Recycling kennen wir wohl alle. Aber was passiert denn eigentlich beim »Upcycling«? Der ein oder andere wird es sich sicher schon abgeleitet haben. Aus alten Dingen und Abfallstoffen, die eigentlich nur noch »für die Tonne« sind, entstehen in kreativer Handarbeit völlig andere, neuwertige Produkte. Das ist Trend, Verantwortung, Lebenseinstellung und für die Bielefelderin Jutta Reker weitaus mehr als nur ein Hobby. Die 49-jährige Schulbegleiterin verwertet mit Leidenschaft, Kreativität und flinken Fingern jede Menge alten Krempel zu etwas Neuem: Alte Blusen werden kurzerhand zu Kinderbekleidung, Zeltplane zu einer schönen und praktischen Tasche und aus einer alten Matratze entstehen auch mal gemütliche Kissen. Unter dem Stichpunkt schönes Genähtes für Kleine und Große erschafft sie aber auch Stücke aus neuwertigen Stoffen. Bei Kaffee, Tee und leckerem selbstgebackenen Kirschkuchen erfahren wir in ihrem Garten mehr über ihr verrücktes Hobby und die außerordentlich kreative Familie.

Wie lange sie schon näht, kann sie uns gar nicht genau sagen, aber mehr als zwanzig Jahre werden es wohl sein. Bei unserem Besuch im Fingerhutweg sitzen wir bei strahlendem Sonnenschein im Garten hinter dem Haus. Neben uns und vor uns schicke dunkelrote Bauwagen. Die werden wir später noch genauer un-ter die Lupe nehmen. Erstmal erfahren wir wie Jutta Reker überhaupt zu dem Handwerk mit Nadel und Faden kam. Beigebracht hat sie sich das Nähen selber, später besuchte sie dann ab und an Patchwork-Kurse und nähte sehr viel in den eigenen vier Wänden. Wir erfahren, dass auch Juttas Mann ein Faible für Altes hat und des Öfteren gefundene Dinge zu Hause »anschleppt«, so wie die riesige Überraschung die Jutta zum 40. Geburtstag im Garten erwartete: Ein alter Bauwagen, von ihrem Mann aufbereitet als Werkraum, mit Nähmaschine und Platz für Stoffe und Materialien. Im Hause der Rekers wuchs die Hülle und Fülle an selbstgemachten schönen Dingen aus alten, aber auch neuen Stoffen stetig. Einen Teil davon bringt Jutta Reker – mittlerweile schon seit acht Jahren – zwei Mal monatlich auf dem Fried-richsdorfer Wochenmarkt unter die Leute.

 

Aber auch in Bielefeld stattete sie regelmäßig ein Fach in einem kleinen Lädchen für Handgemachtes mit ihrem schönen Genähten aus. Mit all der Näherei wuchs bei ihr auch der Traum von einem eigenen Lädchen heran. Und so kommt wieder die Sammelleidenschaft ihres Mannes ins Spiel. Der entdeckte – wie passend – einen zweiten, scheinbar herrenlosen Bauwagen ganz in der Nähe. Nach einem Telefonat mit dem Fund-büro musste noch ein halbes Jahr ins Land gehen, bevor das gute Stück in den Besitz der Rekers überging und getreu dem Motto »Aus Alt mach Neu« in einen süßen Bauwagenladen verwandelt wurde. Ein alter CD Schrank dient nun als ausziehbarer Präsentationstisch für die farbenfrohen Portemonnaies und auch ausrangierte Schränke aus der Förderschule und Setzkästen bieten jede Menge Platz für bunte Kissen, Schlüsselanhänger und Taschen. Im Regal entdecken wir auch Notizbücher. Die Covers gehörten früher zu alten Kinderbüchern und wurden für die Notizbücher mit Blankoblättern und Ringbindung gebunden. Die alten Seiten wandern keinesfalls in den Müll. Denn daraus entstehen kleine Tütchen, in denen richtig viel Kleinkrams aufbewahrt werden kann.

Und auch die handgemachten Ohrringe, Armbänder und Ketten von Tochter Lena finden auf den sieben Quadratmetern des wunderschönen Bauwagens Platz. Denn so wie die Mama auch die Tochter: Schon mit sechs hat Lena ihre ersten Perlenringe gemacht. Unterstützt werden die Beiden tatkräftig von ihrem größten Fan, Oma Ingrid. Bei so viel Kreativität und Ideen in einer Familie war auch der Name für den bunten Bauwagenverkauf schnell gefunden. Auf einem Besuch in Norwegen begegnete der Familie immer wieder ihr eigener Name. Denn das norwegische Wort »Reker« heißt auf Deutsch so viel wie Krabbe. Und wenn die Krabbe-Fahne im Fingerhutweg weht, wartet der Bauwagen mit seinen schönen Sachen nur darauf von euch entdeckt zu werden.

Fotos: Jessica Bochinski
Text: Charline Belke