Marten Neubau Gütersloh - Interview

Die Schornsteine der stillgelegten Fleischfabrik Marten in der Gütersloher Innenstadt ragen in diesem Sommer verlassen in den Himmel. Außer Gras wächst auf den mehr als 12.600 Quadratmetern direkt hinter dem Gütersloher Marktplatz nichts mehr. Aber es gibt Pläne für neues Leben, Familien, Gastronomie und eine Menge Wohnraum. Doch den beiden Planern für die Neugestaltung des Marten-Geländes, steht ungewöhnlicher Widerstand entgegen. Was wollen Politik, Verwaltung und Gütersloher Bevölkerung?

Grund genug für Matthias Kirchhoff vom Lifestyle Magazin Carl an richtiger Stelle nachzufragen, um zu erfahren, was Daniel Nottbrock und Stefan Heimann, die beiden Geschäftsführer der Asset Besitz GmbH aus Rheda-Wiedenbrück für das Marten-Areal planen.


Matthias Kirchhoff: Sucht man nach Lost Places in Gütersloh, dann ist das hier wohl eines der bekanntesten
Pflaster in unserer Stadt. Warum verrottet hier in bester Lage das Baugrundstück?

Daniel Nottbrock: Wir haben das Grundstück hier an der Bismarckstraße und die alte Marten-Immobilie im vergangenen Jahr erworben mit dem klaren Ziel, neuen innerstädtischen und bezahlbaren Wohnraum in Gütersloh zu schaffen. Mit den Planungen sind wir Anfang des Jahres auf Politik und Verwaltung zugegangen. Uns wurde von beiden Seiten Unterstützung zugesagt. Doch mittlerweile gibt es Gegenwind aus der Politik und der Bevölkerung – daher stockt das Planungsverfahren leider.

Stefan Heimann: Das Grundstück ist natürlich ein Sahnestück in der innerstädtischen Quartiersentwicklung. Zentral gelegen, direkte Anbindung an die Fußgängerzone, ein abgeschlossenes Quartier. Diese Chance gibt es für eine Stadt nicht so oft. Deswegen haben wir mit dem Gütersloher Architektenbüro Grube bewusst einen lokalen Partner gewählt, der zusammen mit unserem Know-How als europaweiter Immobilieninvestor einen Mehrwert für Gütersloh schafft.

Matthias Kirchhoff: Was genau haben Sie geplant?

Stefan Heimann: Politischer Wunsch für die Quartiersentwicklung ist es, möglichst viel Wohnraum zu schaffen. Im gesamten Kreisgebiet fehlen mehr als 10.000 Wohnungen in allen Qualitäts- und Preisstufen. Diese Vorgabe haben wir in unserer Planung aufgriffen. Mittlerweile planen wir auf dem gesamten Gelände 300 Wohneinheiten. Dazu kommen Gastronomie und Spielmöglichkeiten für Kinder und Familien.
Matthias Kirchhoff: Also entsteht hier keine so genannte Tönnies-Siedlung?

Daniel Nottbrock: Sehr klar gesagt: Nein! Im Gegenteil: Es ist ein Mix aus 3- bis 5-Zimmerwohnungen für Familien, luxuriösen Penthouse-Appartements, sozialem Wohnraum mit 1- und 2-Zimmer-Appartements sowie Onboarding-Wohnungen.

Matthias Kirchhoff: Also ist gar nicht geplant hier einfach nur Tönnies Mitarbeiter unterzubringen?

Daniel Nottbrock: Die Mitarbeiter bei Tönnies sind ja freie Menschen. Der weit überwiegende Teil der Beschäftigten wohnt in privat angemieteten Wohnung. Natürlich können sich Mitarbeiter auch auf die geplanten Wohnungen im Marten-Quartier bewerben. Aber, um das nochmal zu unterstreichen: Es wird keine Tönnies-Siedlung, sondern ein Wohngebiet für alle interessierten Gütersloher. Uns ist ein guter Mietermix wichtig. Von daher ärgert es uns sehr, wenn hier vorverurteilt und von Einzelnen von Ghettoisierung gesprochen wird oder vertraglich geregelt werden soll, wer dort einziehen darf und wer nicht. Wir wollen stattdessen gemeinsam mit der Politik in einem offenen Miteinander ein Vorzeige-Projekt errichten.

Matthias Kirchhoff: Und trotzdem rumort es im Rathaus. Hätten Sie da nicht mit mehr Unterstützung aus Politik und Verwaltung gerechnet?

Daniel Nottbrock: Als Asset realisieren wir jedes Jahr mehrere Immobilienprojekte in ganz Deutschland und darüber hinaus. Jeder Interessierte kann sich in Berlin, Leipzig oder Kitzbühel anschauen, mit welcher Qualität wir arbeiten –  das gilt übrigens auch für Gütersloh. Und natürlich rechnet man hier mit der vollen Unterstützung aus Politik und Verwaltung.

Stefan Heimann: Wir haben in Gütersloh in den vergangenen Jahren erfolgreich Büros, Wohnhäuser und Kinderbetreuungseinrichtungen realisiert, kaufen ältere Häuser und verbessern ihren Standard. Aktuell planen wir gemeinsam mit Architekt, Verwaltung und Gestaltungsbeirat ein prägendes Innenstadtprojekt – und zwar einvernehmlich im Interesse der Stadt.

