Die Einladung zum Hausbesuch wurde für diese Ausgabe persönlich in der Redaktion ausgesprochen: Ganz spontan stand der Gütersloher Walter Venne vor der Tür und drückte uns ein paar Artikel aus Fachzeitschriften in die Hand. Darunter ein aktuelles Interview aus der »Bonsai Art« Nummer 144, einem Magazin für Liebhaber und Kenner zum Thema Bonsai. Viele Worte brauchte es da nicht mehr bis zum Entschluss, einen Gegenbesuch zu starten – schließlich wollten wir mit eigenen Augen sehen, woher die Produkte kommen, die aus der kleinen Werkstatt in Gütersloh heraus ganz Europa, die USA und hin und wieder auch Japan erobern.

Über 40 Jahre ist es bereits her, dass Walter Venne zu seiner heutigen Passion gekommen ist. Und mit der hat er sich einen guten Namen in der Szene der Bonsai-Freunde gemacht. Dabei glänzt er nicht in erster Linie mit der auch in Ostwestfalen beliebten Zucht der Miniaturgewächse, sondern mit dem, worin die Pflanzen wachsen und ausgestellt werden. Sein Spezialgebiet: Pflanzgefäße in Form von keramischen Töpfen und Schalen. Sie haben ihn aus dem eigenen Bedarf heraus zum Töpfer gemacht und zugleich zum Schöpfer einzigartiger Symbiosen aus Natürlichkeit und Formenvielfalt.

Wir machen uns also auf den Weg zur Siedlungsstraße in Gütersloh. Schon von außen sticht das Haus des Künstlers hervor: Verspielte Applikationen um die Fenster, bunte Hausnummern und getöpferte Tiere auf dem Dach zeigen, dass hier kreativ gearbeitet wird. Walter Venne hat sich das Siedlungshaus über die Jahre so hergerichtet, wie er es für sein zwischenzeitlich ziemlich ausgewachsenes Hobby braucht.

Begrüßt werden wir vom sympathischen Haushund Karl, mit dem wir uns natürlich sofort gut verstehen. Er scheint Termine dieser Art zu kennen und verhält sich während des Gespräches zurückhaltend ruhig. So geht es bei einem Kaffee schnell an die Geschichte, die wir von Walter Venne hören möchten – und die beginnt wie die Geschichte eines jeden Bonsai mit einem kleinen, unscheinbaren Keim und war Liebe auf den ersten Blick.

Vor rund 40 Jahren stößt der Schlosser erstmals auf die kleinen »Bäume im Topf« und ist direkt fasziniert. Er informiert sich, erkundet und entdeckt ein neues Hobby für sich. Absolute Hochburg ist zu der Zeit das Bonsai-Centrum Heidelberg – allerdings konzentrierte man sich in der Regel auf die Zucht der zierlichen Bäumchen und versuchte, die Töpfe als nötigen Rahmen möglichst unauffällig in den Hintergrund rücken zu lassen. Töpfe und Schalen zu finden, die dem Baum stattdessen noch mehr Individualität und Glanz verleihen, fiel hingegen schwer. So entwickelte Walter Venne neben dem Wissen über die Zucht und den Schnitt der Bonsais ein großen Wissen im Bereich des Töpferns. Zunächst waren es einzelne Stücke für die eigenen Bäumchen, die in der kleinen heimischen Werkstatt entstanden. Als Autodidakt lernte der Gütersloher über das Ausprobieren – und viel Bruch. Denn damit die Spezialschalen allen Anforderungen gerecht werden und absolut wasser- und frostfest sind, werden sie bei 1200 Grad extrem heiß gebrannt. Das Material verschmilzt zu einem glasähnlichen Zustand und ist erst dann perfekt für die Bepflanzung geeignet. Dass der Brennprozess sich als Fluch und Segen gleichermaßen erweist, zeigt sich an der großen »Sammlung« gesprungener Schalen und Töpfe, die Venne im Garten künstlerisch als Trockenmauern oder Beetbegrenzungen in Szene gesetzt hat. »Das gehört auch heute dazu, ist aber durch viele selbst erarbeitete Techniken deutlich weniger geworden«, weiß er zu berichten. Es braucht wohl eine große Portion Gelassenheit, um den Verlust aufwändig erstellter Verzierungen im letzten Arbeitsschritt zu verschmerzen und von Neuem beginnen zu müssen.

