Wenn eine neue Ausgabe des Carls entsteht, ist »zu Besuch« definitiv einer unserer Lieblingstermine. Denn es geht um Menschen, ihr Leben und Geschichten, die das Leben schreibt. Nachdem uns unser Weg dafür dreimal nach Marienfeld geführt hat, ist es jetzt mehr als an der Zeit wieder einem waschechten Harsewinkeler einen Besuch abzustatten. Einem Harsewinkeler, der schon die vergangene Ausgabe mit schönen Bildern seiner Gastwirtschaft »Zum Emstal« bereicherte. Ein Ort, der auch heute noch immer das ist, was er einst war: Elternhaus, Traditionskneipe und Lebensmittelpunkt. Wir haben nochmal genauer nachgehakt und wollen mehr erfahren – über das Fleckchen Erde, an dem sich so viel verändert hat. Und so führt uns unser Weg ein zweites Mal an den Rand der Boomberge. Im Biergarten, direkt vor der Kneipe erzählt uns Edge einen Schwank aus Kindheit und Jugend – und wie eins zum anderen kam.

Deswegen fangen wir bei unserem heutigen Besuch nicht beim Hier und Jetzt an, sondern reisen erstmal soweit in die Vergangenheit zurück, wie es uns möglich ist. Zunächst geht es in die 70er Jahre. Das Jahrzehnt, in dem Edgar Heitmann 1972 als jüngstes von fünf Kindern das Licht der Welt erblickte und die Kardinal-von-Galen-Schule besuchte. Eine Zeit, in der das Leben auf dem Hof nicht nur von Gastwirtschaft, sondern auch von Landwirtschaft dominiert wurde: Da stand für jedes Familienmitglied, vor allem nach dem Tod seiner Mutter, »anpacken« auf dem Tagesplan. »Bei uns hatte jeder seine festen Aufgaben«, erinnert sich Edgar zurück. »Ich musste den Hof fegen, die Hühner füttern und war dabei, wenn Runkeln und Möhren fürs Vieh geholt wurden.« Er deutet zu dem Teil des Hauses rechts von uns: »Dort wo heute der Partyraum ist, waren damals übrigens noch die Stallungen«. Und an noch etwas erinnert er sich: Natürlich gab es stets hausgemachte Mettwurst und Schinken. »Am Samstag wurde dann zur Abwechslung mal Aufschnitt geholt. Die eigene Wurst kam einem ja irgendwann aus den Ohren«, erzählt uns Edge und lacht: »Jetzt hätte ich gerne wieder so einen Schinken im Kühlschrank.«

Unser Gespräch wird von einem Hupen von der Straße her unterbrochen. Edge hebt die Hand zum Gruß und wir fahren fort. Etwas, das sich während unseres frühen, vormittäglichen Besuchs noch des Öfteren wiederholen wird, denn – wie das als Wirt so ist – kennt Edge viele Menschen. Eben auch, weil die Kneipe seines Vaters Paul damals schon ein beliebter Treffpunkt für Vereine war. Hier stand Edge schon als Kind hinter der Theke, half mit beim Zapfen und Bedienen und knüpfte seine ersten Vereinskontakte. So kam es übrigens auch, dass er im Alter von zehn Jahren unter die Kaninchenzüchter ging. Dort wo jetzt der Biergarten der Feierscheune ist, standen damals die Kaninchenställe, erzählt er uns und wir müssen grinsen. Und als wir nochmal nachhaken, erfahren wir – etwas widerwillig – noch etwas: Mit zwölf hatte er schon den Titel Bundessieger in der Kaninchenzucht inne. Mit der frühen Jugend hatte er dann aber keine Lust mehr auf Kaninchen und Sport rückte in den Fokus. Er begann beim TSG Fußball zu spielen, besuchte später die Hauptschule und nahm 1986 an »Jugend trainiert für Olympia« teil. Gemeinsam mit zehn anderen Sportbegeisterten ging es erst zu den Landesmeisterschaften nach Wattenscheid.

