Andreas Kirschner

Wenn Hobby und Beruf zur Leidenschaft werden.

Wenn Carl zu Besuch kommt, öffnet uns eine Persönlichkeit aus unserer Region eine Tür zu ihrem Privatleben und lässt uns hineinschauen. Im malerischen Rheda-Wiedenbrück treffen wir uns bei leichtem Nieselregen mit Andreas Kirschner. Er ist hier wie seine Familie seit Generationen fest verwurzelt, vielseitig engagiert und interessiert. Ein Mann, dem das Bewahren von Traditionellem und Vergangenem gelingt, während er dabei mit wachen Augen durch den Tag geht und neugierig für das bleibt, was um ihn herum geschieht.

Passend dazu treffen wir uns im Herzen von Wiedenbrück im Frühstücksraum des Ratskellers. Hier verziert ein altes Foto der Langen Straße die Wand. Die schwarz-weiß-Fotografie lässt den Betrachter in die Zeit um 1920 reisen. Andreas Kirschner hat das alte Foto in akribischer Arbeit digitalisiert und so aufbereitet, dass es großformatig Geheimnisse preisgibt, die der Originalaufnahme nur schwer zu entlocken sind. Vor einem Fachwerkhaus sitzt ein Mädchen. Die Sonne scheint durch die Bäume. Das alte Foto darf nur mit Handschuhen berührt werden, um das gute Stück nicht zu beschädigen. Diese Sorgfalt und Wertschätzung machen den Familienvater und »Poalbürger« (geboren innerhalb der alten Stadtmauern) aus und ziehen sich durch sein Leben. Kirschner hat ursprünglich eine kaufmännische Ausbildung absolviert und arbeitete im internationalen Vertrieb in der Möbel- und Zuliefererindustrie. Dafür zog es ihn einige Jahre fort aus seiner Heimatstadt, in die er in der Mitte der 90er Jahre wieder zurück­kehrte. Seine zweite Berufung wurde die Fotografie, die er sich autodidaktisch beibrachte und mit der er in seiner Familie aufwuchs.

Den Privatmann Andreas Kirschner machen seine vielseitigen Interessen aus. Er genießt Musik und besucht Konzerte, fährt Fahrrad und geht schwimmen. In der Kaffeerösterei seiner Ehefrau engagiert er sich zudem als »Hausmeister« und Wochenend-Barrista. Ein weiteres markantes Hobby hat uns der Fotograf direkt mitgebracht. Er restauriert alte Füllfederhalter und nutzt diese selbstverständlich auch, um Menschen als Freund der guten alten Handschrift mit persönlichen Grüßen zu erfreuen. Selbstgeschriebene Briefe und Karten vermitteln in geschwungenen Schriftzügen und mit persönlichen Worten noch echte Wertschätzung, ist sich Kirschner sicher. Sein Vater legte besonderen Wert auf eine gute Handschrift und besaß viele unterschiedliche Füllhalter und Schreibgeräte. Auf diese Weise wurde auch das technische Interesse bei Andreas Kirschner geweckt. Ein alter Pelikan Füllhalter des Vaters schreibt heute noch hervorragend – auch ohne Reparatur. Die Wiederherstellung alter Exemplare hat sich der Autodidakt zunächst größtenteils selber beigebracht. Vor über 20 Jahren vertiefte die Begegnung mit der amerikanischen Koryphäe John Mottishaw in einem Workshop die Fähigkeiten vor allem beim Reparieren von Federn noch weiter. Ein gut eingestellter Füllhalter erlaube schnelles Schreiben ohne Anstrengung und Ermüdung, schwärmt er.

Die Handschrift könne so mit dem Fluss der Gedanken Schritt halten. Ganz nebenbei führe das Schreiben mit Füllhalter meistens auch zu einer schönen Handschrift. Kirschner ist sich sicher: »Was ich mit der Hand geschrieben habe, kann ich besser behalten. Mit der Tinte auf Papier materialisiere ich meine Gedanken und kann sie für mich und andere lesbar machen. Mit der Vernachlässigung der Handschrift und nur eingeschränkter Vermittlung in den Grundschulen, verliert eine wichtige Kulturtechnik immer mehr an Bedeutung«.Wir erinnern uns an unsere eigene Grundschulzeit, in der wir noch mit Füllfederhaltern die Handschrift erlernten und werden beim Berühren der kleinen Sammlung etwas nostalgisch. Kirschner holt seine Werkzeugkiste heraus, in der sich für diese Arbeiten Spezialwerkzeug befindet. Dafür braucht man wirklich Fingerspitzengefühl! Andreas Kirschner zeigt uns einen italienischen Füllfederhalter, bei dessen Reparatur er die Stadien des Werkprozesses in Bildern festgehalten hat. In dem Schreibgerät befindet sich ein kleiner Schlauch, in den die Tinte nach dem Prinzip des Unterdruckes eingesogen wird. Eine einfache und effektive Technik. Ersatzteile für die historischen Füller findet der Bastler im Internet. Andreas Kirschner pflegt ein umfangreiches Fotoarchiv seiner Heimatstadt, das sich aus den Fotografien des elterlichen Archives und dem des Ateliers Hartmann-Etscheidt aus Wiedenbrück zusammensetzt. Durch sein Engagement im Heimatverein wird dieses stetig erweitert. Was fasziniert Andreas Kirschner an der Fotografie? Er holt ein altes Glasplatten-Negativ aus seinem Archiv heraus, das die Größe des Originalfotos hat. Wir halten das Bild gegen das Licht und erkennen ein Hochzeitspaar. Den Namen der Menschen wisse er