Deutschlands bekanntester Profiler ermittelt

Zwei Teenager verschwinden am 31. Juli 1982 auf einer Radtour durch die Ostschweiz. Ihre Spur verliert sich an einer Wegkreuzung in Oberriet, einer 8000 Einwohner-Gemeinde in St. Gallen. Dort findet die Polizei nur ihre abgestellten Fahrräder. Erst neun Wochen später werden ihre Leichen in der Nähe der berühmten Kristallhöhle entdeckt. Die Mädchen sind brutal ermordet worden. Der oder die Täter werden nie gefasst.

Das ist einer von drei mysteriösen Fällen, die Deutschlands bekanntester Profiler Axel Petermann (68) in seinem neuen Buch »Im Auftrag der Toten« zu lösen versucht. Drei mörderische Verbrechen, drei Geheimnisse, denen er mit kriminalistischem Spürsinn auf den Grund geht. Petermann geht monatelang, ja sogar jahrelang auf Recherche-Tour. Er begibt sich sogar einmal in Lebensgefahr, als er zu den Leichenfundorten an der hochgelegenen Kristallhöhle kraxelt, an denen die ermordeten 15 und 17 Jahre alten Mädchen versteckt wurden. Am Ende ist kein Durchkommen. Viele Menschen glauben, dass sie in abgelegenen ländlich geprägten Gegenden fern von allem Bösen sind. Doch das stimmt nicht. Selbst in einsamen Regionen passieren unglaubliche und grausame Gräueltaten. Das beste Beispiel dafür sind die eben geschilderten »Kristallhöhlenmorde«, um die sich bis heute wilde Spekulationen und ständig neue Anschuldigungen ranken. »Jeder dort glaubt zu wissen, wer der Mörder sein könnte«, sagt der ehemalige Leiter der Ersten Bremer Mordkommission. Er hat die Stelle des Verschwindens aufgesucht, interviewte den damaligen Staatsanwalt, sprach mit Angehörigen und Zeitzeugen, stöberte in alten Akten und analysierte die wenigen Tatortbilder, die es noch gibt. Rückschläge hat er weggesteckt, denn nicht alle Menschen dort waren ihm wohl gesonnen. Mit dabei aber ein Lokal-Journalist, der über diese Bluttaten über Jahre hinweg berichtet und es sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht hat, sie aufzuklären. Er war es auch, der Axel Petermann darum gebeten hat, ihn bei der Spurensuche zu unterstützen. »Es ist ein rätselhaftes und facettenreiches Verbrechen, wie ich es selten bei den von mir bearbeitenden Tötungsdelikten erlebt habe«, erklärt der Profiler. Es sei ein Fall, der europaweit für Aufsehen gesorgt habe und noch heute weit über die Region die Menschen bewege. Für Polizei und Staatsanwaltschaft ist der Fall längst abgeschlossen und verjährt. Für Petermann nicht, auch wenn alle Asservate vernichtet worden sind. 

Genauso spannend und rätselhaft ist der zweite Fall, mit dem sich Axel Petermann in seinem 374 Seiten starken Druckwerk beschäftigt. Als vor 14 Jahren eine 26-jährige Deutsche in Athen erhängt aufgefunden wird, ist die griechische Kripo sicher, dass es ein Suizid war. Doch die Eltern in Berlin wollen sich nicht damit abfinden. Sie glauben, dass ihre Tochter getötet worden ist und kämpfen immer noch dafür, dass der Fall neu aufgerollt wird. Sie bitten Axel Petermann um Hilfe. Er soll neue Beweise zu finden. Er reist mehrmals nach Athen, geht dort auf Spurensuche und findet einige, neue Details heraus. Sein Fazit: »Die Tatortspuren lassen sich nicht mit Suizid erklären.«

Der dritte Fall spielt in München: 2006 wird eine Millionärin im Parkhaus ihrer Penthouse-Wohnung erschlagen aufgefunden. In einem spektakulären Indizienprozess wird ihr Lieblingsneffe wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt. Freunde und Verwandte zweifeln und sind von seiner Unschuld überzeugt. Schließlich wird Axel Petermann eingeschaltet. Wie hat sich die Tat zugetragen? Kann der Neffe doch der Mörder sein? Wochenlange Nachforschungen führen zu einem anderen Ergebnis. Der Fallanalytiker hält schließlich die Beweise für fragwürdig. Das Urteil basiere auf falschen Grundannahmen.

»Im Auftrag der Toten« ist Petermanns sechstes Buch. Keine Frage, es ist das bislang beste und hat alle Chancen, so wie drei seiner Werke (»Auf der Spur des Bösen«, »Im Angesicht des Bösen« und »Der Profiler«), wieder ganz oben auf der Spiegel-Bestseller-Liste zu landen. Mittlerweile liegt es schon auf Platz zwölf. Die Kriminalgeschichten lassen den Leser so schnell nicht mehr los. Man taucht ein in die »Profiler Welt« und wird Teil seiner Arbeitsweise als wenn man hautnah dabei ist. Man dringt ein in die Denkweise eines Fallanalytikers. Das Buch ist aufregend, dramatisch und fesselnd. Wie schafft er das? Nun, das liegt an der spannungsgeladenen und sicher auch durchdachten Schreibweise des Autors. Axel Petermann kommentiert seit einem Jahr die Gütersloher-Crime-Geschichten exklusiv in der Neuen Westfälischen. Im kommenden Frühjahr wird der bekannte Fallanalytiker, der sich auch intensiv mit den ungeklärten heimischen Mordfällen (Nelli Graf und Ingrid Amtenbrink) beschäftigt hat, eine Lesung in Gütersloh abhalten. »Im Auftrag der Toten« ist im Heyne Verlag erschienen.