Carl legt großen Wert auf eine besondere Haptik. Beim Blättern durch das Magazin bemerken auch Gelegenheitsleser eines sofort: Das besondere Papier, auf dem wir all unsere Geschichten erzählen. Immer wieder werden wir darauf angesprochen. Grund genug, die Herstellung von Papier – und speziell die Anfänge des Handwerks – zum Thema zu machen. Dafür geht es für uns nach Harsewinkel. Der Förderverein Sägemühle Meier Osthoff betreibt dort nämlich nicht nur die historische Sägemühle, sondern einen außerschulischen Lernort zu dem auch die kleine Papiermanufaktur gehört. In der Bütt entsteht hier echtes Büttenpapier – handmade, nach der historisch ursprünglichen Technik. Wir haben uns den Prozess von der Zellulose zum Papier angeschaut und das Schöpfsieb selbst in die Hand genommen.
Zwischen einer langen Arbeitsablage, einer großen ovalen Wanne und Pressmaschinen treffen wir uns mit Jürgen Grützner und Bernhard Klügge. Die beiden Harsewinkeler Pensionäre sind Mitglieder im Förderverein Sägemühle. Regelmäßig entführen sie Kindergartengruppen, Schulklassen und Ausflugsgruppen in der kleinen Remise neben der Sägemühle in die Welt der historischen Papierherstellung. Heute wollen auch wir einen Einblick in das alte Handwerk bekommen. Als wir eintreffen sind die Vorbereitungen schon im Gange. Bernhard Klügge reißt kleine Stücke von einem großen weißen Bogen und wirft sie in einen Eimer gefüllt mit Wasser. Bei dem weißen Stoff handelt es sich um Zellulose, auch Zellstoff genannt. Der Grundstoff allen Papiers, wie wir erfahren. Nach einigem Rühren blicken wir in ein helles, leicht klumpiges Gemisch. Der erste Arbeitsschritt auf unserem Weg zum eigenen Büttenpapier.
»Das richtige Verhältnis aus Wasser und Zellulose hat man irgendwann im Gefühl«, erklärt Bernhard Klügge und schüttet den Inhalt des Eimers in eine große, hölzerne Wanne – die Bütt. Mit einem Holzstab wird die Mischung in der Bütt verrührt. Denn nur wenn die Lösung stimmt und der Rohstoff mit dem Wasser gut vermischt ist, kann im nächsten Schritt, Papier aus dem Wasser gezogen werden. Während auch wir uns in einen weißen Arbeitskittel werfen, quatschen wir mit den beiden über die die Entstehung der Papiermanufaktur. Da Papier aus Holz hergestellt wird, lag die Idee nah, an der Sägemühle eine Papiermanufaktur zu eröffnen. Mittlerweile wird hier seit 2015 Papier geschöpft. Die Pensionäre haben das alte Handwerk der Papierschöpfens vor wenigen Jahren auf einem Seminar erlernt – von einem der drei professionellen Handschöpfer Deutschlands. In Eigenregie bauten die Mitglieder des Fördervereins Sägemühle Meier Osthoff die kleine Remise. Alles was man zur Papierherstellung braucht – Inneneinrichtung, Werkzeuge und die Bütt stammt aus einer großzügigen Spende der Osthushenrich-Stiftung.
Dann gilt es aufzupassen: »Gleich ziehen wir das Schöpfsieb durch die Bütt. Dann verfilzen sich die Fasern der Zellulose vor dem feinen Gitter und zwischen dem Rahmen um das Sieb«, erklärt Jürgen Grützner und gibt das Sieb aus Holz und Kupfer weiter in die Hände seines Kollegen. Der ist mittlerweile zufrieden mit der Zellulose-Mischung und hat den Rührstab fürs Erste beiseitegelegt. Bernhard zeigt uns wie‘s geht. Langsam taucht er das Sieb in die trüb-weiße Lösung,
zieht es heraus und schüttelt überflüssiges Wasser sachte zu den Seiten ab. Man kann richtig dabei zusehen, wie sich der Zellstoff auf der Oberfläche des Siebes festsetzt. Eine hellgraue Masse, die später einmal, im trockenen Zustand zu edlem Büttenpapier wird. Mit eingeübten Handgriffen schüttelt Bernhard Klügge noch mehr überflüssiges Wasser ab, bevor er das Sieb aus der Wanne holt.