 

»Im Halbfinale in Berlin haben wir dann sogar den dritten Platz gemacht.« Es hupt – Edge grüßt. Und wie sieht es heute aus mit dem Sport? »Jetzt spiele ich öfter mal Golf in Marienfeld«, verrät uns Edge. Aber nur vormittags, denn dann rufen die Vorbereitungen für den Kneipenbetrieb.

Das mit der Kneipe war übrigens nicht immer so geplant. Nach neun Schuljahren war Edge erstmal froh die Station des Lebens hinter sich gelassen zu haben und machte eine Ausbildung zum Fahrzeug- und Karosseriebauer bei Recker in Greffen. Eine Zeit, in der er mit seiner Clique oft im Kiekes einkehrte und auch seine jetzige Frau Yvonne kennenlernte. Als er 1992 am Heimathaus den Vogel abschoss wurde er Jungschützenkönig. Mit auf den Thron nahm er aber eine andere. Die Jahre gingen ins Land, Yvonne ihm aber nicht aus dem Kopf. So kam es, dass er eines Tages im Jahr 1999 mit einem Blumenstrauß vor ihrer Hamburger Wohnung stand. Ein Tag der alles verändern wird.

Yvonne überlegt kurz, entscheidet sich dann für die Liebe, verlässt Hamburg und zieht zu Edge. »Zu der Zeit hatte ich eine Wohnung im Harsewinkeler Zentrum.« Dort lebten die beiden ein paar Jahre. »Irgendwann hat mein Vater mich dann gefragt, ob ich die Kneipe übernehmen möchte.« Und das wollte er. 2005 meisterten er und seine hochschwangere Yvonne den Umzug zurück »Zum Emstal«. Sohn Paul wurde geboren und die Beiden heirateten. Aber nicht nur familiär veränderte sich einiges, sondern auch auf dem Hof: Die Kneipe wurde zu dem, wie wir sie heute kennen. Eine gemütliche Mischung aus rustikal und modern. Die Stallungen wurden zum Partyraum und vor der Kneipe lädt ein Biergarten zum Verweilen ein. »Wir haben das alles selbst gemacht«, erzählt uns Edge. Und die beiden können wirklich stolz sein – auf ihr Zuhause und »Zum Emstal«. Nicht umsonst hat sich das Osterfeuer auf ihrer Wiese zu dem Größten in unserer Stadt gemausert. Wie es oft so ist, folgen auf glückliche Zeiten auch Tiefs. 2009 verloren die beiden kurz vor Ostern ihre Tochter Emma aufgrund eines Herzfehlers. Seitdem spenden sie jährlich einen Teil der Osterfeuer-Einnahmen an das Kinder-Herz-Zentrum Bad Oeynhausen.

Heute, acht Jahre später, ist das Osterfeuer immer noch eine Veranstaltung, die fast ganz Harsewinkel »Zum Emstal« zieht. Wir erfahren, dass in der Zwischenzeit viel passiert ist: Die alte Scheune wurde in eine edle Partyscheune verwandelt, auf der Wiese entstand ein großer Spielplatz und Paul hat einen kleinen Bruder bekommen. Yvonne verrät uns, dass Noah mit seinen sieben Jahren sehr kommunikativ ist, gern in der Küche steht und schon das ein oder andere Bier zapft. Edge grinst: »Er tritt bestimmt mal in meine Fußstapfen!«

Wir dürfen also schon jetzt auf die Zukunft gespannt sein. Aber erstmal freuen wir uns darüber, bei diesem sympathischen Paar in dritter Generation Gast zu sein. Denn schon vor knapp 70 Jahren – in den 50ern – rief Opa Peter Heitmann den Kneipenbetrieb auf dem Hof mit einer Bauernkneipe ins Leben. Da war Edge leider noch nicht geboren. Eins weiß er aber: »Heute ist dort, wo die Kneipe war, unsere Küche.«

Text: Charline Belke
Fotos: GüterslohTV, Edgar Heitmann