Es ist immer wieder ein Erlebnis Menschen aus Gütersloh zu besuchen und bei einer Tasse Kaf fee über vielfältigste Themen zu sprechen. Beide Seiten wissen vorher nur ganz grob, worum es gehen könnte – und meistens kommt es ganz anders. Diesmal waren wir zu Gast in der Grünen Straße in Gütersloh. Bei einem Mann, der als Architekt in angenehm zurückhaltender Art und Weise vielerorts das Stadtbild seiner Wahlheimat prägt. Denn seine Leidenschaft liegt nicht vorrangig im Schaf fen neuer Prunkbauten, Baulückenfüller oder Ersatzbauten für abgebrochene Geschichte, sondern ganz im Gegenteil im Erhalt heimischer Baukultur. Sichtbar wird das unter anderem beim Blick aus dem Fenster der Carl-Redaktion, wo seit dem Jahr 2000 zwei historische Gebäude aus der Mauerstraße 11 eine neue Heimat gefunden haben und seitdem das Museumscafé beherbergen. Carl war zu Besuch bei Thomas Spooren, hat über persönliches gesprochen und gleichzeitig einen Einblick bekommen, welche Bedeutung das Alte für unsere Zukunft haben sollte.

Um die Faszination von Thomas Spooren für das Alte zu verstehen, schauen wir erst einmal in die Vergangenheit: Um 1900 siedeln seine Urgroßeltern aus den Niederlanden nach Deutschland um und arbeiten als Müller im ländlichen Laer bei Münster. Das erklärt die Wurzeln des Namens Spooren. Thomas Spooren selbst wächst in Burlo bei Borken an der Niederländischen Grenze auf. Mit zwölf Jahren ist er in den Ferien bereits regelmäßig auf dem Bau unterwegs und hilft dort seinem Onkel, der Bauunternehmer ist. Er lernt Handwerkstechniken kennen, packt tatkräftig mit an und lässt sich von der Arbeit begeistern. Die Grundlagen für den späteren Beruf werden also früh gelegt.

Und noch eine wichtige Eigenschaft zeigt sich bereits in jungen Jahren: Spooren ist ein Macher, ein »Selfmade-Mann«, wie er sich selbst beschreibt. Ein Architekt ohne Anzug und Krawatte, sondern mit Vorliebe im Blaumann selber auf der Baustelle aktiv. Das hebt ihn auf angenehm unspektakuläre Weise heraus aus der Masse, was sich auf viele weitere Aktivitäten übertragen lässt. Auch der Weg zum abgeschlossenen Architektur-Studium ist ebenso ehrlich, wie seine heutige Sicht auf eine Architektur, die viel zu oft durch die Wirtschaftlichkeitsbrille von Investoren und Bauherren beeinflusst ist und große Teile unserer Baukultur verschwinden lässt. Aber dazu später mehr.

Die Schule bricht Thomas Spooren zunächst ab, weil er »die Nase voll« hat von Französisch, Latein und Griechisch. Als er durch die Herabsetzung der Altersgrenze zur Volljährigkeit mit 19 volljährig wird, zieht es ihn in die Welt. Er erkundet den Orient, arbeitete für Siemens im Nahen Osten, fährt zur See und mit einer Rixe 3-Gang nach Marokko. Seine spätere Frau Christel allerdings lernt er zu Hause im Nachbardorf kennen.

Für damalige Zeiten sehr exotisch gründen sie eine WG und bewohnen ein mehrere hundert Jahre altes Haus. Im Jahr 1978 geht es dann gemeinsam nach Halle Kölkebeck, wo sie einen Bauernhof beziehen. Auch hier und während des Studiums – sie studiert in Bielefeld Betriebswirtschaft, er in Detmold Architektur – setzt sich das »Selbermachen« weiter fort. Gemeinsam arbeiten sie alte Möbel vom Sperrmüll auf, verkaufen sie auf dem Flohmarkt in Münster und finanzieren sich so das Studentenleben, das währenddessen auch von einem Sohn und zwei Jahre später auch von Tochter Lisa bereichert wird. Das macht das Leben nicht immer einfacher, spannend aber ist es allemal und die Familie weiß sich stets kreativ selbst zu helfen – bis hin zum Motorenwechsel beim eigenen T1.

