Mit einem Kloster verbindet man Ruhe und Abgeschiedenheit: Aufstehen bei Sonnenaufgang, beten, meditieren, arbeiten – ein Leben in der Gemeinschaft, die von Gott zusammengeführt und zusammengehalten wird. Wenn aber Mönche oder Nonnen in ihrem Leben an erster Stelle »Gott suchen«, dann finden sie ihn nicht nur in »Gebet und Arbeit«, sondern auch in den Menschen, die als Gäste zu ihnen kommen. Und so haben wir uns an einem wunderschönen sonnigen Tag auf den Weg ins benachbarte Rietberg gemacht, um herauszufinden, was es mit der Gastfreundschaft der Benediktinerinnen von Varensell auf sich hat.

Als wir auf das Klostergelände abbiegen, spüren wir tatsächlich die Ruhe und fühlen uns beim Anblick der schönen Abteikirche ein wenig entschleunigt. Verabredet sind wir mit Schwester Teresa, die hier gemeinsam mit 35 Nonnen nach der Regel des heiligen Benedikt von Nursia lebt. Und damit sind wir gleich mitten im Thema. Schließlich stellt Benedikt mit dem ersten Satz im Kapitel über die Gastfreundschaft die Gäste in die Mitte des geistlichen Lebens seiner Klostergemeinschaft: »Alle Fremden, die kommen, sollen aufgenommen werden wie Christus, denn er wird sagen: Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen«.

Treffenderweise trägt das 1977 errichtete Gästehaus hier in Varensell also den Namen »St. Benedikt«. »Als ein Ort, an dem wir unser Leben mit Menschen teilen möchten«, erklärt Schwester Teresa und zeigt uns das liebevoll geführte Haus mit seiner Gästebibliothek, dem Meditationsraum, den Rückzugsräumen und dem idyllischen Gästegarten. Hier können Menschen in einer Atmosphäre der Stille und Sammlung zur Ruhe kommen, Abstand vom Alltag gewinnen sowie zu sich selbst und zu Gott finden. Dabei entscheidet jeder Gast ganz individuell, wie viel Nähe er möchte. Denn wer hierher ins Kloster kommt, hat unterschiedliche Motive. Nicht wenige kommen ohne kirchliche Bindung oder christlichen Glauben. Viele sind in einer Übergangszeit ihres Lebens – einer Sabbatzeit oder in einer Entscheidungsphase.

 

Ausdrücklich gewünscht ist aber immer die Möglichkeit zum Rückzug in sich selbst, in die Stille, ins Alleinsein oder einfach der Abstand vom üblichen Vielerlei und Stress des Lebens. Zunehmend genutzt wird das Gästehaus daher auch für Klausurtagungen und für Besprechungen von Grupen oder von Schulklassen, die einen Ort suchen, an dem weniger mehr sein kann. Das Spektrum der Gäste ist breit: Alte und junge Frauen, Männer und Kinder, Gruppen, Familien und Einzelne. In der Abtei Varensell finden sie einen offenen Raum für ihre Fragen nach Sinn und Orientierung für ihr Leben.

Auf dem Weg in die schöne Klosterkirche begegnen wir Schwester Lydia, die maßgeblich für das Gästehaus verantwortlich ist. Sie gehört seit 26 Jahren dem Orden der Benediktinerinnen in Varensell an und ist verantwortlich für rund 4 000 Buchungen oder anders ausgedrückt für 1 300 Gäste jährlich. Sie erklärt uns, dass viele hier das Angebot »Ora et labora – bete und arbeite« annehmen. Während die Schwestern ganzjährig von ihrer Hände Arbeit leben, dürfen die Gäste vier Stunden am Tag auf Wunsch im Kloster mithelfen und am klösterlichen Tagesrhythmus teilnehmen. Meist ist es die erdverbundene Gartenarbeit, die die Besucher schätzen, aber genauso das von den Benediktinerinnen begleitete, vielfältige Kursangebot. Manche entdecken neue Wege zu sich und zu Gott. Aber auch die Schwestern selbst sehen sich durch den Austausch und im Gespräch oft als Beschenkte.

Den absoluten Ort der Besinnung finden wir dann in der Abteikirche St. Marien. Einfach Platz nehmen, nachdenken und die Stille spüren. Die Sonne scheint durch das große Kirchenfenster, das Schwester Erentrud Trost in den 1950er Jahren gestaltet hat, genauso wie die schönen Fresken und Mosaike. Wir dürfen auch in den nicht öffentlich zugänglichen »Nonnenchor« und dort einige Details der bekannten Glasmalerin in Bildern festhalten. Einblicke, die uns wirklich berührt haben. Entschleunigt fahren wir also zurück in die Redaktion und haben im Kloster »Unserer Lieben Frau« in Varensell einen perfekten Ort für die nächste Auszeit vom Alltag gefunden.

Fotos: Sven Grochholski
Text: Petra Heitmann