Wie aus einer Brauerei ein Theater wurde Die Paul-Thöne-Halle

 

Bis 2010 hatte Gütersloh gar kein richtiges Theater. Denn das alte Theater, die Paul-Thöne-Halle, war liebenswert, aber immer ein räumlicher und baulicher Kompromiss. Nach der Schließung der alten Spielstätte im Jahr 2003 fanden Aufführungen nur noch in der Stadthalle statt, was mit der Eröffnung des Theaters Gütersloh im März 2010 ein Ende hatte.

Zwar gab es bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts regelmäßige Theateraktivitäten in Gütersloh – allerdings meist auf behelfsmäßigen Bühnen, wie etwa im Katholischen Vereinshaus (dem heutigen Brauhaus). Nach dem Krieg fehlten erst recht geeignete Räumlichkeiten für Theateraufführungen und Filmvorführungen. Doch der im Dezember 1945 gewählte Bürgermeister Paul Thöne, dem klar war, wie wichtig in dieser Zeit Kultur ist, setzte sich für den Aufbau eines Theaters ein. Er beauftragte bereits 1946 den Um- und Ausbau der ehemaligen Brauerei von Richard Plange an der Friedrichstraße zur »Kulturstätte«. Die 1868 errichtete Brauerei hatte bis dahin schon eine abwechslungsreiche Geschichte hinter sich: Das Gebäude diente nach Schließung der Brauerei u.a. als Marmeladenfabrik, Lager für Fleischwaren oder auch als Versammlungsstätte für NS-Jugendorganisationen.

Nun also wurde aus dieser »Mehrzweckhalle« eine Kulturstätte. Der Neubau ging allerdings aufgrund technischer Probleme schleppend voran. So mussten etwa zum Einbau der Luftheizung meterdicke Gewölbedecken durchbrochen und Kanäle angelegt werden. Neu gebaut wurden die Vorhalle und das darüberliegende Foyer. Der Rest des Gebäudes wurde lediglich umgebaut. Viele Gütersloher werden sich an die alte Architektur erinnern: Vom Kassenraum führten zwei Aufgänge ins Foyer und die Wandelhalle. Im ersten Stock befand sich auch der Theatersaal mit 524 Sitzen. Weitere 250 Plätze kamen später durch die Einbeziehung des Foyers hinzu. Neben der Bühne befanden sich die Umkleiden, im hinteren Saalbereich der Vorführraum für Film. Ein kleiner Saal bot Platz für 100 bis 150 Personen. Im Keller befanden sich die Garderoben und Toiletten.

Die Bühne war 100 Quadratmeter groß und wurde von 10.000 Watt-Scheinwerfern und Leuchten in fünf Farben in Szene gesetzt. Grundsätzlich entsprach sie allen damaligen technischen Anforderungen. So konnte im Sommer 1949 Richtfest gefeiert werden. Am 26. Oktober 1949 wurde die Halle in einem feierlichen Akt an die Stadt übergeben. Als erstes Stück kam das Trauerspiel »Clavigo« von Johann Wolfgang von Goethe zur Aufführung. Paul Thöne, der Initiator und Namensgeber des Hauses, erlebte die Eröffnung des Hauses nicht mehr. Er starb im September 1949.

 

 

 

Die Paul-Thöne-Halle diente nicht nur als Theater, das in der ersten Zeit vom »Neuen Westfalen Theater« bespielt wurde, sondern auch als Kino, das mit der Vorführung des deutschen Films »Verspieltes Leben« eröffnet wurde. Neben den »Stadttheater-Lichtspielen« und der »Kamera« gab es jetzt für die Gütersloher mit der Filmbühne einen dritten Kinostandort.

1951 beendete das Landestheater Detmold mit der Aufführung von Schillers »Braut von Messina« die Ära des »Neuen Westfalen-Theaters« und bestimmte als Gastspieltheater die nächsten 20 Jahre das Theaterleben in Gütersloh.

1965 wurden die Räume durch die Kinoinhaberin Lilli Oelmann-Zeisner renoviert. Das Landestheater Detmold spendierte einen roten Samtvorhang. Ende September 1969 schloss die Filmbühne, da die Räumlichkeiten durch die Stadt übernommen wurden. Da das Theater weder räumlich noch technisch den Anforderungen genügte, beschloss die Stadt nach Übernahme der Spielstätte eine Modernisierung und die spätere ausschließliche Nutzung der Paul-Thöne-Halle als Theater. Nach der Renovierung für etwa 1,2 Mio. DM und dank der ausgefeilten Spielplangestaltung durch den Kulturamtsleiter Günter Ochs konnte der seit einigen Jahren andauernde Besucherschwund gestoppt werden. Bis zum Jahr 1974 erhöhte sich die Besucherzahl von 35.000 auf 65.000.

1984 übernahm Klaus Klein die Spielplan-Leitung und erweiterte das Programm u.a. um Workshops, Dichterlesungen oder Kunstausstellungen. Seit Mitte der 80er Jahre wurde aber auch immer wieder über eine weitere Sanierung diskutiert. Das Theater verfügte weder über Seitenbühnen noch einen Theaterhimmel bzw. Schnürboden. In den Orchestergraben passten höchstens 30 Musiker und die Technik wurde weitestgehend manuell bedient. Doch aus
Kostengründen wurde eine Sanierung verworfen.
1994 gab es einen Architektenwettbewerb, aus dem der Hamburger Professor Friedrich als Sieger hervorging. Das brachte aber nicht weiter, denn eine Bauentscheidung fiel nicht. Anfang des neuen Jahrtausends stimmte der Rat endlich für einen Neubau. Dessen Umsetzung wurde durch einen Bürgerentscheid, der sich gegen den von der Stadt genehmigten, aber teuren Neubau wandte, jedoch 2003 vorläufig gestoppt. Professor Friedrich präsentierte dann eine abgespeckte (530 statt 700 Sitzplätze) und preiswertere Variante, die nach Ablauf der Bindungsfrist des Entscheids realisiert wurde.

Bevor die Paul-Thöne-Halle Ende 2007 abgerissen wurde, machte der Gütersloher Fotograf Jan Missfeld aus eigener Motivation vor dem Abriss noch Fotos im Theater (Bilder auf der gegenüberliegenden Seite). Diese Fotos waren später noch bei einer Ausstellung in der Stadthalle zu sehen. Die Geschichte der Paul-Thöne-Halle endete mit der Versteigerung des Inventars durch den Auktionator Detlef Jentsch. Theatersessel, Leuchten u.a. fanden so ein neues Zuhause.