Daniel Nottbrock: Und trotzdem meint der ein oder andere in Gütersloh, dass ein Unternehmen, das der Familie von Clemens Tönnies gehört, nichts Gutes im Schilde führt. Nur bekomme ich mit notorischen Nörglern keine Veränderung hin. Wir wollen gerne bauen und einen Mehrwert für Gütersloh schaffen. Davon profitiert doch die gesamte Stadt, wenn so ein Vorzeige-Quartier entsteht. Dazu stehen wir mit Verwaltung und Politik im Gespräch. Sollte es, wie in der Ratssitzung kommuniziert, schon im Vorfeld Ängste bei einzelnen Anwohnern geben, dann gehen wir auch hier gern in den Dialog, um darüber aufzuklären und diese unbegründeten Ängste zu nehmen.

Matthias Kirchhoff: Ich möchte gerne noch einmal auf die Planungen zurückkommen. Was genau wollen Sie denn nun auf dem ehemaligen Marten-Gelände errichten?

Stefan Heimann: Auf der Grundfläche von 12.600 Quadratmetern haben wir fünf Baukörper geplant, die unabhängig voneinander stehen und einen einladenden Innenhof bilden. Aus der Politik kam sogar der Hinweis, zu prüfen, ob die Gebäudehöhe noch erweitert werden könne, um auf diese Weise, angepasst an die Nachbarschafts-Immobilien, weiteren Wohnraum zu schaffen. Im Erdgeschoss ist Tagesgastronomie mit Café und Spielplatz vorgesehen.

Daniel Nottbrock: Wie bereits positiv von Teilen der Politik und Verwaltung gewürdigt, so würden wir gerne auch die Integration einer Kita in eins der Gebäude aufnehmen, wenn die Stadt hierzu den Bedarf sieht.

Matthias Kirchhoff: Dafür muss doch sicher das alte Gebäude komplett abgerissen werden?  Gilt das auch für den ehemaligen Verwaltungsbau?

Stefan Heimann: Wir haben sehr genau geprüft, ob das ehemalige Verwaltungsgebäude erhaltenswert ist und dafür auch Fachleute der oberen Denkmalbehörde dazu gebeten, die das Gebäude übrigens nicht als denkmalgeschützt oder erhaltenswert eingestuft haben. Die Gebäudesubstanz gibt einen Erhalt ebenfalls nicht her.

Matthias Kirchhoff: Woran hakt es dann noch?

Daniel Nottbrock: Das fragen wir uns auch! Wir stehen als regionaler, bekannter Investor bereit, rund 60 Millionen Euro in das Marten-Carré zu investieren. Wir wollen urbanen Wohnraum errichten, den alle Fraktionen im Rat der Stadt Gütersloh fordern. Das Einzige, was wir von der Stadt fordern, ist eine unbürokratische Realisierung. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch und sind für jedermann öffentlich einsehbar. Jetzt müssen Rat und Verwaltung entscheiden, ob sie das Quartier mit uns entwickeln wollen.

Matthias Kirchhoff: Eine Forderung der Politik ist es ja nach wie vor, einen Wettbewerb auszurufen.

Stefan Heimann: Ein Wettbewerb ist dann sinnvoll, wenn ich nicht weiß, was ich will. Das ist hier anders, denn das Ziel ist klar: Wohnraum. Natürlich können wir mit der Verwaltung über Fassadenfarbe, Dachneigung oder Gebäudehöhen sprechen. Zudem sind wir gerne bereit, wie bereits dem Planungsausschuss mitgeteilt und auch in der Presse veröffentlicht, in einem dialogischen Verfahren mit Workshops die Belange der Bevölkerung zu diskutieren. Dafür braucht es aber keinen Wettbewerb, der auf Kosten des Investors und letztlich der Mieter geht und Zeit vergeudet.

Matthias Kirchhoff: Auf dem Lageplan sind »Service-/Werkswohnungen« und »Boardinghaus« eingezeichnet. Sind das dann die Tönnies-Wohnungen?

Daniel Nottbrock: Ja, aber nicht ausschließlich. Gütersloh ist eine Stadt mit vielen großen Unternehmen. Die Boardinghaus-Wohnungen richten sich zum Beispiel an neue Geschäftsführer und Führungskräfte, die für den Übergang eine neue Wohnung suchen. Das gilt zum Beispiel auch für Studierende oder Handwerker, die auf einer Montage hier sind. Sprich alle, die zum Start oder nur temporär eine Wohnung suchen. Übrigens: In diesem Gebäude könnten wir uns in der obersten Etage eine Kita vorstellen - dafür gibt es sogar schon eine konkrete Anfrage.

Matthias Kirchhoff: Dann bleibt für mich nur noch die Frage: Was ist ihr Angebot an die Gütersloher?

Daniel Nottbrock: Gütersloh hat die Gelegenheit, einen großen Schritt in der Errichtung von neuem Wohnraum zu machen und gleichzeitig die Innenstadt attraktiver zu gestalten. Wir wollen aus der Industriebrache das Marten-Carré für die Gütersloher entwickeln. Hier soll kein Unkraut mehr wachsen, sondern Menschen leben, Kinder spielen und Kulturen mit Freude zusammenkommen.

Soviel sei jetzt schonmal verraten: Carl bleibt im Dialog im Thema Marten-Carré.

Matthias Kirchhoff: »Wir haben mit dem Magazin Carl bereits sehr viele solcher beeindruckenden Projekte begleitet und wissen daher, ein solch besonderes Vorhaben zu schätzen. Damit so etwas für den Investor wirtschaftlich funktioniert, benötigt dieser die unbürokratische Unterstützung aus Politik und Verwaltung – in diesem Sinne, freuen wir uns für all die neuen Bewohner des Marten-Carré.