Gütersloh nach corona

Als Unternehmer ist man in dieser Zeit doch arg gebeutelt. Die Einzelhändler mussten lange Zeit ihre Pforten schließen, die Gastronomie ist ausnahmslos geschlossen, lange Haare wurden zum Standard und die Gewichtszunahme erfreut sich auch großer Beliebtheit, denn Schönheits-, Haar- oder Fitnessstudio dürfen nur bedingt ihre Türen öffnen. Auch der Bereich des Publikumsverkehrs ist quasi zum Erliegen gekommen. Bars, Clubs, Kneipen, Konzerthäuser, Theater, Museen oder ähnliche Einrichtungen sind auf »Null« gesetzt. Nur systemrelevante Berufe und Branchen dürfen Ihre Dienste fortführen. Wie der Lebensmittelhandel, Apotheken, Sanitätshäuser, Krankenhäuser, Ärzte, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Zeitungsverkauf, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte und der Großhandel. Auch der Handwerker darf weiterarbeiten. Allen anderen geht es in der Tat wirklich nicht gut. Von jetzt auf gleich sind die Einnahmen weggebrochen, Kurzarbeit wurde angemeldet und die Corona-Hilfszahlungen sind auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Und wer keine KFW-Mittel bewilligt bekommt, dem droht sogar die Pleite. Auch der Stress in den Familien ist immens gestiegen, denn die viele Zeit, die man durch Homeoffice & Co. gemeinsam mit seinen Liebsten verbringt, ist nicht immer förderlich. Streitigkeiten, Reibereien sind an der Tagesordnung und ja, sogar die Scheidungsrate ist stark angestiegen – das macht mich schon nachdenklich. Als ich vor einigen Tagen einen Artikel eines Zukunftsforschers über die Zeit nach Corona gelesen habe, kam mir der Gedanke, wie denn wohl in Gütersloh die Zukunft nach der Corona aussehen könnte. Anfänglich dachte ich – oh mein Gott, das sieht wirklich übel aus, aber bei genauerem Hinsehen gibt es doch Anlass die Zukunft nach der Krise positiv zu sehen. Und wenn ich mir vorstelle, dass wir im August oder September wieder im Straßencafe Miners chillen, unter einem Sonnenschirm vor dem Bankery sitzen oder unter den Palmen im BarCeLona entspannen, kommt bei mir wieder gute Stimmung auf. Dann genießen wir mit der Familie die Sonne, trinken einen Cappucino oder lassen es uns im Biergarten des Greens mit Freunden bei einem kühlen Blonden richtig gutgehen und freuen uns gemeinsam darüber, wie gut die Menschen in Gütersloh mit der Krise umgegangen sind. Und dass es so entspannt sein wird, ist gar nicht so abwegig, denn nach dem »Lockdown« wurde alles ein wenig leiser, weniger hektisch, weniger zwanghaft - einfach entschleunigt. Wie gut hat es doch getan, nicht mehr reflexhaft bei jedem Klingelton zum Handy zu greifen oder permanent in den Social-Media-Kanälen unterwegs zu sein. Auf einmal bekamen die Menschen Lust, wenn auch nur allein oder mit der Familie, sich an der frischen Luft zu bewegen. Spaziergänge, Joggen und Fahrradfahren ersetzten das Fitnessstudio und sorgten für gute Laune.

Es wurde nämlich auf die Dauer langweilig, fremde Menschen im Jogginganzug in ihrem Homeoffice zu sehen. Da machte selbst die Vogue-Chefin Anna Wintour keine Ausnahme und meinte sich im Jogger zeigen zu müssen. A propos Homeoffice –überraschend gut klappte auch die Verlagerung der Arbeit in die eigenen vier Wände. Gut – manche hatten vielleicht etwas zu viel Ablenkung durch die Kids oder den »nervenden« Partner, der ebenfalls zu Hause bleiben musste. Andererseits – wann hatte man in den letzten Jahren mal so intensiven Kontakt zur eigenen Familie. Es blieb sogar Zeit für einen kleinen Plausch mit den Nachbarn – natürlich in gebührendem Abstand. Selbst Telefonate mit Freunden und Verwandten waren wieder absolut in und Facetime wurde zum Dauerbrenner.

Die Stadt Gütersloh zeigte, zu was sie in der Lage ist. Das Rathaus stellte nicht nur ständig aktuelle Nachrichten auf ihre Homepage, sondern hatte das Krisenmanagement in Corona-Zeiten über alle Kanäle bestens im Griff. Aktuelle Videos und Streams von Bürgermeister Henning Schulz inklusive. In dringenden Fällen kann man in persönlichen Terminen bei der Stadt seine Anliegen klären. Und der Kreis Gütersloh hatte für uns immer die aktuellen Infektionsdaten parat. Die Gütersloher Verkehrsbetriebe und die Stadtwerke stellten öffentliche Beförderungsmöglichkeiten sicher und sorgten permanent für anhaltende Energie und frisches Wasser. Selbst der Müll wurde entsorgt. Das empfindet der Mensch zwar oft als selbstverständlich, es bedarf aber vieler fleißiger und, in Corona-Zeiten, unerschrockener Mitarbeiter.

