VOLL INS GELBE

Carl hat sich auf einer kleinen Sommertour auf die Spuren von Robin Hood gemacht. Ausgestattet mit Pfeil und Bogen haben wir es dem gefürchteten Rächer aus dem Sherwood Forrest gleichgetan – mit einem kleinen Unterschied: Unsere Abenteuer erlebten wir nicht im mittelalterlichen England, sondern in einem kleinen Waldstück in Gütersloh. Besucht haben wir die Bogenschützen aus Pavenstädt. Natürlich haben wir dort keine Jagd auf Verbrecher gemacht oder holde Maiden erobert, dennoch barg unser Besuch die ein oder andere Überraschung und belebte Kindheitserinnerungen.

Bogenschießen hat eine lange Tradition, denn bereits die Indianer Nordamerikas erlegten auf diese Weise ihr Abendessen. Auch spätere Generationen machten sich die Technik zunutze und trainierten so für die Jagd auf Wildtiere. Über die Jahrhunderte hat sich das Bogenschießen zu einer eigenen Sportart etabliert, seit 1972 ist es sogar eine olympische Disziplin. Auch in Gütersloh pflegt man schon lange den Umgang mit Pfeil und Bogen. Im SV Pavenstädt wird bereits seit 1929 Bogensport betrieben. Bei unserem Besuch wurde allerdings schnell klar, dass Bogen nicht gleich Bogen zu sein scheint. Bogenschießen ist vielfältiger als man annehmen mag und es gibt einiges zu beachten. Deshalb unterteilt sich der SV mit der olympischen Disziplin und dem traditionellen Bogenschießen auch in zwei Abteilungen.

 

In der Abteilung für Bogensport wird so geschossen, wie man es aus TV-Übertragungen der olympischen Spiele kennt. Mit technisch ausgeklügelten Bögen versuchen die Schützen das Gold in der Mitte der Zielscheibe zu treffen. Das Visier gibt dabei eine Hilfestellung, macht das Ganze allerdings nicht zu einem Klacks, wie man fälschlicherweise annehmen könnte. Wie bei jedem Sport sind Technik und Übung das A und O. Doch über allem be-darf es Konzentration! Mit unruhiger Hand und Hektik funktioniert hier gar nichts. Zwar unterstützen Stabilisator und Visier, doch alles andere ist Eigenleistung. Geschossen wird auf unterschiedliche Längen und auf gerader Strecke. Zusätzlich muss das Visier auf die verschiedenen Entfernungen eingestellt werden, da einem der Pfeil ansonsten in ungewollte Richtungen entschlüpft.

 

Und dann kann es auch schon losgehen: In Reih und Glied stellen sich die Schützen an der Markierung auf und versuchen das Ziel zu treffen. Die goldene Mitte ist am begehrtesten und wird mit den meisten Punkten vergütet. Es folgen in abstufender Reihenfolge rote, blaue und schwarze Ringe.

 

Deutlich anders geht es beim traditionellen Bogenschießen zu, bei dem man sich völlig auf seine Intuition und Erfahrung verlässt. Hier wird mit sogenannten Primitivbögen geschossen. Mit »primitiv« allerdings ist keinesfalls eine negative Bedeutung gemeint. Es bedeutet schlichtweg, dass die Bögen sehr ursprünglich aufgebaut sind und auf überflüssige Technik wie Stabilisator, Visier oder Pfeilauflage verzichten. Die Bögen sind denen der Indianer nachempfunden und häufig »Marke Eigenbau«. So entstehen einzigartige Bögen aus handerlesenem Holz und Pfeilen mit Naturfedern. Natürlich gibt es auch hier standardisiertere und technisch anmutendere Modelle, wie sie beispielsweise in der Bowhunter Recurve-Klasse zu finden sind.

Geschossen wird auf eine nicht festgelegte Entfernung auf Wiesen oder im Unterholz eines Waldes. Im freien Feld wird in einem Parkour aus 30 Bahnen auf 3D-Tierattrappen statt auf Scheiben gezielt. Da kann es durchaus einmal vorkommen, dass Äste vor dem Tier hängen oder Bäume das Ziel verdecken. Ohne Zielsystem müssen die Schützen Entfernung, Richtung sowie Steigung oder Neigung abschätzen, um das Tier letztlich gekonnt zu »erlegen«. Natürlich findet real keine richtige Jagd statt. Allerdings gibt es einige Anlehnungen dazu. So gibt es unterschiedliche Zonen auf der Tierattrappe, die mehr oder weniger Punkte bei einem Treffer einbringen. Wie auch in der richtigen Jagd erbringt ein Kill-Shot im Bauchbereich die meisten Punkte.

 

Beim SV Pavenstädt durften wir die Faszination des Bogenschießens selbst miterleben. Es ist eine Sportart, die vor allem Konzentration verlangt. Der Körper kommt zur Ruhe und die Gedanken können vom stressigen Alltag entspannen. Gleichzeitig ist sie vielfältiger als man denkt: Während es bei den Sportschützen um Disziplin und absolute Perfektion geht, fühlten wir uns in der Feldbogen-Abteilung wie Robin Hood höchstpersönlich. Bogenschießen ist eine faszinierende und zugleich eine komplexe Sportart, die oftmals leider viel zu wenig beachtet oder gar unterschätzt wird. Doch Carl ist sich sicher: Wer es einmal für sich entdeckt, wird es schnell lieben lernen!

 


Aha!
Die Sportschützen des SV Pavenstädts trainieren immer montags und mittwochs ab 18:00 Uhr sowie samstags ab 14:00 Uhr. In den Sommermonaten (April bis Oktober) findet das Training auf dem Außengelände des Sportplatzes am Pavenstädter Weg/Ecke Westring statt, während es im Winter in die Sporthalle der Grundschule Pavenstädt am Pavenstädter Weg 72 geht. Traditionelles Bogenschießen kann man ganzjährig auf dem Schießgelände »Am Stellbrink« betreiben. Das Training findet für die Jugend jeden Mittwoch ab 16:00 Uhr statt, bevor die Erwachsenen ab 18:00 Uhr nachlegen. Allerdings können sich Mitglieder auch nach Lust und Laune zu jeder anderen Zeit auf dem Gelände austoben.

 

Text: Madeline Kolletzki // Fotos: Jessica Bochinski