Aufgeweckt, engagiert, etwas flippig und unglaublich sympathisch – so kennt man Kult-Friseurin Sarah Bokermann von Bildern, Veranstaltungen oder persönlichen Begegnungen. Da passt das Foto der bunten Truppe des Hannoveraner GOP bei einem Schützenfestumzug perfekt ins Bild. Und doch gibt es vieles mehr, was die Unternehmerin zu erzählen hat. Und so hat unser Besuch in ihrem Salon Haartolle am Nordring auch einen nachdenklichen und ernsteren, wenn auch gutgelaunten Anklang. Vor allem dann, wenn es um die Berufswahl geht, um erste Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt und um den Weg in die Selbständigkeit, der Anfang 2007 mit dem Meistervorbereitungskurs in Oldenburg begann und Sarah letztlich dorthin gebracht hat, wo sie heute steht.

Die Wiege der Kreativität, die Sarah Bokermann heute im Beruf wie auch in ihrer Freizeit so vielfältig einsetzt, war mutmaßlich die Laborschule in Bielefeld. Mit dem passenden Freiraum entwickelte sie ihre künstlerischen Fähigkeiten und den Wunsch, direkt im Anschluss die Fachhochschulreife in Gestaltung abzulegen. Mit Erfolg – allerdings ohne direkte Konsequenzen für die Berufswahl. Die ging erstmal in eine ganz andere Richtung.

Vom Eindruck von gleich fünf Babysitter-Jobs geprägt entdeckt sie ihre soziale Ader. Neben pflegerischen Qualitäten möchte sie Verantwortung für Menschen übernehmen und beginnt ihre erste Ausbildung zur examinierten Krankenschwester. Eine Zeit, in der sie im Job aufgeht, die Arbeit mit Menschen lebt und liebt – und gleichzeitig die Zweifel am immer strukturierteren und kurz getakteten Pflegesystem stärker werden. So steht schon mit dem bestandenen Examen im April 2002 fest, dass sie der Weg schon wenige Monate später in die Ausbildung zur Friseurin führen wird.

Als unentschlossen und sprunghaft beschreibt sie sich beim Rückblick auf diese Zeit – uns kommt das nahezu konträr zu dem vor, wie wir Sarah kennen. Denn seit einigen Jahren sorgt sie mit ihrem Rockabilly-Salon in Gütersloh und der ganzen Region immer wieder für Furore. Mit ihrer wunderbaren Lesereihe »Waschen, Schneiden, Lesen« ist sie seit 2011 fest etablierter Kulturstandort mit einem treuen Stammpublikum, auch den Gütersloher Tweed Run hat sie mit ihren Frisuren maßgeblich mitgeprägt.

Sie unterstützt seit Jahren den Poetry Slam »Slam GT« im Kesselhaus der Weberei, sorgt im Rahmen des Showfrisierens beim GOP Rockabilly-Varieté für authentische Looks und bietet einer ganzen Szene einen beliebten Anlaufpunkt in Gütersloh. Das Handwerk und den Bezug zur Rockabilly-Szene hat sie im Ausbildungsbetrieb kennengelernt, wo sie auch die Pomade als fast vergessenes Arbeitsmittel liebgewonnen hat. Die Arbeit in festen Strukturen folgte erst beim ersten Arbeitgeber nach dem Abschluss, einer großen Friseur-Kette mit eingeschliffenen Hierarchien.

 

Eine harte und im Endeffekt sicher wertvolle Schule, die Sarah allerdings fast ein weiteres Mal den Traumberuf vermiest hätte. So gab es nur drei Möglichkeiten: weiter so im »Normalbetrieb«, komplett hinschmeißen oder aber der Schritt in die Selbständigkeit.

Letzterer kam bis zur Anmeldung an der Meisterschule in Oldenburg allein schon aus einem großen Sicherheitsbedürfnis heraus nicht infrage. Doch dann sollte sich einiges ändern: In der Meisterschule kommt völlig unverhofft der Spaß an der Arbeit zurück, das Ego der jungen werdenden Meisterin wächst mit jedem Tag auf ein sehr gesundes Maß an – und das zieht sich durch alle Lebenslagen.

Schon während des dreieinhalbmonatigen Crashcurses in allen unternehmerischen und fachlichen Belangen wächst der Wunsch nach einem eigenen Salon, der nach allen zu überwindenden Hürden am 7. Oktober 2007 eröffnet wird. Seitdem scheinen alle Zweifel verflogen und Sarah Bokermann ist die, die wir heute kennen: aufgeweckt, engagiert, etwas flippig und unglaublich sympathisch. Ein gewachsener Charakter, der den eigenen Mut auch gerne an andere weitergibt.

Sie ermuntert Tag für Tag zu einer positiven Einstellung und steckt viel Energie in ihre kulturellen und auch beruflichen Projekte. Schon früh hat sie ihre Berufe als Friseurin und gelernte Krankenschwester zusammengebracht, regelmäßig Bewohnern der Demenzwohngruppe des Verein Daheim e.V. oder der Wohngruppe des Wertkreises die Haare geschnitten. Auch Aktionen mit dem Bauteil5 und mehrere Videoproduktionen standen bereits auf dem Programm, darüber hinaus zahlreiche selbst organisierte Swing-Partys in der Weberei Gütersloh.

Nah am Menschen zu sein ist ihr nach wie vor wichtig. Das hat sich in besonderer Weise im Projekt »Feel Like A Rockstar« der Kinderschlaganfallhilfe gezeigt. In dem intensiven Wochenend-Workshop in Bremen konnte sie gemeinsam mit vielen anderen Beteiligten mit Kindern arbeiten, die einen Schlaganfall erlitten haben. Sie durften sich mit passenden Frisuren, geschminkt und an den Instrumenten einmal wie ein Rockstar fühlen und auf diesem Wege Kraft und Selbstvertrauen tanken – eine echte Herzensangelegenheit für Sarah, die sie jederzeit gerne wiederholen würde.

Mit ihrer Art ist sie unter anderem im Rahmen von Existenzgründertagen des Kreises ein echtes Vorbild für angehende Selbständige. Und eine echte Bereicherung für die Unternehmens- und Kulturszene unserer Stadt Gütersloh!

Fotos: Sarah Bokermann
Text: Ben Hensdiek