Carl ist auf Tour in der Verler Innenstadt. Wer hier unterwegs ist, kommt an den schönen Fachwerkhäusern in der Sender Straße nicht vorbei. Die alten Zeitzeugen, stehen dort exemplarisch für die verschiedenen Epochen der frühen Dorfgeschichte. Unser Ziel ist das Haus Nummer 1, ein restauriertes Heuerlingshaus, in dem sich Manfred Dolleschel mit seiner einzigartigen Knopfmanufaktur einen ganz besonderen Traum erfüllt hat.
An der Hausecke hängt ein großer bronzener Wäscheknopf. Ein Zeichen, dass wir hier richtig sind. Manfred Dolleschel, Seniorchef von Europas führendem Knopfhersteller Union Knopf, begrüßt uns persönlich. Wir dürfen gleich in das Herzstück des Museums – eine im Original importierte und voll funktionsfähige Knopffabrik aus dem französischen Andeville, rund 40 Kilometer nördlich von Paris. Wenn der Herr der Knöpfe hier den Bakkelitschalter umlegt, erwachen die 150 Jahre alten Maschinen zu neuem Leben.
Der 79-Jährige hat selbst mehr als 50 Jahre in den Knöpfen gearbeitet. »Jetzt machen das meine Söhne in Bielefeld-Sennestadt«, erzählt Manfred Dolleschel. Den Betrieb hat er schon in den 1950er Jahren von seinem Vater übernommen. Als Firmenchef ist er durch die halbe Welt gereist, gerne nach Andeville. Dort war er besonders von einer kleinen Familienproduktion angetan. »Auf der Suche nach ausgefallenen Mustern kam ich 1981 mal wieder bei dem alten Ehepaar vorbei und begrüßte sie: >J’aimerais bien votre collection.< Die Antwort: »On arrête« – also, wir schließen. Und die Maschinen? Die waren bereits an einen Schrotthändler verkauft. »Daraufhin entschied ich spontan, die komplette Produktionsstätte nach Deutschland zu importieren, um die wertvollen Gegenstände für nachfolgende Generationen zu erhalten.« Es blieben genau sechs Wochen Zeit. Gemeinsam mit seinen Söhnen und drei weiteren Mitarbeitern holte Manfred Dolleschel nicht nur die Maschinen, sondern auch das gesamte Inventar aus Frankreich.
Zuvor wurde alles genauestens fotografiert, dokumentiert und katalogisiert. Allerdings dauerte es mehr als 30 Jahre, bis der Knopffabrikant in der ehemaligen Druckerei Maasjost in Verl einen geeigneten Präsentationsort fand. Hier steht seit zwei Jahren wieder alles an Ort und Stelle. Jede Schraube, jedes Werkzeug, jede Fertigungsmaschine, jede Ablage, ja – fast jeder Knopf befindet sich genau dort, wo er vor 30 Jahren gelegen hat. Selbst die Deckenhöhe wurde entsprechend angepasst und die Fenster den Originalen nachgebaut. Wenn man heute die alten Fotos aus Andeville vergleicht, kann man keinen Unterschied zu dem Raum von früher erkennen.
Und das Beste: Alle Maschinen sind immer noch voll funktionsfähig. Der Manufaktur-Gründer präsentiert uns eine Bohrmaschine, mit der früher die bekannten Viererbohrungen in die Knopfrohlinge gebohrt wurden. Selbstverständlich einzeln, nacheinander und per Hand. Genau wie vor über 100 Jahren. Und dann ist da noch die historische Poliermaschine: ein kleines sechseckiges Holzfass, das sich in waagerechter Position, gefüllt mit Knöpfen, kleinen Holzstücken und Polierfett, um die eigene Achse dreht. Dieses Polierfass wird hier, wie alle Maschinen, über Transmissionswellen betrieben, die an mächtigen Eisenträger unter der Decke hängen. »Der Poliervorgang ist bis heute derselbe geblieben. Nur, dass die Fässer viel größer sind und die Technik moderner,« erklärt uns Dolleschel.
Im Obergeschoss seines Museums steht die umfangreiche Knopfsammlung. Hier gibt es kaum ein Material, dass nicht schon einmal zu einem Knopf verarbeitet wurde: von Metall über Leder bis hin zu Kunststoff, von gehäkelten Verzierungen bis hin zur exotischen Steinnuss aus Equador. In allen Farben und Formen. Von hundert Jahre alten Knöpfen bis hin zu modernen Mustertafeln, die der aktuellen Mode keine Grenzen setzen. Einzig, die genaue Datierung der einzelnen Knöpfe und Ausstellungsexponate ist nicht immer bekannt. Das wäre auf jeden Fall noch eine spannende Aufgabe für die Zukunft.
Fotos: Sven Grochholski
Text: Petra Heitmann