Plötzlich Heimarbeiter

Seit knapp zwei Monaten bestimmen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens durch die Corona-Krise unseren Alltag. Für viele Menschen in Unternehmen bedeutete dieser Einschnitt einen plötzlichen Wechsel aus der gewohnten Arbeitsumgebung rein ins Homeoffice. Zuhause mit dem Laptop am Küchentisch oder am Schreibtisch ergeben sich viele neue Herausforderungen für PC-Arbeiter. Beginnend mit der Organisation der eigenen Arbeit über das Verschwimmen der Grenzen zwischen Beruf und Privatleben bis hin zu rechtlichen und technischen Stolpersteinen reichen die drängenden Fragen. Klasse, dass die Antworten nur einen Anruf weit entfernt sind! Für das Projekt »Pro Homeoffice« engagieren sich Experten aus ganz Deutschland ehrenamtlich, um Menschen in Unternehmen über eine Hotline kompetente Hilfe zum mobilen Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Die Gütersloherin Dr. Alexandra Heinzelmann leitet die Initiative und gewährte uns vom Carl interessante Einblicke in die moderne Heimarbeit. 

Im März hatte die Bundesregierung unter Schirmherrschaft von Kanzleramtsminister Helge Braun dazu aufgerufen, sich an einem  »Hackathon« unter dem Titel »WirVsVirus« zu beteiligen, um zusammen an Lösungen für die Corona-Krise zu arbeiten. Aus diesem digitalen Beteiligungsprozess, an dem in 48 Stunden mehr als 43.000 Menschen teilgenommen haben, entstand als eines von vielen Projekten die Initiative »Pro Homeoffice«. Die Idee dahinter: Unternehmen, die plötzlich und ohne große Vorbereitung die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiter in die eigenen vier Wände verlegen mussten, solidarisch und kostenlos zu unterstützen. Denn tatsächlich ist dieser Umbruch eine echte Herausforderung für Führungskräfte und Teams, die sich um die Organisation kümmern. Die gewohnte Umgebung, bekannte Strukturen und Kollegen sind plötzlich nicht mehr da, persönliche Absprachen im Büro oder am Kopierer entfallen, Teammeetings finden nur noch online statt. Der einzelne Mitarbeiter muss sich vielmehr als bisher selbstständig organisieren, seinen Arbeitstag planen und dies mit Kinderbetreuung und anderen privaten Verpflichtungen unter einen Hut bekommen. Was viele Unternehmen und Homeoffice-Arbeiter nicht wissen: an den gegenseitigen Rechten und Pflichten ändert sich durch die Verlagerung des Arbeitsplatzes nichts. So ist zum Beispiel der Arbeitgeber verpflichtet, zu Hause dieselbe Ausstattungsqualität wie im Unternehmen sicher zu stellen. Das kann zum Beispiel auch über geliehene Büromöbel passieren, in jedem Fall sollten diese ergonomisch sein. Technische und digitale Lösungen sind natürlich auch zur Verfügung zu stellen, außerdem muss die Sicherheit der Daten auch im heimischen Wohnzimmer gewährleistet bleiben. Der Arbeitnehmer hingegen darf sich seine Arbeitszeit nun nicht einfach frei einteilen, sondern ist an die Arbeitszeitregelungen gebunden. Ein kostenloses Starterkit zum Einrichten eines Homeoffice-Arbeitsplatzes und Vorlagen für vertragliche Vereinbarungen finden Interessierte übrigens auf der Homepage von »Pro Homeoffice«.

Sobald alles eingerichtet ist, kann es endlich losgehen. Wer von Zuhause tätig ist, braucht Disziplin! Am Morgen ist es sinnvoll, sich alle Aufgaben für diesen Tag zu notieren und den Ablauf zu planen. Auf diese Weise ist es am Ende des Arbeitstages einfacher, Erfolge zu feiern und zu sehen, was noch offen geblieben ist. Wer im Homeoffice arbeitet, sollte den Arbeitsbereich und den Lebensbereich voneinander abgrenzen. Nur so ist es möglich, in den Feierabend zu gehen. Wer kein eigenes Büro hat, kann sich mit Hilfe eines täglichen Rituals innerlich vom Schreibtisch verabschieden. Neben der Arbeit sollten sich Zuhause-Arbeiter auch private Rituale in den Tag einbauen, die ihnen gut tun: Pausen und gesundes Essen, Spaziergänge an der frischen Luft und sportliche Betätigung. Dieser Ausgleich ist für den Erhalt der eigenen Gesundheit sehr wichtig.

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen unterliegt ebenfalls anderen Gesetzmäßigkeiten als im Großraumbüro. In der mobilen Arbeit sind digitale Tools eine sehr gute Hilfe, um Aufgaben zu teilen und Erfolge zu feiern. Hier verrät uns Dr. Alexandra Heinzelmann einige kostenlose Anwendungen wie »Trello« oder »Slack«. Für welches Tool man sich auch im Team entscheidet, die Kommunikation untereinander darf nicht abbrechen, sie muss auf anderen Wegen als bisher sichergestellt werden. Wer sich auf Sitzungen wie auch Online-Meetings gut vorbereitet, nutzt diese wertvolle Zeit zum Austausch mit anderen am besten aus. Jeder im Team sollte wissen, wofür er oder sie zuständig ist und an präzisen Aufgabenpaketen arbeiten. Die morgendlichen Kurzbesprechungen mit allen (5 Minuten!) sorgen dafür, sich gegenseitig auf den aktuellen Stand zu bringen. Wenn das Team es trotz fehlender örtlicher Nähe schafft, die gute Stimmung aufrecht zu erhalten, ist das der beste Garant für Erfolg im Homeoffice. Dazu kann auch eine virtuelle Kaffee-Ecke beitragen, in der sich alle regelmäßig ohne Agenda treffen können.

Besonders als Führungskraft sollte man sichtbar, wertschätzend und unterstützend sein. Die sogenannte »Digitale Führungskultur« verlangt Verantwortlichen in den Unternehmen andere Kompetenzen als bisher ab. Wenn die Mitarbeiter nicht mehr persönlich vor Ort sind, spielt Vertrauen eine größere Rolle als Kontrolle. In Projekten liegt viel mehr Eigenverantwortung auf den Schultern der einzelnen Mitarbeiter, sich proaktiv Informationen zu beschaffen und auch zu dokumentieren, welche Aufgaben erledigt wurden. Die Kooperation untereinander gewinnt einen höheren Stellenwert, denn nur wenn alle zusammenhalten, ist die räumliche Distanz verkraftbar. Gleichzeitig gehört eine großzügige Kultur dazu, in der Fehler nicht als Störfaktoren, sondern als Lernmöglichkeiten angesehen werden. Gerade in solchen Umbruchzeiten wie der aktuellen Krise trägt es zum möglichst stressarmen Zusammenarbeiten bei, wenn auch Unvoll-
kommenes und Provisorisches einkalkuliert wird. 

Wir vom Carl finden, mit diesen Expertentipps und der Unterstützung durch das »Pro Homeoffice« -Team kann am heimischen Laptop nichts mehr schiefgehen.