Der Kreis und die Stadt Gütersloh haben eine Menge spannender Persönlichkeiten zu bieten – aber nur manche von ihnen stehen tatsächlich auch deutlich wahrnehmbar im Fokus der Öf fentlichkeit. Ein besonderer Reiz liegt also darin, genau die Menschen zu finden, die etwas zu erzählen haben. Menschen zum Beispiel, die in bestimmten Kreisen national oder international angesehen sind und die man beim zweiten Hinhören vielleicht doch mit irgendetwas verbinden kann. So zumindest ist es uns mit Uwe Rosenberg ergangen. Der Wahl-Gütersloher ist Spiele-Erfinder und in seinem Fach bis tief in die USA eine echte Koryphäe. Bei einer stichprobenartigen Befragung von Passanten am Berliner Platz allerdings haben wir niemanden gefunden, der den Namen Rosenberg direkt mit Gütersloh in Verbindung bringen konnte – bis wir ergänzend das Kartenspiel »Bohnanza« erwähnt haben. Es ist mit rund einer Million verkaufter Exemplare bis heute das meistverkaufte Spiel aus seiner Entwickler-Stube. Zählt man die zahlreichen Erweiterungen und Sonder-Editionen hinzu, hat sich der Klassiker im Spieleschrank bis heute rund drei Millionen Mal verkauft. Eine stolze Nummer auf dem Markt der Gesellschaftsspiele und ein guter Grund für einen Besuch. Denn Carl hat interessiert wie man das wird – ein Spiele-Erfinder.

Die Antwort auf die Frage, wie Uwe Rosenberg zum Spiele-Erfinder wurde, ist denkbar einfach: Mit vier Jahren beginnt er Schach zu spielen, bereits mit acht Jahren Skat. Im Alter von neun Jahren trifft er sich regelmäßig mit zwei Jungs, um genau diesen beiden Spielen intensiv nachzugehen. Aus purer Spiel-Begeisterung erfindet einer der Drei für seine Mutter ein Spiel und schenkt es ihr zum Muttertag – eine kleine Initialzündung für Rosenberg. In der Jugend erfindet er meist auf bestehenden Spielideen beruhend neue Mechanismen und kombiniert sie zu neuen Spielen. Im Studium schließlich lernt er einen Verleger kennen, der ihm die Branche erklärt und mit dem er fachsimpeln kann. Seitdem weiß er sehr genau, was ein gutes Spiel mitbringen muss, um ein Erfolg zu werden. Allein der Weg dorthin ist ein langer und mitunter steiniger.

Während des Studiums erfindet Uwe Rosenberg innerhalb von nur dreieinhalb Jahren über 300 Kartenspiele. 50 davon hätten aus seiner heutigen Sicht veröffentlicht werden können. Entsprechend beflügelt fasste der Diplom-Statistiker den Entschluss, sich nach dem Studium drei Jahre lang Zeit zu nehmen, um ausschließlich Spiele zu entwickeln. Im Erfolgsfall sollte es auch danach weitergehen, andernfalls wollte er das Experiment beenden.

Auf dem Papier betrachtet hätte er nach Ablauf der Zeit den zweiten Weg einschlagen müssen. Allerdings war die Leidenschaft zum Spiel noch einmal deutlich gestiegen und die Bereitschaft, sich mit wenig Einkommen durchzuschlagen, sehr hoch. Denn anders, als zum Beispiel in der Computerspiele-Branche, gibt es weder Ausbildungszweige noch feste Jobs, die sich mit der Entwicklung von Gesellschaftsspielen beschäftigen. Alle, die das heute tun und damit ihr Geld verdienen, sind aus Spielbegeisterung über unterschiedlichste Umwege dorthin gekommen. »Die Branche, in der ich arbeite, gibt es gar nicht«, erzählt Uwe Rosenberg im Gespräch am heimischen Küchentisch. Ganz anders als die digitale Szene, die weltweit einen riesigen Markt besetzt, kocht man in der analogen Spielewelt auf ganz kleiner Flamme. Umso mehr darf man sich freuen, wenn dann doch einmal ein großer Wurf gelingt.

Und genau den hat Rosenberg im Jahr 1995 mit der Erfindung von »Bohnanza« eingeleitet. Bei dem beliebten Kartenspiel, das zwei Jahre später erschienen ist, geht es darum, clever mit verschiedenen Bohnensorten zu handeln, diese auf seinen Feldern anzubauen und die Ernte möglichst profitabel zu verkaufen.

