Der kalte Winter gilt bei vielen Menschen nicht gerade als Lieblingsjahreszeit: Die Tage werden kürzer und wenn wir das Haus morgens im Dunkeln verlassen, müssen wir uns mit dickem Wintermantel, Mütze und Schal gut gegen die eisige Kälte wappnen. Einzig unser glänzendes Weihnachtsfest und die Vorfreude auf einen ruhigen Jahreswechsel erleichtern es uns, die kalte Jahreszeit besser zu überstehen. Aber wie kommen die Menschen in den skandinavischen Ländern durch ihren noch längeren, kälteren und dunkleren Winter? Die Dänen wehren sich gegen die Dunkelheit mit der altbewährten Tradition der »Hygge«. Die liegt zurzeit allerdings nicht nur bei den Skandinaviern richtig im Trend. Wir verraten euch mehr über das Lebensgefühl und wie ihr es euch Zuhause so richtig schön »hyggelig« macht.

Hygge kommt aus dem Dänischen und wenn wir das Wort von Google übersetzen lassen, kommt schlicht und einfach »gemütlich« dabei heraus. Klar, auch wir machen es uns in der kalten Jahreszeit Zuhause schön gemütlich. Trotzdem: Mit unserer winterlichen Gemütlichkeit hat Hygge wohl nur die warme Stube gemein. Die Kunst der dänischen Hygge umfasst nämlich noch viel mehr. Dazu gehört auf jeden Fall eine gute Zeit mit Freuden und Familie, in der man das Schöne im Leben genießt. Ob ein Grillabend, eine Radtour oder das Konzert der Lieblingsband: Hygge zieht sich durchs ganze Jahr. Im Winter machen es sich die Menschen in den skandinavischen Ländern aber besonders »hyggelig«.

Wenn im Wohnzimmer das Kaminfeuer knistert und flackernde Kerzen den Raum in eine besonders gemütliche Atmosphäre tauchen, kommen alle Lieben zusammen und man macht es sich auf dem weichen Sofa und mit kuscheligen Decken und Fellen so richtig gemütlich. Das wohlige Ambiente gehört genauso zum Hygge-Lifestyle, wie ein lustiges Gemeinschaftsspiel, ein spannender Film oder das gemeinsame Kochen und Essen. Viele Dänen und Skandinavier schwören darauf, dass Hygge glücklich macht, weil man sich eine bewusste Auszeit aus dem stressigen Alltag nimmt. Gemeinsam Zeit verbringen macht eben einfach Spaß und sorgt auch an grauen Wintertagen für ein heimeliges Gefühl.

Wer sich etwas vom Lebensgefühl der Gemütlichkeit abschauen möchte, verwandelt die Wohnung am besten mit Lichterketten, Kerzen und Decken in ein typisch skandinavisches Wohnzimmer und lädt alle seine Lieben ein. Für das richtige Hygge-Gefühl darf dann natürlich leckeres nordisches Soulfood nicht fehlen. Wir haben ein paar Köstlichkeiten der skandinavischen Küche für euch herausgesucht, die sich prima gemeinsam mit den Liebsten zubereiten lassen, und sind dem Lebensgefühl auch in unserer Region auf die Spur gekommen.

Die Volkshochschule Gütersloh gilt in Sachen Skandinavien als echter Hot Spot in Ostwestfalen. In zahlreichen Kursen werden hier gleich alle drei skandinavischen Sprachen unterrichtet – Dänisch, Norwegisch und Schwedisch.

 

Die Kursteilnehmer sind dabei aus ganz unterschiedlichen Motivationen dabei: Von der Liebe zu Ländern und Leuten über Auswanderungspläne bis hin zu denen, deren Kinder ausgewandert sind und darüber hinaus eine sprachliche Barriere zu den Enkelkindern besteht. Sie alle treffen sich an der VHS und tauschen sich ganz nebenbei über Urlaube und Erfahrungen aus. Ein großes Thema auch hier: »Hygge«. Viele haben sich das Lebensgefühl mit nach Ostwestfalen gebracht und leben den skandinavischen Traum auch hier. Vor allem in der Vorweihnachtszeit und zum Midsommar-Fest rückt dann die gemütliche Zeit mit Familie und Freunden ganz bewusst in den Vordergrund.

Das mag auch der Grund sein, dass der VHS-Kurs »Skandinavisches Weihnachtsbuffet« seit mittlerweile zehn Jahren ein echter Dauerbrenner ist. Die beiden Kursleiter Frank Scholz und Ralf Schwienheer kochen hier mehrmals in der Adventszeit traditionelle weihnachtliche Spezialitäten aus Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen. Zu dem gemütlichen Abend gehört auch das Hineinschnuppern in die Weihnachtsbräuche Skandinaviens und die Antwort auf die Frage, welchen Nachtisch 86,6 Prozent aller Dänen am Heiligen Abend essen. Ein paar Lieblingsgerichte zum Nachkochen haben wir hier natürlich gleich mitgenommen.

Über 100 Kurse mit mehr als 1000 Teilnehmern haben Frank Scholz und Ralf Schwienheer bereits in Gütersloh gegeben. Viele der begeisterten Hobbyköche kommen direkt aus den Sprachkursen von Frank Scholz, andere über das Interesse an der besonderen Küche Skandinaviens – und viele kommen vor lauter Begeisterung über das locker gestaltete Kochevent Jahr für Jahr wieder und genießen gemeinsam mit den anderen Teilnehmern ein gutes Stück »Hygge« bei Kerzenschein an der festlichen Tafel, ergänzt mit warmen und kalten Getränken.

So war es auch bei unserem Besuch in der »Villa« der Volkshochschule Gütersloh, in der die geräumige Lehrküche untergebracht ist. Glühwein und weicher Lebkuchen mit Cranberries zur Begrüßung und zum lockeren Kennenlernen. Einmal warm geworden, war es dann an jedem Einzelnen, eines der vorbereiteten, landestypischen Gerichte zuzubereiten. Petersilienwurzelsuppe mit Räucherforellen-Crostini für einen ersten Zwischengang, vegetarische Minijanssons, Dinkelbrötchen und Gemüsechips, Weihnachtsschinken, in Apfelsaft glasierte Kartoffeln und einiges mehr zur gemütlichen Weihnachtstafel. Für den perfekten Abschluss des Abends sorgten dann unter anderem ein Aquavit-Sorbet und der sagenumwobene »Riz á l’amande« – jener Nachtisch, der fast 90 Prozent der Dänen das Fest versüßt.

Spätestens jetzt hat Carl sich in »Hygge« verliebt und versucht nun ab sofort dem skandinavischen Lebensgefühl einen besonderen Platz in seinem Leben einzurichten.

Text: Charline Belke, Ben Hensdiek
Fotos: fotolia