Stefanie Vergin: Sie läuft und läuft und läuft...
Wir haben Post bekommen! Das ist nichts Neues und wirklich keine Geschichte wert. Wohl aber die Anfrage der überaus sportlichen Überbringerin. Mit Zustellkarren an der Hand und Turnschuhen an den Füßen ist sie für uns und viele andere im Gütersloher Stadtgebiet keine Unbekannte. Die Rede ist von der Gütersloherin Stefanie Vergin. Zwischen Tür und Angel erzählt sie uns, dass dieses Jahr ein besonderes für sie ist. Seit 25 Jahren ist die Langstreckenläuferin als Fußzustellerin für die deutsche Post unterwegs und sorgt tagtäglich mit guter Laune und sportlichem Enthusiasmus dafür, dass auch wirklich alle Briefe beim Empfänger ankommen. Wäre das keine Story für den Carl? Aber sicher doch!
Zum Termin kommt Stefanie im Laufshirt vom Post SV und einem dicken Ordner gefüllt mit Klarsichthüllen. Wir entdecken Urkunden vom Marathon, Hermannslauf, den Westfalen Meisterschaften und zahlreichen Volksläufen in der Region. »Das Laufen war für mich lange Zeit wie eine Sucht«, erzählt Stefanie. Wie oft sie insgesamt an den Start gegangen ist, kann uns die Gütersloherin nicht genau sagen. Auf jeden Fall liegt die Zahl ihrer Starts zwischen 1997 und 2015 im dreistelligen Bereich. Die meisten davon läuft sie für den Post Sportverein Gütersloh. Aber erstmal wollen wir mit ihr in die Vergangenheit reisen, zurück zum Anfang ihrer (Lauf-)Karriere.
Und die beginnt im schönen Rietberg. Stefanie wächst als Pflegekind mit drei Geschwistern in der Nachbargemeinde auf. Schon früh betreibt sie Leichtathletik beim TuS Viktoria. Der Sport war aber damals doch eher zweitrangig für sie. Stefanie verbringt viel Zeit im kleinen Tierheim ihres Vaters, kümmert sich neben der Schule um zwei bis drei Hunde. Besonders den Rüden Terry schließt sie richtig ins Herz. »Terry war ein wichtiger Teil meiner Kindheit«, erfahren wir von Stefanie. Nach der Schule hat sie die Möglichkeit eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau zu machen. Stefanie entscheidet sich dagegen. Eine mutige Entscheidung, aber wohl die Richtige. Kurze Zeit später entdeckt sie in der Glocke eine Stellenausschreibung der deutschen Post, bewirbt sich und wird genommen. Stefanie ist zunächst mit dem Fahrrad unterwegs, bevor sie Stammzustellerin in der Gütersloher Innenstadt wird.
Gute fünf Jahre später folgt der Startschuss für den ersten Marathon und für ihre Laufkarriere. Als Terry stirbt, bringt Halbschwester Anette sie zum Laufen. »Sie wollte mit 40 Jahren ihren ersten Marathon laufen und meldete uns zum Berlin Marathon an. Ich war damals 25 und lief die 42 Kilometer unerwartet in 3 Stunden 18 Minuten und 16 Sekunden.« Stefanie wird von ihrem Post-Vorgesetzten Horst Eppert auf ihren Erfolg angesprochen.
Schon im darauffolgendem Jahr geht sie wieder beim Berliner Marathon an den Start – dieses Mal für den Gütersloher Post SV. Bis ins Jahr 2015 tritt Stefanie jedes Wochenende bei Volkslaufwettkämpfen an und läuft nach ihren Post-Touren – ihrem täglichen Basistraining – immer wieder dem Sieg entgegen. Meist kommt sie erst auf den allerletzten Drücker zur Startlinie. Aber auch, wenn die Zeit vor dem Start knapp bemessen ist: Vor jedem Lauf gönnt sich die 150cm große Sportlerin eine Banane, denn das gibt Kraft.
Eine Veranstaltung sausen zu lassen, kommt für sie absolut nicht in Frage. Stolz zeigt uns Stefanie Fotos verschiedenster Läufe. Für ihre Erfolge beim Hermannslauf steht sie elf Mal hintereinander auf dem Treppchen – 2008 erreicht sie mit Platz 4 ihre beste Platzierung. Bei den Post SV-Läufen begleitet Stefanie Maria Unger des Öfteren ins Ziel. Nach zehn gemeinsamen Zieleinläufen wird es Zeit für ein Treffen im Rathaus, in Maria Ungers Büro. »Eine treue Begleiterin«, lobt Unger sie. »Sie passt sich dem Tempo an und sorgt während des Laufes von zehn Kilometern für die Unterhaltung und ein bisschen auch für langen Atem.«
Durch das Laufen feiert Stefanie aber nicht nur sportliche Erfolge, sondern erfüllt sich den ein oder anderen Traum. Bei den Westdeutschen Straßenlaufmeisterschaften in Salzkotten trifft sie auf Olympialäuferin Sabrina Mockenhaupt und gratuliert ihr persönlich zu ihrem Sieg. Und auch ihren Lebensgefährten Günter mit dem sie seit 2005 in zusammenlebt lernt sie auf einer Sportveranstaltung kennen. Nach überaus erfolgreichen 20 Jahren, will Stefanie heute kürzer treten. »Man hat einfach viel zu wenig Zeit für die Dinge, die man gerne machen möchte. Laufen ist eben doch nicht alles im Leben, aber ich kann behaupten, dass der Laufsport und der Post Sportverein bis 2015 in meinem Leben im Fokus gestanden haben.« All ihre Siege werden Stefanie noch lange in Erinnerung bleiben. So wie auch die Post-Lauflegende Horst Eppert. »Ihm verdanke sich einen Teil meiner Siege und Erfolge in der Leichtathletik. Und dafür möchte ich Dankeschön sagen!« Wir ziehen unseren Hut und gratulieren Stefanie zu ihren sportlichen und beruflichen Erfolgen. Und genau wie die vielen Gütersloher im Stadtgebiet freuen wir uns schon jetzt auf das nächste nette Pläuschchen mir ihr. cha