Während Anfang März bisweilen noch zweistellige Minusgrade herrschen, lässt uns die Sonne bereits vom bevorstehenden Frühling träumen. Untrügliche Zeichen für die wärmende Jahreszeit sind seit jeher die ersten Blumen. Und weil wir diese in der Natur einfach nicht finden können, machen wir uns auf den Weg zu einem ganz besonderen Ort am Rande von Schloss Holte-Stukenbrock. Vorbei an eisbedeckten weiten Feldern, biegen wir von der Hauptstraße in einen schmalen Weg ab. Vereinzelt sehen wir hier und da einen Hof inmitten der winterlichen Landschaft. Ganz am Ende sind wir endlich am Ziel. Als wir die Tür zu einer großen Gewächshausanlage öf fnen, stehen wir mitten im Orchideenzuchtbetrieb von Lutz Röllke und seiner Familie.

Die Ausstellung mit ihren farbenprächtigen Orchideen ist das Herzstück der vier Gewächshäuser. Welche Schönheit sich hinter diesen exotischen Pflanzen entfaltet, begreifen wir auf den ersten Blick. Denn Orchideen sind so vielfältig wie ihre Blütenpracht selbst. Variationen gibt es in Uni, mit Streifen oder Punkten von Weiß über Gelb und von hellem Rosa bis hin zu dunklem Violett. Kein Wunder, dass oftmals die Orchidee und nicht die Rose von vielen Blumenliebhabern als heimliche Königin gehandelt wird.

Unser Besuch bei Lutz Röllke ist weit mehr als nur die Bewunderung dieser bezaubernden Pflanzenwelt. Der Orchideenexperte gewährt uns Einblicke in die Biologie, die Aufzucht und das Aussehen dieser Exoten. 1980 in Bielefeld gegründet und 1993 als Zuchtbetrieb in Stukenbrock vergrößert, sind die Orchideen der Brüder Frank und Lutz Röllke heute weltweit gefragt. Frank Röllke ist im Labor für die vielfältigen Züchtungen verantwortlich, während sich Lutz Röllke um den Online-Handel und den Vertrieb vor Ort kümmert. Der gelernte Gärtner hat sein jahrzehntelanges Expertenwissen auch in international gefragten Fachbüchern zusammengefasst. So ist »Das praktische Orchideen-Buch« oder der »Kleine Orchideen-Atlas« von Südamerika bis Japan und von Russland über Polen bis in Italien bekannt.

Etwa 9 000 verschiedene Arten gibt es in den Gewächshäusern der Röllkes. Alle Pflanzen werden im eigenen Labor gezüchtet und über Jahre »aufgezogen«. Manche von ihnen benötigen sechs bis zehn Jahre bis sie die ersten Blüten tragen.

 

Jetzt verstehen wir auch, was es mit den vielen hundert Töpfen auf sich hat, die von den Decken der Gewächshäuser hängen oder auf den meterlangen Pflanzenständern auf ihren Versand warten. Aufwändig in Watte und Spezialkartons verpackt, werden die blühenden Exemplare in mehr als 100 Länder exportiert: egal, ob es sich um die wohl bekannteste Phalaenopsis Orchidee oder Doritaenopsis Hybriden, afrikanische Exoten oder mehrjährige Jungpflanzen handelt. Durch das außergewöhnliche Angebot künstlich vermehrter, seltener Orchideen-Arten und die Schaffung neuer Hybriden in beeindruckenden Farben, hat sich der Orchideenbetrieb über die Jahre einen weltweiten Namen gemacht.

Obwohl Orchideen schon seit Jahrhunderten bekannt sind, konnten die Grundlagen für die moderne Orchideenzucht erst im 19. Jahrhundert gelegt werden. Denn man braucht ein steriles Labor, um die Exoten gezielt zu vermehren. Orchideen-Samen gedeihen nur unter bestimmten Bedingungen, weil die mikroskopisch kleinen Samenkörner in den Kapseln der Pflanzen keine eigenen Nährstoffe besitzen. Erst ein spezieller Pilz versorgt die Körner mit Nahrung zum Wachsen. Und so blüht die Pflanze frühestens nach mehreren Jahren und nach häufigem Umtopfen.

Es ist ein kompliziertes Zusammenspiel der Natur, das hier im sterilen Labor für die Vermehrung und Kreuzung verschiedener Orchideenarten sorgt. Natürlich erhalten wir aus diesem Grund auch keinen Zutritt. Dafür gewährt uns Lutz Röllke einen Blick in den klimatisierten Sterilraum. Hier werden die angezüchteten Pflänzchen in einem Substrat vorkultiviert. So ist schließlich die Idee für ein eigens entwickeltes Produkt entstanden: das sogenannte Orchi-Pack. Dabei handelt es sich um eine zweijährige Pflanze, die man steril verschweißt im Online-Shop bestellen kann. Denn erstaunlich viele Orchideen-Liebhaber haben Freude an der eigenen Aufzucht der kleinen Sprösslinge. Und auch wir bekommen nach einem ausgiebigen Rundgang in den weitläufigen Gewächshäusern eine winzige Orchidee zum Abschied. Mit ein bisschen Pflege soll sie schon bald die ersten Blüten tragen. Ein kleiner Vorgeschmack auf den bevorstehenden Frühling? Wer weiß. In jedem Fall haben wir eine schöne Erinnerung an einen bemerkenswerten Vormittag!

Text: Petra Heitmann
Bilder: Marco Polanski