Carl war zu Besuch im Klärwerk – und hätte hier mit Sicherheit einige Kalauer zu erzählen, auf die man beim Thema kommen könnte. Ehrlich gesagt wäre uns das aber zu platt gewesen, denn was die Menschen hinter den Zäunen des Verbandsklärwerkes »Obere Lutter« an 365 Tagen im Jahr für die Allgemeinheit leisten, sollte man durchaus zu schätzen wissen. Seit genau 50 Jahren kommt hier all das an, was wir gerne aus den Augen – und damit aus dem Geruchssinn – haben möchten. Um das zu feiern, gibt es am 18. November nicht nur »Kunst im Klärwerk«, sondern auch die Möglichkeit, sich alles einmal aus nächster Nähe anzuschauen. Will man gar nicht? Doch, sollte man!

Vor allem die Menschen aus dem Einzugsgebiet des Abwasserverbandes »Obere Lutter« (AOL) dürfte interessieren, wo ihre gesammelten Massen an Abwässern hin gespült werden. Über drei Hauptsammler kommen sie im freien Gefälle über die Ausleger des Teutoburger Waldes aus Brackwede, Quelle, Ummeln und Isselhorst, aus Senne, Friedrichsdorf und Avenwedde-Bahnhof sowie aus Hollen und Niehorst. In Summe macht das rund 75 000 Einwohner, die ihre Bade- und Duschwässer, Toilettengänge und Spülmaschinen-Nutzungen über diesen Weg abwickeln. Hinzu kommen bis zu 125 000 Einwohnergleichwerte, die durch Gewerbe und Industrie eingebracht werden – bei einer maximalen Kapazität von 380 000 Einwohnerwerten, die seit ein paar Jahren durch den Wegfall einiger Großbetriebe im Einzugsgebiet allerdings nicht mehr voll ausgeschöpft werden. Erreicht wurde die beeindruckende Kapazität durch zahlreiche Erweiterungsbauten seit der Eröffnung im Jahr 1967. Doch genug der Theorie, denn wir haben uns das Ganze bereits vorab einmal zeigen lassen.

Los geht es also da, wo die drei Hauptsammler auf das naturnah gehaltene Gelände des AOL strömt. Direkt am Zulauf wird das Wasser rein mechanisch in einem Rechengebäude von allen größeren Bestandteilen befreit, was durchaus »spannendes« zutage bringt. Bei unserem Besuch erkennen wir unter anderem ein ganzes Brötchen, das über die große Rechenanlage vollautomatisiert in einen großen Behälter transportiert wird. Betriebsleiter Guido Bruhn weiß, dass noch deutlich größere Gegenstände hier ankommen – wir hinterfragen das nicht genauer.

Über das nebenliegende Zulaufpumpwerk wird das Wasser in einen Sand- und Fettfang gepumpt, wo bei geringer Geschwindigkeit Sand und Leichtstoffe aus dem Abwasser entfernt werden. Noch ruhiger geht es da im Vorklärbecken zu, in dem die zum Beckenboden sinkenden Kleinstfeststoffe entnommen werden.

 

Dieser »Primärschlamm« wird in die großen Faulbehälter auf dem Gelände gefördert, wo Faulgase zur späteren Wärme- und Stromgewinnung gewonnen werden. So können etwa 50 % der benötigten Energie – von immerhin rund 5 Millionen Kilowattstunden jährlich – direkt vor Ort produziert und verbraucht werden.

Unterwegs zur nächsten Klärstufe vergessen wir bereits die doch etwas unangenehmen Gerüche, die uns umgeben. In doch spezieller Idylle gelegen, entwickelt die sehr gepflegte Gesamtanlage einen gewissen Charme, den wir hier nicht erwartet hatten. Der »Dreck« der Menschen trifft symbiotisch auf die Natur, der das Wasser am Ende nach neuesten Erkenntnissen gereinigt wieder zugeführt wird. Dazu gehört auch die Reinigung in zwei Biostufen, die hier hintereinandergeschaltet jeweils ihre eigene Reinigungswirkung und -aufgabe haben. Spezielle Bakterien und Kleinstlebewesen bilden hier »Belebtschlammflocken«, die anschließend in Absetzbecken wieder vom teilgereinigten Abwasser getrennt und in die Belebungsbecken gepumpt werden, wo sie weiterarbeiten dürfen.

Ein besonderes Anliegen ist dem AOL, auch auf sich ändernde Bedarfe der Abwasserreinigung zu reagieren. So sind in den vergangenen Jahrzehnten die Einträge von Medikamentenrückständen in das Abwasser enorm gestiegen. Die meisten dieser Mikroverunreinigungen werden im herkömmlichen Verfahren jedoch nicht aus dem Wasser entfernt, weshalb man sich in Isselhorst im Jahr 2014 dazu entschieden hat, das Filtermaterial von zwei nachgeschalteten Biofiltern durch granulierte Aktivkohle zu ersetzen. Die Ergebnisse überzeugen und sind in der Branche richtungsweisend. Das hilft am Ende allen, denn über den Ablauf des gereinigten Wassers in die Lutter und damit in letzter Konsequenz in die Nordsee, gelangen die unerwünschten Stoffe nicht zurück in die Natur und somit nicht in die Nahrungsketten von Tieren und Menschen.

Apropos Tiere: Denen steht mit den zwei Schönungsteichen am Ende der Klärwerkseinrichtungen ein echtes Paradies zur Verfügung. Das ruhige und ungestörte Biotop wird Jahr für Jahr von zahlreichen Vogelarten im Sommer als Brutstätte genutzt. Aber auch jetzt im Spätherbst lohnt der Blick, zumal hier am 18. November das außergewöhnliche Jubiläums-Feuerwerk gestartet wird. Wir haben beim Besuch am Klärwerk »Obere Lutter« eine große Lücke in der Allgemeinbildung geschlossen – und empfehlen jedem, uns dies im Rahmen einer Führung gerne nachzumachen!

Text: Ben Hensdiek
Fotos: Abwasserverband »Obere Lutter«