Jazz City Blog - Miles Davis
Eigentlich wollten wir nach unseren zwei ersten im CARL vorgestellten Superstars des Jazz die vielen Superlative erst einmal reduzieren, aber diesmal geht es um Miles Davis, den unumstritten populärsten Musiker nicht nur des Jazz sondern auch der Grenzbereiche zu Rock, Pop, Funk und HipHop. Wenn es einen Jazzmusiker gibt, der den Glamour, den Ruhm, die Plattenverkaufszahlen und den
Lifestyle und natürlich auch die Allüren und Skandale eines Superstars des Pop auf Augenhöhe mit
Kollegen wie Prince oder Michael Jackson verkörperte, dann war das Miles Davis. - Unser Beitrag basiert wieder im Wesentlichen auf den unglaublichen Fotos von Raimund Vornbäumen, alle in der Stadthalle Gütersloh geschossen, hier nun exklusiv im CARL. So manches internationale Jazzmagazin würde sich die Finger danach lecken.
»Nenne mich nicht Legende, sondern einfach Miles Davis!« - Dieses Zitat von ihm ist verbürgt, aber wie das bei Legenden nun einmal so ist, gibt es viele Aussprüche und Anekdoten von ihm in unterschiedlichen Varianten. Als Beispiel dienen mag die vielfach variierte Geschichte von Miles als Gast im White House mit illustren Gästen, von denen ihn kaum einer kannte. Aber war es jetzt die Frau von Präsident Bush, dem älteren, oder die von Präsident Reagan, die angeblich neben ihm saß und ihn fragte, womit er es denn verdient hätte, geladener Gast zu sein? Verbürgt ist nur der erste Teil seiner Antwort (»Ich habe nur die Musik unseres Jahrhunderts mehrere Male revolutioniert«). Aber fragte er sie dann zurück: »Und was haben Sie geleistet, außer dass Sie weiß (Alternative: die Frau des Präsidenten) sind? Durchaus zuzutrauen wäre ihm aber auch die dritte überlieferte Version: »Was haben Sie gemacht, außer den Präsidenten zu f…..?«
Josef Honcia hatte sich 1989 in den Kopf gesetzt, diese Ikone des Jazz, »the coolest«, »the hippest«, zum 10 jährigen Jubiläum der Jazzreihe nach Gütersloh zu holen. Natürlich hatte er davor schon eine ganze Reihe berühmter amerikanischer Musiker nach Gütersloh gelockt , u.a. Wayne Shorter, Art Blakey, Max Roach, von denen einige auch in der Vergangenheit mit Miles zusammen gespielt hatten, aber keiner von ihnen hatte auch nur annähernd dessen Berühmtheit erreicht und kostete die Gage, die Miles Davis verlangte.
»Träum weiter, Josef!« - »Du spinnst ja!« - »Das schaffst Du nie!« – so waren die gängigen Reaktionen der Freunde und Fans, denen Josef, wie immer in aller Ausführlichkeit, seine Pläne erläuterte. Ich bekam damals hautnah all die Schritte mit, all die Hindernisse, die er überwinden musste, aber , um es kurz zu machen: Nachdem auch der dickste Brocken, die Finanzierung, dank Josefs Hartnäckigkeit und der Hilfe vieler Sponsoren und auch der Stadt, überwunden war, kam eines Tages ein dicker Umschlag mit dem Vertrag aus den USA, den Josef stolz präsentieren konnte. Es war (fast) geschafft. - Große Erleichterung! – Die Karten für das Konzert waren innerhalb weniger Stunden ausverkauft und sollen auf dem Schwarzmarkt für erhebliche Summen gehandelt worden sein, aber bis zum Auftritt (übrigens war das Konzert in Gütersloh das einzige in Deutschland neben dem in München) gab es natürlich noch viele Probleme zu lösen. So konnte z.B. erst am Morgen des Konzerts von einer extra aus Karlsruhe kommenden Spezialfirma die geforderte Beleuchtungsanlage installiert werden.
Ich hatte für den Konzerttag Sonderurlaub bekommen und konnte die ganze Hektik der Vorbereitungen in der Stadthalle begleiten. Immerhin gelang es mir, in einer ruhigen Minute durch einen persönlichen Manager von Miles meine »Bitches Brew« - LP unterschrieben zu bekommen. - Mein liebstes Sammlerstück, später auch noch versehen mit den Unterschriften weiterer Musiker. - Da bekannt war, dass Miles schnelle Sportwagen liebte, bekam Josef zahlreiche Angebote von Fans, die sich anboten, Miles mit ihren Wagen vom Hotel zur Stadthalle zu bringen. Er entschied sich dann aber für einen älteren Mercedes der S-Klasse (mit Ledersitzen!), den ein alter Freund von ihm fuhr, und Miles war damit sehr zufrieden.
Unbeschreiblich dann das Gefühl, in der verdunkelten Stadthalle auf »the Prince of Darkness« zu warten, dann der Aufschrei und Jubel der Menge, als er tatsächlich pünktlich die Bühne betrat, und die intensive Gänsehaut bei den ersten Takten von »Human nature«. Ein Traum wurde wahr! Miles zeigte sich vergleichsweise gut gelaunt, drehte dem Publikum kaum einmal den Rücken zu, machte sogar eine Ansage. Es kam zu wunderbarem Zusammenspiel mit seinen Mitspielern, vor allem mit dem fantastischen Kenny Garrett am Saxophon und dem »Lead«-Bassisten Foley. Raimund Vornbäumen hat viele dieser Momente genial in seinen Fotos erfasst.
Miles war offenbar so zufrieden mit dem Gastspiel in Gütersloh, dass er Josef wissen ließ, er würde gerne wiederkommen: Zwei Jahre später gelang dies tatsächlich. Diesmal war es das einzige (!) Konzert in Deutschland. Wir hatten nun deutlich mehr Routine, holten Miles am Flughafen Münster-
Osnabrück ab, wo er Josef und mich mit Handschlag (!) begrüßte. (»Hey, how’re you doin?«) – Ich wusch mir drei Tage lang nicht die Hände…
Der Umgang mit Miles, der gewöhnlich als unnahbar galt, war diesmal deutlich weniger distanziert. Vor dem Konzert ging er Arm in Arm mit Josef durch die Gänge der oberen Stadthalle, wo Reproduktionen von Kandinsky-Gemälden hingen. Er erzählte Josef, der nur einen Teil verstand, von seiner Bewunderung für diesen Künstler und seine eignen Versuche als Maler. Auch nach diesem Konzert im März 1991 wollte er gerne noch einmal wiederkommen. Danach gab es noch unvergessliche Auftritte von ihm in Montreux und Paris, wo er viele seiner alten Weggefährten traf. In Paris war Josef sogar für fünf Tage bei seinen Konzerten dabei. In Montreux schaute Miles tatsächlich zum ersten Mal in seinem Leben zurück und spielte unter Leitung von Quincy Jones Passagen aus seinen berühmten Aufnahmen mit Gil Evans. Ende September im selben Jahr starb Miles. RIP.