ALICE COOPER - NO MORE MR NICE GUY

Das ist die neue spektakuläre Interviewreihe im Lifestyle Magazin Carl. Ab sofort werden wir für Euch Superstars, Altstars, Pop- u. Rockgrößen, Comedians und SchauspielerInnen interviewen und das Ganze mit Tourdaten versehen zu einem echten HighLight für Euch machen.Coming soon: Simply Red, Kelly Family, Helge Schneider, Mario Barth, Jan Josef Liefers und viele Andere.

Alice Cooper ist verewigt in der Rock and Roll Hall of Fame und hat einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame. 2019 ist er mit dem SWR3 Lifetime Award ausgezeichnet worden. Der Begriff »Schock-Rocker« wurde eigens für ihn kreiert. In seinen spektakulären Bühnenshows lässt der Sänger sich köpfen und aufschlitzen, dazu singt er Hits wie »Welcome To My Nightmare« und »Poison«. Seine aktuelle Platte »Breadcrumbs« hat er zusammen mit Mark Farner von Grand Funk Railroad und Wayner Kramer von MC5 eingespielt. Wir vom Lifestyle Magazin CARL sprachen mit Alice Cooper alias Vincent Damon Furnier, 71, über seine diesjährigen Tourneen mit einem Sinfonieorchester und den Hollywood Vampires featuring Johnny Depp CARL: Ihre neue Soloplatte heißt »Breadcrumbs« (dt.: Semmelbrösel) und ist eine Hommage an die Rockhelden aus Detroit. Sind Sie gerade dabei, Ihre Wurzeln wiederzuentdecken?

Cooper :
Ich wollte einmal etwas für meine Heimatstadt tun. Damals teilte die Alice Cooper Band sich die Bühne mit jungen Gruppen wie Iggy & The Stooges, The MC5 und The Who. Wir sind regelmäßig in Clubs aufgetreten. Heute ist mir mehr denn je bewusst, was das für eine besondere Zeit war. Keiner von uns war reich, wir haben alle am Rande des Existenzminimums gelebt. Rückblickend kann man mit Fug und Recht sagen, dass Detroit die Heimat des Hardrock war. Alle Bands aus dieser Stadt klangen sehr hart. Auf diese Feststellung lege ich großen Wert, deshalb habe ich auch die »Breadcrumbs«-EP gemacht. Darauf werde ich exklusiv von Musikern aus Detroit begleitet. Die Musik hat einen Rhythm'n'Blues-Einschlag, was typisch ist für den Detroit-Sound. Wenn man dort als Hardrocker auf einer Bühne stand, konnte man im Publikum legendäre Motown-Musiker wie Smokey Robinson oder Stevie Wonder sehen. Und wir sind wiederum auf deren Konzerte gegangen. Die Künstler aus Detroit waren eine große Bruderschaft. So erklärt sich auch, dass unser Rock'n'Roll vom Rhythm'n'Blues infiziert war.

CARL: Auf dem »Breadcrumbs«-Minialbum covern Sie Songs von Bob Seger, Suzi Quatro, The MC5 und Mitch Ryder. Was bedeuten Ihnen diese Künstler?

Cooper: Einerseits sind das alles Freunde von mir. Auf der anderen Seite habe ich mir gezielt Songs ausgesucht, denen ich gerecht werden kann. Zum Beispiel habe ich bei »Your Mamma Won't Like Me« versucht, so zu singen wie die Originalinterpretin Suzi Quatro. Und Mitch Ryders »Devil With A Blue Dress« habe ich verlangsamt und daraus einen Blues-Song gemacht. Die Nummer geht über in »Chains Of Love« von der Streetpunkband Dirtbombs aus Detroit. Die waren sicher sehr überrascht, als sie hörten, dass ich einen ihrer Songs aufgenommen habe. Und von Bob Seger habe ich »East Side Story« gecovert, einen der ersten Titel, die er je geschrieben hat. Als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte, stellte sich heraus, dass er völlig vergessen hatte, diesen Song jemals geschrieben zu haben. Ich bin sehr glücklich, wie die Aufnahmen zu dieser Platte sich entwickelt haben.