 

Im Jahr 1985 geht es für Thomas Spooren nach einer Anstellung in einem Architekturbüro mit Spezialisierung auf alte Bausubstanz dann in die Selbständigkeit. Nur ein Jahr später entsteht der Wunsch, in die Stadt zu ziehen – und nur durch Zufall ergibt sich die Möglichkeit, anstatt einer Mietwohnung ein komplettes Haus in der Vennstraße in Gütersloh zu kaufen – in den Augen der meisten Beteiligten ein Abbruchhaus ohne Zukunft. Spooren sieht das anders und beschließt mit weiteren Mitstreitern und »mehr Zeit als Geld« drei Eigentumswohnungen zu schaffen. Gesagt, getan – auch wenn das Vorhaben durch das hohe Maß an Eigenleistung natürlich etwas länger brauchte. Gleichsam wurde an dieser Stelle alte Bausubstanz erhalten, während andernorts zugunsten von Neubauten rücksichtslos abgerissen wurde.

Die Macher-Mentalität bleibt auch bei allen weiteren Vorhaben erhalten. Thomas Spooren schafft es mit viel Erfahrung nicht nur, Altbauten und somit echte Baukultur zu erhalten, sondern auch, die Häuser auf einen energetischen Neubau-Standard zu bringen. Denn solange etwas zu retten ist, zieht er dies dem unwiederbringlichen Abriss vor. So geschehen auch im Sommer 2003 als ein weiteres Abbruchhaus in der Grünen Straße für die Eigennutzung saniert wurde. Geschaffen wurde hier durch einen modernen Anbau eine spannungsgeladene Symbiose aus alt und neu, gleichwohl zunächst auch aus arbeiten und wohnen. Eine gelungene Ergänzung bildet das heutige Architekturbüro, das ab 2009 direkt gegenüber in der Grünen Straße errichtet wurde. Ein Nullenergiehaus nach modernsten Baustandards, das über eine Photovoltaik-Anlage seit Jahren sogar überschüssigen Strom für das Elektroauto des Unternehmens liefert.

In Gütersloh angekommen ist Thomas Spooren auch durch sein kommunalpolitisches Engagement: Im Jahr 1989 übernimmt er die Vertretung von Gabi Diekötter (Grüne) als sachkundiger Bürger im Planungsausschuss, später ist er für den Heimatverein für sechs Jahre Mitglied und zeitweise Vorsitzender im Gestaltungsbeirat. An vielen Punkten hat ihm das verdeutlich, wie die Arbeit in Politik und Verwaltung funktioniert.

Und es hat ihn dazu bewogen, aus eigenem Antrieb für ein stärkeres Bewusstsein für alte Bausubstanz zu kämpfen. »Liebhaber alter Autos gibt es viele, bei Gebäuden wird ganz schnell die Abrissbirne geschwungen«, zieht er einen verständlichen Vergleich. Denn im ideellen Wert unterscheiden sich beide Arten von »Oldtimern« nur wenig. Vielmehr stehen Gebäude zudem als wichtige Zeitzeugen heimischer Stadtentwicklung – und das gilt es, mit wachem Verstand zu erhalten.

Als neues Instrument dieser Begeisterung für die Historie hat er initiativ mit weiteren Beteiligten das Gütersloher Ortskuratorium der Deutschen Stiftung Denkmalschutz gegründet, in dem er sich ehrenamtlich dafür einsetzt, dass bei allen Bau- und Abrissmaßnahmen auch bewusst ein Blick auf erhaltenswerte – also nicht einfach nur »alte« oder »schöne« – Bausubstanz geworfen wird.

Nicht zuletzt mit dem Erhalt der Häuser aus der Mauerstraße hat er ein zentrales, gut sichtbares Zeichen gesetzt, dass eine Um- oder Neunutzung und somit der Erhalt von Gebäuden ein in der Tat lohnenswertes Vorhaben ist. Davon hätte es auch in früheren Jahren deutlich mehr Impulse gebraucht, um die Gütersloher Stadtgeschichte in ihrer Vielfalt zu bewahren!

Fotos: Thomas Spooren und Jessica Bochinski
Text: Benedikt Hensdiek