 

Mehr als entschädigt wird Walter Venne aber beim Anblick der gelungenen Schalen und Töpfe, die er in seiner kleinen Ausstellung oberhalb der Töpferwerkstatt, aber auch liebevoll bepflanzt im Garten platziert hat. Jedes Stück ist ein echtes Unikat und trägt die Handgravur »WV« im Boden. In Kennerkreisen weiß man diese Markierung mittlerweile sehr zu schätzen. Nach einer allerersten Präsentation der frühen Werke auf einer Ausstellung des Bonsaiclub Deutschland in Bad Pyrmont hat sich der Gütersloher mit viel Fleiß und ungezählten Stunden als Aussteller auf den wichtigsten Fachmessen einen Namen erarbeitet. Mittlerweile kommen die Kunden aus ganz Deutschland nach Gütersloh, um sich einen ganz individuellen Topf auszusuchen oder eigens anfertigen zu lassen – wie einen Maßanzug für Bonsai und Züchter. Dabei darf es – anders als vor 40 Jahren – auch mal richtig bunt werden. Hauptsache es passt alles zusammen.

Bei allen Erfolgen ist die Töpferei immer ein Hobby geblieben. Mittlerweile genießt Walter Venne seinen Ruhestand und hat auch die Produktion der Töpfe etwas zurückgefahren. Aufhören möchte er allerdings nicht, denn die Nachfrage ist nach wie vor sehr groß. Als wichtigen Kommunikationskanal nutzt er hierbei Facebook, wo immer wieder neue Kreationen zu entdecken sind. Ist der Zuspruch auf eine neue Form oder eine Optik gut, verfeinert er seine Ideen und bringt sie weiterhin zu Ausstellungen mit.

Da die Bonsai-Szene eine internationale ist, machen natürlich auch die Töpfe aus Gütersloh nicht an nationalen Grenzen Halt. Bestellungen kommen aus ganz Europa und immer wieder auch aus den USA. Dann geht es meist um individuelle Anfertigungen, die für einen speziellen Baum hergestellt werden. Dabei kann es von der Kontaktaufnahme bis zum Versand in alle Welt durchaus dauern: Alle Parameter wie Größe, Form und Farblichkeit sowie alle erdenklichen Sonderwünsche der Kunden werden im Vorfeld und in vielen Zwischenschritten ausgetauscht. Am Ende haben die Kunden dann, was sie haben möchten: Pure Individualität in handgearbeiteter Keramik.

Da wundert es auch nicht, dass auch der deutsche »Bonsai-Papst« Walter Pall ein treuer Kunde von Walter Venne ist. Immer wieder präsentiert er unglaublich feine Bäumchen und Arrangements in den Schalen aus Gütersloh. Bilder davon gibt es in weltweiten Fachmagazinen zu bewundern, die Originale sind auf den bedeutendsten Bonsai-Messen zu finden. Eine Bestätigung, die bei all der Arbeit in der Kellerwerkstatt wahre Motivationsschübe auslöst.

Ohnehin ist schwer zu glauben, wie der Künstler und Handwerker all seine Tätigkeiten unter einen Hut bekommt und umsetzt. Das Hobby scheint hier ein ganzes Leben zu füllen, denn auch der mit japanischen Elementen angelegte und gepflegte Garten glänzt mit vielfältigen selbst gestalteten Kunst-Elementen. Und die sind viel mehr als Töpfe und Schalen: Am großen Teich schauen selbst getöpferte Wasserspeier aus der Mauer, auf der anderen Seite sitzt ein kleiner Drache in der Sonne. »Im Sommer lasse ich das Töpfern sein und kümmere mich um den Garten«, erklärt Venne und blickt sich stolz um.

Jetzt im Herbst allerdings geht es für den Gütersloher wieder vermehrt in die Werkstatt, um die kommenden Ausstellungen vorzubereiten. »Die Regale müssen ja voll sein«, schmunzelt Walter Venne. Bei dem Elan, den er an den Tag legt, glauben wir fest daran, dass dies auch der Fall sein wird.

Fotos: Walter Pall, Ben Hensdiek
Text: Ben Hensdiek