CARL: Haben Sie auch etwas von Iggy & The Stooges aufgenommen?

Cooper: Bislang noch nicht. Es könnte aber passieren, dass wir noch mehr Detroit-Songs aufnehmen. Iggy Pop hat eine ähnliche Herangehensweise an Musik wie ich. Auch er jettet immer noch um den Planeten. Leute wie wir sind einfach nicht unterzukriegen. Voriges Jahr habe ich in England sogar ein paar Shows mit dem Gitarristen Wayne Kramer von The MC5 gespielt. Es ist cool, sich wieder mit alten Freunden zusammenzutun. Ich hatte ganz vergessen, was für ein guter Gitarrist Wayne ist.

CARL: Der Drummer auf der Platte ist Johnny »Bee« Badanjek. Er hat in den Sechzigerjahren mit Mitch Ryder & The Detroit Whels gespielt und wurde von Kritikern als unbekanntes Genie bezeichnet.

Cooper: Johnny Bee ist für mich der Detroit-Drummer schlechthin. Unter Musikern genießt er einen legendären Ruf, weil niemand so spielt wie er. Johnny erinnert mich ein wenig an Charlie Watts von den Rolling Stones. Ich weiß noch, wie ich ihn fragte, ob er mir einen Schlagzeuger empfehlen könne, der den typischen Detroit-Sound verinnerlicht hat. Da antwortete er: »Du sprichst gerade mit diesem Mann!« Die EP ist übrigens ein Vorgeschmack auf das nächste Studioalbum von mir, welches ausschließlich eigenes Material enthalten wird. Ich kann mir nicht vorstellen, nur noch alte Songs aufzunehmen.

CARL: Sie sind der Hauptact bei der diesjährigen Rock-meets-Classic-Tour. Wie fühlt es sich an, in Orchesterklängen zu baden?

Cooper: Ich habe das schon einmal getan. Wenn man seine eigenen Songs wie »Poison«, »School's Out« oder »Only Women Bleed« von einem 90-köpfigen Orchester hört, ist das natürlich etwas ganz anderes als wenn eine Rockband sie spielen würde. Es klingt einfach verblüffend. Wir haben zwar auch eine Band dabei, aber ein Orchester verschönert die Songs noch einmal. So was hört man nicht alle Tage.

CARL: Ihr Produzent Bob Ezrin hat einen klassischen Background und kennt sich aus mit Chopin, Mozart und Beethoven. Hat er von Anfang an klassische Elemente in den Alice-Cooper-Detroit-Rock'n'Roll mit eingebaut?

Cooper: Ja, das hat er in die Alice-Cooper-Show mit eingebracht. »Love It To Death« von 1971 war das erste Album, das er für uns produziert hat. Wir waren zuvor eine Band in der Art der Yardbirds. Und dann stieß Bob Ezrin zu uns und reicherte unsere Musik mit klassischen Elementen an. Das hat unseren Sound sehr stark verändert. Für mich ist »Love It To Death« das erste echte Alice-Cooper-Album. Denn die Vorgänger »Pretties For You« und »Easy Action« hatten wir bereits geschrieben, als wir uns noch The Nazz nannten. Unser Debütalbum wurde von Frank Zappa produziert und war überhaupt kein kommerzieller Erfolg. Es klang so bizarr wie es nur geht. Die zweite Platte war ein klein wenig eingängiger, aber nicht viel. Erst Bob Ezrin hatte einen Dreh gefunden, unsere Musik ins Radio zu bringen. Unser erster Hit war »Eighteen«.

CARL: Wie hat Bob Ezrin das geschafft?

Cooper: Der Trick war, unsere Musik einfacher zu machen. Bob hat zum Beispiel den Song »Eighteen« auf sein Grundgerüst reduziert. Zuerst wollten wir nicht auf seine Ratschläge hören, aber mit der Zeit konnte er uns von seinen Ideen überzeugen. Im Nachhinein muss ich sagen, er hatte recht. Heute vertraue ich ihm bedingungslos.

