Als die Geschichte des modernen Musicals im New York der 1920er Jahre und im Londoner West End begann, wusste man in Ostwestfalen noch lange nichts von der großartigen Mischung aus Musik, Tanz, Gesang und Schauspiel. Heute kommen nicht selten berühmte Ensembles nach Gütersloh und in die Region, um uns die faszinierende Welt des Musicals mitzubringen. Dabei gibt es seit einigen Jahren ganz in der Nähe einen gemeinnützigen Verein, der alle ein bis zwei Jahre ein eigenes Musical auf die Beine stellt – mit bis zu 130 Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Sie alle sind Laien, die ihre musikalischen, schauspielerischen und handwerklichen Talente auf der Bühne präsentieren.

Und so haben wir uns auf den Weg ins benachbarte Rheda-Wiedenbrück gemacht, um die Initiatoren der »MusicalFabrik« zu besuchen. Empfangen werden wir von Bettina und Klaus Wulfheide, die 2002 durch einen eigenen Musical-Besuch in Hamburg zu dieser außergewöhnlichen Idee inspiriert wurden. Begonnen hat die Erfolgsgeschichte der »MusicalFabrik« bereits 2003 mit der ersten Aufführung von »Simba – König der Löwen«. Es folgten Inszenierungen wie »Honk«, »Cinderella«, »Disney’s Schöne und das Biest«, »Oliver«, »Der Zauberer von Oz« und die aktuelle Produktion »Die Päpstin«. Dabei gelingt es den Verantwortlichen immer wieder aufs Neue, die Zuschauer durch imposante Kulissen, fantastische Kostüme, rasante Chorografien, großartige musikalische Leistungen, aber vor allem durch den Enthusiasmus aller Mitwirkenden zu begeistern. Ein ehemaliger Betrieb für Wintergärten im Bosfelder Weg bietet mit rund 800 Quadratmetern den perfekten Rahmen für Musicalproduktionen in einer Größenordnung wie sie in Ostwestfalen einmalig sein dürfte.

Die Gesamtleitung und die musikalische Leitung verantwortet Klaus Wulfheide, unterstützt von seiner Frau Bettina, die sich um Co-Regie und um das Gesamtbild kümmert. Dahinter steht der MusicalFabrik e.V., ein gemeinnütziger Verein, der generations-, geschlechter-, interessen- und grenzübergreifend begeisterten Musical-Fans tagtäglich die Möglichkeit gibt, ihr Können und Wollen auf der Bühne auszuleben. Für Chor und Ensemble ist ein großzügiger Probenraum vorgesehen.

 

Besonders beeindruckend sind zudem die »Kleiderkammern«, in denen die Masken und Kostüme sorgfältig in Regalen und auf Kleiderständern aufbewahrt werden. Man bekommt fast den Eindruck als wären sie mit Leben gefüllt und warteten nur auf ihren nächsten Auftritt. Als wir die hauseigene Werkstatt betreten, rundet sich das Bild der »MusikFabrik« ab. Hier entsteht wirklich alles aus einer Hand: die kompletten Schlosser-, Schreiner- und Malerarbeiten für die Kulissen und Bühnenbilder, für Deko oder Plastiken, die Licht- und Tontechnik, ebenso wie Kostüme, Masken, Choreografien, Texte und Noten. Doch der Weg zum ersten Rampenlicht ist wirklich hart.

Am Anfang steht die Auswahl des Stückes, die Klaus Wulfheide selbst übernimmt, ebenso wie die Castings der Darsteller. Dabei stellen sich zu jedem Musical rund 100 große und kleine, junge und ältere Laienschauspieler und Nachwuchskünstler einer kompetenten Jury. Die Bewerber bekommen dann etwa drei Wochen Zeit, sich auf die Rollen vorzubereiten. Wichtig ist neben dem schauspielerischen Talent vor allem das musikalische Können. Aber allein gelassen wird hier niemand. Alle Mitwirkenden erhalten regelmäßigen Gesangs- und Schauspielunterricht, damit bei der Premiere und den darauffolgenden Vorstellungen wirklich alles perfekt läuft. Herzstück der MusicalFabrik ist zweifellos der eigene »Bühnenraum«. Hier können alle Stücke inklusive Bühnenbild genauso aufgebaut und geprobt werden wie sie später in der Flora Westfalica zu sehen sind. Denn die Bühne entspricht exakt den Originalmaßen im Reethus. Dort finden schließlich auch alle Vorstellungen statt, so wie »Die Päpstin«, die aufgrund des großen Erfolges und der anhaltenden Nachfrage im November 2018 in eine dritte Staffel geht.

Die Verantwortlichen präsentieren dann eine überarbeitete Inszenierung, für die rund 130 Mitwirkende auf, vor und hinter der Bühne aktuell regelmäßig Proben. Auch wenn die letzten Vorstellungen noch gar nicht aufgeführt sind, wird schon jetzt über das nächste Stück spekuliert. Was folgt auf »Die Päpstin«? Diese Frage hat uns Klaus Wulfheide nicht beant-wortet, obwohl wir den Eindruck hatten, dass er das kommende Musical schon in der Schublade hat. Wir sind auf jeden Fall sehr gespannt und wünschen weiter genauso viel Freude und Erfolg wie bisher.