 

Verhandlungsgeschick und ein wachsames Auge auf die Bohnenfelder der Mitspieler garantieren den höchsten Profit. Ein kommunikativer Mechanismus, der in kürzester Zeit nicht nur in Deutschland viele Freunden gefunden hat und heute schon zu den »Klassikern« auf dem Markt gehört. Und doch hat Uwe Rosenberg zwischenzeitlich einen ganz anderen Weg eingeschlagen und seine Vorliebe für komplexe Spiele in den Vordergrund der Erfindungen gestellt. Spiele, die man meist erst ab der zehnten Partie in ihrer Tiefe versteht.

Den persönlich empfundenen »Durchbruch« sieht er somit beim 2007 erschienenen »Agricola«, das 2008 den Sonderpreis Komplexes Spiel der Jury »Spiel des Jahres« erhielt. Es gilt als eines der besten Worker Placement-Spiele, bei denen Arbeiter und andere Figuren auf den Feldern für Einnahmen sorgen. Dadurch, dass die meisten Regeln direkt auf den Karten und Feldern zu finden sind, können sehr komplexe, nahezu epische Geschichten erzählt und durchgespielt werden, ohne den Spieler zu überfordern.

So ist es kein Wunder, dass allein die Entwicklung der Karten für Agricola fast zwei Jahre gebraucht hat. Entsprechend oft hat Uwe Rosenberg das Strategiespiel auch – zunächst alleine und später in Testgruppen – gespielt. Der Erfolg und die Beliebtheit von »Agricola« in der Szene sind der Lohn der Mühen. Die Verkaufszahlen von über 50 000 Stück der deutschen Auflage und mehr als 250 000 verkauften Exemplaren in englischer Sprache zeigen, dass das Spiel auch rund um den Globus gerne gespielt wird.

Ein gutes Gefühl haben darf Uwe Rosenberg auch bei seinen neuesten Veröffentlichungen. Das Spiel »Fest für Odin«, das sich intensiv – auch geschichtlich – mit der Wikinger-Zeit beschäftigt, ist in der Beliebtheitsskala der Szene rasant nach oben gestürmt. Es ist das bislang wohl komplexeste und intensivste Spiel des Güterslohers, für dessen Entwicklung er sich sehr viel Zeit genommen hat. Entstanden ist durch das sehr vielfältige, liebevoll gefertigte Material ein drei Kilo-Epos, der seinesgleichen sucht.

Verglichen mit der Komplexität, die der Erfinder in den meisten Fällen an den Tag legt, ist die zweite vielversprechende Neuveröffentlichung »Cottage Garden« eine echte Überraschung. Ein buntes Blumenmeer, eingerahmt von Mauern, Pfaden und Hecken, stellt die ambitionierten »GärtnerInnen« vor die Herausforderung, die Beete ihres Gartens bis ins letzte Eck mit Pflanzen zu füllen und sich vom begrenzten Platzangebot zu immer neuen Kompositionen inspirieren zu lassen.

Dabei kann neben den unterschiedlichsten Gewächsen auch auf Blumentöpfe und Pflanzglocken zurückgegriffen werden, bis die Vielfalt überall blüht. Klingt kitschig? Ist es auch ein wenig. Die Zielgruppe ist hier, auch aufgrund der wunderbaren Illustrationen, vor allem das weibliche Publikum. Dabei überzeugt das kurzweilige Spiel durch seinen ausgeklügelten Puzzle-Mechanismus, der ein wenig an »Tetris« erinnert.

Kaum auf dem Markt, hat es »Cottage Garden« auf Spiegel Online in eine Top-10-Empfehlungsliste für die Weihnachtszeit geschafft – und wurde dort nicht ohne Grund zum würdigen Aspiranten auf den Titel »Spiel des Jahres 2017« erklärt. Erfreulich auch, weil das Spiel die Erstveröffentlichung des neuen Verlages »Edition Spielwiese« ist, an dem auch Uwe Rosenberg beteiligt ist.

Ob mit oder ohne weiterem »Spiel des Jahres«-Titel ist Uwe Rosenberg eine echte Gütersloher Persönlichkeit. Wir freuen uns, dass wir ihn kennenlernen durften und haben ihn im Anschluss zum Gütersloher Spieletreff ins Spexarder Bauernhaus begleitet. Den Bericht hierzu gibt es auf den folgenden zwei Seiten!

Fotos: Matthias Kirchhoff
Text: Ben Hensdiek