Wir schreiben das Jahr 1832, als der Gütersloher Volksschullehrer und Organist Friedrich Hermann Eickhofff f seinen Text des Schriftstellers Christoph von Schmid mit einer Melodie von Johann Abraham Peter Schulz zusammenbringt und in seiner Sammlung »Sechzig deutsche Lieder für dreißig Pfennig« veröfffentlicht.Das Heftchen ist einer der ersten Bestseller im Verlag C. Bertelsmann, der »Mashup-Song« namens »Ihr Kinderlein kommet« bis heute eines der bekanntesten deutschsprachigen Weihnachtslieder. Doch seitdem ist es etwas ruhiger geworden um die Gütersloher Songwriter-Szene – so dass die Stadt musikalisch durchaus auf Hilfe »von außen« angewiesen war und ist. Bekanntestes Ergebnis: »Der letzte Cowboy« von Thommie Bayer. In Augsburg haben wir nun ein ganz neues Werk gefunden – mit dem schlichten Namen »Gütersloh«.

Erschienen ist der Song im November 2016 bei »Tapete Records« auf dem Album »Friedrich Sunlight« der gleichnamigen Augsburger Band, die es in der aktuellen Besetzung seit etwa zwei Jahren gibt. Die fünfköpfige Popband versteht ihre Musik nach eigenen Aussagen als Gegenentwurf zur lyriklastigen deutschen »Diskurspop-Szene«. »Wir binden unsere Texte in Melodien ein, anstatt Gedichte zu vertonen«, heißt es dazu in der Pressemeldung aus Augsburg. Die größtenteils live eingespielte neueste Platte bietet dementsprechend ohrwurmtaugliche Melodien, die auf vielschichtige Harmoniegesänge treffen.

Bei der Fachpresse kommt die Musik der Band um Sänger Kenji aus Kalifornien gut an. »Das Quintett erobert sich mit seinem Lobgesang auf die Leichtigkeit des Seins eine wohlig-warme Nische im eher verkopften Deutschpop und präsentiert einen Gegenentwurf zu jeder Form düsterer Lyrik«, schreibt die Wiener Zeitung. Die TV Spielfilm feiert: »Das beste deutsche Popalbum des Jahres (2016) kommt aus Augburg«.

 

Die Vorbilder sind dabei klar erkennbar: »die Beach Boys, Harper’s Bizarre und der göttliche Burt Bacharach« möchte ein Redakteur der Passauer Neuen Presse herausgehört haben. Und dann ist da Song fünf der Platte. Warum der sich ausgerechnet mit Gütersloh beschäftigt, hat uns die Band exklusiv verraten: »Gütersloh steht für uns für einen Ort, den man zwar – wie auch unsere Heimatstadt Augsburg – namentlich kennt, der aber nicht unbedingt Sehnsuchtsziel ist, wie für viele Menschen beispielsweise Hamburg oder Berlin«, schreiben die Musiker. Insofern hätte es natürlich viele Städte in Deutschland gegeben, die in Frage gekommen wären. »Aber keine reimt sich so perfekt auf anderswo und oder so. Außerdem wurde Texter Bernd vom berühmten Countrysong inspiriert, durch den Gütersloh in der deutschen Musiklandschaft eine gewisse Referenz darstellt.«

Inhaltlich geht es »im Text nicht so sehr um den Menschen, der vielleicht in Gütersloh oder eben anderswo lebt, sondern um den, der dort geblieben ist, wo er immer war. Und der es dort nun, weil er älter geworden ist, nicht mehr so toll findet und sich mit dem Gedanken tröstet, dass der andere, den er immer als Vorbild sah, auch nicht das große Los gezogen hat.« Es geht also nicht darum, sich über die Stadt lustig zu machen, sondern über diesen »Typus Mensch«, fassen Friedrich Sunlight zusammen. Verpackt ist das in einem kurzweiligen und mitunter verspielten Song, der als kleine Hommage an die Dalkestadt gerade im lokalen Umfeld viel Aufmerksamkeit verdient hat. Und wer weiß, wie weit es die durchaus ernst zu nehmenden Augsburger Musiker noch schaffen.

Klar ist bereits, dass ihre Tour zum aktuellen Album auch nach Gütersloh führen wird. Am 23. April treten »Friedrich Sunlight« in der Weberei auf.

Foto: Judith Jakob
Text: Ben Hensdiek