges und unangenehmes Gefühl den Einwohnern des Dorfes gegenüber.

Zurück in Wamena fahren wir zum berühmt-berüchtigten Markt. Dort gibt es alles: Laptops, Handys, Früchte und Gemüse, Schweine und Bio-Wecker (Hähne im Käfig), außerdem Hitze und Gestank unter den Wellblechdächern. Die Fahrt hin war durchaus interessant. Der Bus wirkte, als sei er von einem Kinderkarussell abmontiert worden. Als wir zusteigen, muss ein kleiner Junge aufstehen, der sich auf der Weiterfahrt an meinem Knie festhält. Der Bus ist bereits um circa 50 Prozent überladen. Wir halten und es steigen noch mehr Leute zu. Der Junge, obwohl bereits zwischen Thomas und mir eingekeilt, hält sich nun an meiner Schulter und meinem Knie fest. Ich passe auf, dass er nicht umfällt, obschon ich mich frage, wie das gehen sollte. Zurück ging‘s mit dem Rollertaxi.

Zurück in Wamena besuchen wir abends mit unserem Guide Marius und dem Träger Pius ein Restaurant. Die Mädels grinsen und winken schon von weitem. Wir sitzen einige Zeit am Tisch bis Marius mir sagt, dass die Mädels unbedingt ein Foto mit uns machen möchten, da Marius mir sagt, ich erfülle mit weißem T-Shirt und heller Tuchhose auch vollkommen das Klischee des weißen Mannes. Thomas und ich halten mit den zwei Bedienungen also eine geschlagene Viertelstunde für Fotos in allen Konstellationen her, die mit sämtlichen verfügbaren Smartphones festgehalten werden. Auch das ist das Hochland in der Provinz Papua in West-Neuguinea.«

Fotos: Alex Schumacher, Thomas Krone
Text: Benedikt Hensdiek nach einer Vorlage von Alex Schumacher