Das Spiel mit der Stahlkugel

Boccia oder Boule - das Spiel mit den bunten und silbernen Kugeln findet jedes Jahr wieder neue Fans. Und nicht selten werden im Sommerurlaub dann eigene Kugeln gekauft. Spätestens jetzt fragen sich viele Besitzer: Wie spielt man eigentlich das aus Frankreich stammende Boule oder die italienische Variante Boccia? Auf der Suche nach Antworten ist Carl in Kaunitz auf die Boccia-Anlage hinter dem Alten Bahnhof aufmerksam geworden. Hier trif ft sich jeden Mittwoch die Boccia-Gruppe der Dorfgemeinschaft. Aber auch an den anderen Tagen ist regelmäßig was los. Wir müssen also nicht in den Süden reisen, um ein bisschen Urlaubsfeeling einzufangen oder mehr über diesen beliebten Freizeitsport zu erfahren.

Das Thermometer hat gerade die hochsommerliche 30-Grad-Grenze überschritten als wir hinter dem Bahnhofsgelände an der Holter Straße ankommen. Die ersten Aktiven der Boccia-Gruppe haben heute eine zweite Bahn in Beschlag genommen, die erst vor wenigen Tagen fertiggestellt wurde. Für uns ein guter Grund, um Hans-Dieter Netenjakob, den Mitinitiator des Kaunitzer Boccia-Sports zu treffen und mehr über die neue Bahn, über Boccia-Regeln, aber auch über das beliebte Jahresabschluss-Turnier zu erfahren.

 

Gemeinsam mit Siegfried Erichlandwehr und Willi Maasjost hatte Hans-Dieter Netenjakob 2014 die Idee, auf dem städtischen Grundstück des Alten Bahnhofs eine Boccia-Bahn zu bauen, die zu jeder Zeit und von jedem Spieler kostenfrei genutzt werden kann. Gesagt – getan. Im April desselben Jahres baute die Dorfgemeinschaft mithilfe von Ehrenamtlichen und einigen Sponsoren eine erste Bahn. In den Anfängen spielten hier insgesamt 20 Aktive, inzwischen sind es 52 Boccia-Begeisterte, die an festen Terminen in der Woche die Bahn nutzen.

 

Eine Anlage reichte also längst nicht mehr aus, so dass die Kaunitzer ganz aktuell eine zweite Bahn gebaut haben. »In nur drei Tagen«, erzählt der Vorsitzende der Boccia-Gruppe nicht ohne Stolz. »Mithilfe von vielen engagierten Boccia-Freunden und nicht zuletzt, weil das Privatunternehmen Captrain der Dorfgemeinschaft das angrenzende Grundstück hinter dem Alten Bahnhof kostenfrei zur Verfügung gestellt hat.« Als »Gegenleistung« pflegt die Dorfgemeinschaft das angrenzende Bahngelände und von der »schönen« Umgebung profitieren dann schließlich beide.

 

Wie aber wird Boccia oder Boule nun gespielt? Die Grundregeln sind ganz einfach. Viele davon verstehen sich schon beim Zuschauen, denn sie werden ja im Wesentlichen von Freizeitspielern befolgt. Der wichtigste Grund für ein Boccia-Spiel ist erst mal der Spaß! Und so gilt auch hier in Kaunitz, dass ein Spiel unter »Nachbarn« zum regelmäßigen Vergnügen am Nachmittag oder am Abend gehört. Eins stellt Hans-Dieter Netenjakob dann noch im Vorfeld klar. Egal ob Boccia, Boule oder die spanische Variante Pètanque – alles das Gleiche. Auf das Gemeinschaftsgefühl kommt es an.

 

Nach kurzer Absprache wirft also ein Spieler zu Beginn eine kleine Zielkugel. Und weil die immer rosa oder rot ist, wird sie auch liebevoll »Schweinchen« genannt. Einzige Bedingung: Die Kugel sollte wenigstens 10 Meter weit platziert werden. Dann wirft der erste Spieler einer Mannschaft seine bei-den Kugeln in Richtung Schweinchen. Der erste Spieler aus der gegnerischen Mannschaft macht es ihm nach, bis jeweils sechs Spieler aus jeder Mannschaft insgesamt 24 Kugeln so nah wie möglich an der Zielkugel platziert haben. Die Mannschaft, die am nächsten dran liegt, erhält einen Punkt. Sollte die genaue Entfernung mit bloßem Auge nicht zu ermitteln sein, wird auch gerne mal das Maßband zur Hilfe geholt. Denn ein bisschen Ehrgeiz ist auch unter Hobbyspielern erlaubt.

Gespielt wird hier in Kaunitz bis 15 Punkte. Diese und alle weiteren Spielregeln können aber beliebig variieren. Man muss sich nur darauf einigen. Aber das Beste: Boccia kann man in jedem Alter, mit Kindern, Frauen und Männern spielen. Der älteste Spieler hier in der Boccia-Gruppe der Dorfgemeinschaft Kaunitz ist schon vor einigen Jahren 80 geworden. »Ferdi« zeigt uns dann auch noch ein selbst konstruiertes Band, an dessen Ende er einen Magneten befestigt hat. So muss er sich nicht mehr bücken, um die Kugel aufzuheben, erzählt er schmunzelnd.

 

Die neue Boccia-Bahn entspricht übrigens mit einer Länge von 26,5 Metern und einer Breite von 4,5 Metern sogar nationalen und internationalen Turnier-Normen. Hier darf außerhalb der fest vergebenen Spielzeiten jeder kostenfrei trainieren oder einfach mal in den Boccia-Sport hineinschnuppern. Einzige Bedingung: Das Gelände und die Bahnen müssen wieder in ordnungsgemäßem Zustand hinterlassen werden. Dazu gehört auch das »Abziehen« der drei Zentimeter starken Dolosand-Schicht. Den Schlüssel zum Bahnhof gibt es bei Hans-Dieter Netenjakob und bei Bedarf stellt die Dorfgemeinschaft gerne die entsprechenden Leihkugeln zur Verfügung. Eine tolle Idee. Zum Abschied dürfen wir auch ein paar Kugeln werfen. Gar nicht so einfach, das Schweinchen zu treffen. Aber viel Spaß hat es gemacht. Und das ist schließlich der Grund, warum Boccia so beliebt ist.

 

AHA!
Am 24. September findet zum vierten Mal in Folge das große Boccia-Turnier auf der Anlage hinter dem Alten Bahnhof an der Holter Straße in Kaunitz statt. Von 10:00 bis 18:00 Uhr treten insgesamt 16 Hobbymannschaften mit jeweils 6 Spielern gegeneinander an. Gespielt wird in vier Gruppen und zwar wie beim Fußball nach dem Modus »jeder gegen jeden«. Da in diesem Jahr erstmals zwei Boccia-Bahnen parallel genutzt werden können, stehen für jede Partie nun auch 30 Minuten zur Verfügung. Mitmachen kann grundsätzlich jeder, der ein sechsköpfiges Team anmelden möchte und genügend Spaß an der Veranstaltung mitbringt. Für spannende Unterhaltung, Essen und Getränke ist gesorgt. Aber auch Zuschauer sind herzlich willkommen, um ihre Teams anzufeuern. Infos und Anmeldungen bei Hans-Dieter Netenjakob unter 05246 – 2027.