CARL: Werden Sie Ihren ersten Hit auf der »Rock meets Classic«-Tour spielen?

Cooper: Ich denke, ja. Aber auch »School's Out« darf nicht fehlen. Ich möchte darüber hinaus einen neuen Song spielen, der ein orchestrales Arrangement hat. Etwas in der Art von »Might As Well Be On Mars«.

CARL: Spielen Sie den »Madman Alice« auch bei der »Rock meets Classic«-Tour?

Cooper: In dem Moment, wo ich Make-up trage, bin ich die Figur Alice Cooper. Ohne Schminke bin ich lediglich ein Leadsänger. Ich denke, ich werde bei dieser Tour mit Make-up auftreten. Ich mache es gerne so theatralisch wie möglich, auch mit Orchester.

CARL: Ist es wahr, dass Keith Richards von Ihnen wissen wollte, wie Sie den Kampf gegen die Alkoholsucht gewonnen haben?

Cooper: Nicht wirklich. Zuerst einmal nennt Keith mich nicht Alice, sondern Vinnie. Er fragte mich einmal, wie lange ich denn schon trocken sei. Ich antwortete: »Keith, das sind jetzt 37 Jahre«. Er: »Warum?« (Cooper lacht schallend) Keith ist ein verdammt geiler Typ! Ich habe die Stones voriges Jahr in Phoenix gesehen. Ich war überrascht, wie gut sie klangen. Mick war stimmlich in bester Verfassung und Keith und Ronnie Wood haben sich den Arsch abgespielt. Wissen Sie was: Im Rock'n'Roll gibt es keine Altersgrenze. Sie können mit Mitte siebzig immer noch zweieinhalb Stunden auf einer Bühne stehen und rocken, wie Mick Jagger es vormacht.

CARL: Warum spielen Sie nach 50 Jahren im Musikgeschäft immer noch Hardrock?

Cooper: Ich kann mir nicht vorstellen, auf eine Bühne zu gehen und Softrock zu spielen. Meine Figur Alice Cooper ist ein Schurke. Er steht auf Hardrock. Deshalb werde ich niemals sanft klingen. Ohne die Figur Alice Cooper würde ich das Ganze nicht mehr machen.

CARL: Im Sommer gehen Sie wieder mit Johnny Depp und Joe Perry von Aerosmith auf Tour. Sind die Hollywood Vampires das Ende der Ego-Kultur?

Cooper: In unserer Band agieren drei männliche Alpha-Tiere: Johnny Depp, Joe Perry und ich. Aber keiner von uns hat darauf bestanden, es so zu machen, wie er es gewohnt ist. Darüber gab es überhaupt keine Diskussion. Dass drei Alpha-Tiere ohne Streit zusammenarbeiten, ist etwas ganz Besonderes.

CARL: Johnny Depp lässt in seinen Texten den Frust über den öffentlichen Streit mit seiner Ex Amber Heard und den Gerüchten über seinen Gesundheitszustand raus. Wie fühlt es sich an, Depps wütende Tiraden zu singen?

Cooper: Ich bin niemand, der auf Fake News hereinfällt. Als wir mit den Hollywod Vampires erstmals in Moskau spielten, las ich in einer Zeitung, Johnny Depp würde nur noch 55 Kilo wiegen, sei depressiv und trinke zu viel. Aber er saß mir gegenüber und sah in seinem ganzen Leben nie besser aus! Er war in bester Verfassung und kein bisschen depressiv. Alles, was ich über ihn gelesen habe, waren Lügen! Deshalb kann ich verstehen, dass er so wütend ist. Irgend-jemand in der Medienwelt scheint eine Schmierenkampagne gegen ihn beschlossen zu haben. Dabei hat Johnny Depp gerade die beste Zeit seines Lebens! Er spielt Gitarre in einer Band, die aus Leuten besteht, die er sehr gut leiden kann. Johnny liebt es, mit uns zu spielen und auf Tour zu gehen, weil er so diese ganzen schmierigen Sachen kompensieren kann. In diesen Momenten fühlt er sich frei. In seiner Position braucht man eine dicke Haut.