Carl History: Königstraße No.2

In Gütersloh gibt es ja leider nicht soviel historische Bausubstanz wie in anderen Städten. Daher fallen »alte« Häuser im Stadtbild besonders auf. Mitten in der Stadt an der Ecke Königstraße/Berliner Straße findet sich einer dieser eindrucksvollen Schätze: Das Haus Königstraße No. 2 – vielen älteren Gütersloher auch noch als »Moccahaus« bekannt. Wir erzählen Euch seine Geschichte und haben dazu auch mit dem Besitzer gesprochen.

Die Stadt sah vor 150 Jahren noch komplett anders aus und an der Stelle des heutigen eindrucksvollen Baus stand ein kleines Haus mit einem weit in die Königstraße vorspringenden Garten. (Hier stand übrigens auch ein sehr beliebter Birnbaum, dessen Früchte vorbeigehende Schüler sehr gerne stiebitzten.) Die Stadt wollte diesen Garten unbedingt erwerben, um die bis dahin sehr schmale Königstraße repräsentativ auszubauen, der Besitzer, ein Herr Bergmann, weigerte sich jedoch. Mit einem Scheinkauf durch den Kaufmann Heinrich Köhne, der im Haus ein Konfektionsgeschäft und eine Schneiderei hatte, konnte der Garten von der Stadt übernommen werden.

1880 ging das Haus in den Besitz des Kaufmanns Carl Müller über. Er eröffnete 1889 einen Feinkost- und Kolonialwarenhandel. Sein Sohn Clemens übernahm 1903 den Betrieb und investierte in einen Neubau – das Haus, das heute noch dort steht. Der mehrgeschossige Massivbau wurde vom Architekten Scherbaum geplant und beeindruckt durch reiche Gesims- und Stuckverzierung, u.a. ein weiblicher und ein männlicher Halbakt an der obersten Hausecke.

Im Erdgeschoss befanden sich auf 192 Quadratmeter Fläche drei Ladengeschäfte, darüber zwei Wohngeschosse und ein Dachgeschoss. Der Bau des Hauses kostete 63.200 Reichsmark. In diesem repräsentativen Haus eröffnete Clemens Müller 1903 seine Weinhandlung, in der es auch Kolonialwaren und Delikatessen, wie etwa chinesischen Tee, gab. Übrigens war auch der Fahrradladen Reipschläger hier bis 1986 ansässig.

1933 übernahm Burkhard Müller den Feinkostladen. Da die Ehe mit seiner Frau Hedwig kinderlos blieb, schloss das Geschäft. 1959 wurde die Königstraße 2 dann der Standort des Moccahauses und von Europa-Schmuck. Leider wurde die Schaufensteranlage modernisiert, indem man die ursprünglichen schönen Bögen hinter einer »modernen« Metallfassade versteckte, was dem Charme des Hauses enormen Abbruch tat.

Die Geschäftsräume wurden 1986 von der Parfümerie Douglas übernommen. Diese hatte sich bereit erklärt, die historische Fassade des Hauses wieder herzustellen. Gleichzeitig zog auch Süßwaren Hussel – ebenfalls zur Douglas Holding gehörend – in die Geschäftsräume ein. Das Moccahaus landete in der Fuhrmannsgasse. 1993 übernahm Douglas die gesamte Ladenfläche. Nachdem die Parfümerie in das schräg gegenüberliegende Gebäude ausgewichen war, zog das nächste Unternehmen der Douglas Holding – Juwelier Christ – ein. Die Besitzerin des Hauses, die Witwe Hedwig Müller, verstarb im Jahr 2005 und das Gebäude wurde vom neuen Besitzer unter den strengen Auflagen des Denkmalamtes liebevoll saniert. So wurde das Treppenhaus originalgetreu wieder hergestellt, ebenso wurden die Bleiverglasungen nach alten Vorlagen rekonstruiert. Von außen besteht noch Nachholbedarf, doch von innen ist das Haus an der Königstr. 2 ein wahres Schmuckstück geworden. Und wer auf der Suche ist:  Die 1- (Büro-) Etage sucht noch einen Mieter.