Auch die Gütersloher Feuerwehr, die Krankenhäuser und die Pflegeeinrichtungen waren bestens auf die Pandemie vorbereitet und haben sich mit enormem Einsatz gegen die Pandemie gestemmt. Seien wir doch mal ehrlich, die meisten Gütersloher hätten nicht mit diesen Helden tauschen wollen, deshalb gibt es von meiner Seite aus den allerhöchsten Respekt. Vor allem da ich aus dem Freundeskreis weiß, dass manch einer wegen der hohen Ansteckungsgefahr mit »Todesängsten« zur Arbeit ging. Es zeigt uns aber, wozu der Gütersloher in der Lage ist, wenn es wirklich drauf ankommt. Das können wir diesen Mitmenschen gar nicht hoch genug anrechnen und es freut mich, dass diese Berufe jetzt einen ganz neuen Stellenwert bekommen – und bitte auch ein höheres Gehalt!

Übrigens: Zur Unterstützung nahm im Carl-Miele-Berufskolleg das Corona-Behandlungszentrum der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) in Gütersloh ebenfalls seine Arbeit auf.

Es war wenig los in der Innenstadt. Da schaute man dann nicht nur in der Berliner Straße einfach geradeaus in Leere, sondern auch mal an den Gebäuden hoch. Ist Euch dabei nicht auch aufgefallen, welch schöne Fassaden in dieser Straße zu finden sind? In den Schaufenstern wechselten die Ladeninhaber trotz allem regelmäßig die Dekoration und wer Lust bekam, etwas zu kaufen, der musste nur anrufen und bekam neue Mode, Dekoration oder Bücher per Lieferservice direkt zur Haustür gebracht – und das meist nur einen Tag nach der Bestellung. Wer braucht da eigentlich Amazon oder Zalando? Dann kreieren wir doch lieber mal einen Hashtag #supportyourlocal. Lieferservice bot aber nicht nur der Einzelhandel. Auch Lebensmittelhändler, wie Schenke, Fleischerei Müller oder Sträter lieferten bestellte Einkäufe ruckzuck aus. Selbst Rewe hatte einen speziell gesonderten Abholbereich eingerichtet. Das Sicherheitsunternehmen Safe T stellte seinen Dienstleistungen komplett um und unterstützt jetzt viele Kunden bei der Durchführung von Hygienemaßnahmen. Und bei herrlichstem Frühlingswetter konnte man sogar sein Spaghetti-Eis bei diversen Eisdielen nach Vorbestellung abholen und genießen – geht doch!!! Auch den Medien muss ich ein Kompliment ausrichten. Radio Gütersloh und die Gütersloh Marketing GmbH unterstützten Einzelhändler, Unternehmen und Jobsuchende mit der Plattform www.radiogueterslohhilft.de. Und die Tageszeitungen präsentierten Listen über die in dieser Zeit weiter aktiven Unternehmen. Versteht sich von selbst, dass wir von Carl natürlich auch mehr als unterstützend tätig waren, aber wir machen das bewusst im Stillen, wie viele andere auch. Das Theater Gütersloh reagierte auch sehr kreativ auf die unfreiwillige Spielzeit-Pause und entwickelte kurzfristig ein digitales Theaterstück. »Corona zu zweit« wurde am 9. April digital uraufgeführt. »Die Konferenz der Kuscheltiere« ging am 26. April online. Wer das Theater unterstützen wollte, konnte ein virtuelles Ticket buchen. Auch der neue Spielplan ging online, der Abovorverkauf soll, unter Vorbehalt, am 16. Mai, und der Einzelkartenverkauf am 20. Juni starten – gut gemacht!

Einfallsreich waren auch unsere Gütersloher Fitnessstudios, wie zum Beispiel der Sportpark Elan. Dieser streamte regelmäßig unterschiedlichste Trainingsvideos über das World Wide Web und sorgte so für die Fitness ihrer Mitglieder in den eigenen vier Wänden. Davon abgesehen, habe ich noch nie so viele Menschen joggen und radfahren sehen – hätte ich vielleicht selbst auch mal machen sollen, um nicht noch mehr Corona-Speck anzusetzen. Was ich ebenfalls ganz bemerkenswert fand, die Menschen waren auf einmal nicht mehr so dünnhäutig, man war geduldig und sogar bereit in vielen Situationen zu warten. Und man glaubt es kaum, ein Lächeln auf der Straße oder ein Gruß zwischen Wildfremden wurde fast zur Selbstverständlichkeit. Und das bei uns Ostwestfalen - Sachen gibt’s. Und so hat die Corona-Krise – bei all ihrem Leid, das sie wirklich mit sich gebracht hat – doch auch sehr viel Gutes bewirkt. Die Gütersloherinnen und Gütersloher können auf jeden Fall stolz darauf sein, wie sie mit der Pandemie umgegangen sind. Und vielleicht können wir alle aus der Krise lernen und die ein oder andere nützliche Sache dauerhaft übernehmen. Wie zum Beispiel die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, beim Einkaufen, oder dort wo sich viele Menschen bewegen, einfach mal aus Eigenverantwortung auch nach Corona einen Mundschutz tragen, um seine Mitmenschen nicht mit anderen Erkältungskrankheiten oder grippalen Infekten anzustecken – das wünschen sich doch sicher alle! Mich persönlich würde es am meisten freuen, wenn die in dieser Zeit entdeckte Kreativität und der Zusammenhalt der Gütersloher weiter anhält und in der Zukunft der rücksichtsvolle und freundliche Umgang miteinander zur Normalität wird. Und bitte seid mir nicht böse, wenn ich nicht alle betroffenen Unternehmen und aktiven Personen, nennen konnte. Es waren einfach zu viele – in diesem Sinne: Wir lesen uns.

Matthias Kirchhoff · Inhaber GüterslohTV und Herausgeber Lifestyle Magazin Carl