Den Rahmen vom Sieb abgenommen, formt der Zellstoffbrei auf dem Sieb ein rechteckiges Muster. Die Form eines DIN A4-Blattes – wir kommen der Sache näher. Zeit fürs »gautschen«. So nennt man den nächsten Arbeitsschritt. Kopfüber wird das Sieb auf zwei große, triefend nasse Filzstücke gedrückt, die bereits neben der Bütt bereitliegen. »Es ist besonders wichtig, dass der Filz nass ist, weil sich der Brei sonst nicht vom Sieb lösen würde«, erklärt man uns. Vorsichtig, aber mit etwas Druck, wird das Sieb mit der Masse vorsichtig auf das Filz gedrückt – und schon liegt ein Blatt Papier vor uns. Zugegeben, es ist noch mit Wasser vollgesogen und geschrieben werden kann darauf noch nicht, aber es ist bereits deutlich als Papier zu erkennen. Nachdem die beiden uns gezeigt haben, wie es geht, ist auch Carl-Redakteurin Charline an der Reihe. Bei den ersten Versuchen hakt es noch ein wenig – gar nicht so einfach.
Mal ist zu wenig Zellulose auf dem Sieb, mal gelingt das Abschütten des Wassers nicht so gut und mal klappt es mit dem Abdrücken auf die Filzstücke nicht so recht. Aber auch wenn ein Versuch mal daneben geht, ist das halb so schlimm, denn das Papier – besser gesagt die Zellulose im Papier kann einfach wiederverwendet werden. Nach etwas Übung klappt es auch bei uns. Schon bald türmt sich vor uns ein nasser Stapel aus Filz und Breimasse.
So weit so gut – aber wie bekommt man das Papier jetzt wieder trocken? Dazu wird es gepresst. Nicht ein oder zweimal. Zigmal. Jürgen Grützner spannt unseren nassen Filz-Papier-Stapel in eine mannshohe, handbetriebene Presse und dreht zunächst noch mit Leichtigkeit, später dann mit Kraft an dem Rad. Es quietscht und zischt, während das Wasser aus dem Stapel heraus, in einen Eimer fließt. »Ungefähr zehn Liter Wasser werden herausgepresst«, erklärt uns Jürgen Grützner und wir staunen. Für vier Stunden verweilt das Papier in der Presse. Richtig trocken ist es aber auch nach dem Pressen nicht. Deshalb werden die Blätter vom Filz gelöst, zwischen Löschpapier gelegt und erneut gepresst. Nach einiger Zeit ist es soweit: Endlich können die Schrauben gelöst werden und das Löschpapier entfernt werden.
Dann halten wir es in den Händen – unser erstes eigenes Papier! Wir bemerken gleich die markante Rippung sowie den ungleichmäßigen Büttenrand, anders als wir es aus dem Alltag kennen, aber typisch für das Papier aus der Bütt. Und auch irgendwie romantisch. Neben Briefpapier und Umschlägen stellen die beiden Pensionäre auf Anfrage auch individuelles Papier zum Beispiel für Geburtstagseinladungen, produzieren aber auch auf Vorrat. Aber der Verkauf von Büttenpapier steht nicht unbedingt an erster Stelle. »Es ist ein Hobby, dass mir einfach Spaß macht. Besonders, wenn man Besuchern, vor allem Kindern erklärt und zeigt, wie Papier gemacht wird«, sagt Jürgen Grützner.