Der Wettergott scheint es an diesem Donnerstag nicht allzu gut mit uns zu meinen. Durch andauernden Nieselregen fahren wir zu unserem Termin. Ein wenig ungemütlich, aber auch irgendwie passend, denn heute dreht sich alles um das Thema Wasser. Wir sprechen natürlich nicht von dem Regenwasser, sondern von dem wertvollen Trinkwasser, das tagtäglich aus unserem Wasserhahn sprudelt. Jede Gütersloherin und jeder Gütersloher verbraucht im Durchschnitt etwa 124 Liter am Tag. Kaum zu glauben, dass es auch in Gütersloh Zeiten gab, in denen das Wasser drohte, zu einem knappen Gut zu werden. Was die Wapel damit zu tun hat? Das erfahren wir von Helmut Reckmann. Der 81-Jährige hat als Elektriker und Wasserwerks-meister mehr als 30 Jahre für die Stadtwerke Gütersloh gearbeitet. Gemeinsam machen wir einen Ausflug in die Geschichte des Wasserwerks Nordrheda-Ems.

»Als ich bei den Stadtwerken Gütersloh anfing, stand hier noch kein Gebäude«, erinnert sich Helmut Reckmann zurück, als wir bei einem heißen Kaffee im Kontrollraum des Wasserwerks sitzen. »Das Wasser konnte direkt aus den zwölf Brunnen in das Versorgungsnetz eingespeist werden.« Wir sprechen über das Jahr 1961. Helmut Reckmann war zu dieser Zeit als Elektriker bei den Stadtwerken angestellt, das Wasserwerk Nordrheda-Ems schon im Bau. Von dem ehemaligen Materiallager der Stadtwerke an der Barkeystraße machte er sich tagtäglich mit dem Dienstfahrrad auf den Weg zu verschiedenen Einsatzorten. Nicht selten transportierte er auf seinem Dienstrad Bauteile, unter anderem auch die Herzebrocker Straße entlang zur Baustelle im neuen Wassergewinnungsgebiet Rhedaer Forst.

Die Geschichte des Wassergewinnungsgebiets im Rhedaer Forst beginnt schon ein paar Jahre bevor sich Helmut Reckmann das erste Mal auf sein Dienstrad schwang. Wir reisen zurück in die 50er Jahre. Damals erholte sich Gütersloh von den Kriegsjahren und wuchs rasant. So rasant, dass die beiden Wasser-gewinnungsgebiete am »Langer Weg« und in Spexard schon bald nicht mehr in der Lage waren, den wachsenden Wasser-bedarf der Stadt für längere Zeit sicherzustellen. Schnell mussten neue Wasser-gewinnungsgebiete her und man machte sich mithilfe eines Geohydrologens auf die Suche. Das Gebiet des Rhedaer Forsts schien perfekt. Nicht weit von der Stadt entfernt und mit exzellentem Grundwasser, wie die Wasserproben verrieten. Um noch mehr Haushalte zuverlässig mit Trinkwasser zu versorgen, plante man das natürliche Grundwasser hier künstlich anzureichern. Während das Wasserwerk noch im Bau war, förderten die ersten Vertikalbrunnen bereits ein Jahr später reines Grundwasser in die neu verlegten Rohre. Nach einem Probelauf nahm das Wasserwerk 1964 den regulären Betrieb auf. Wir schauen durch alte Fotos und entdecken zwischen den Baustellenbildern auch die Aufnahme eines Teichs, am Rand ein plätschernder Springbrunnen. Tatsächlich handelt sich es hier nicht um einen Teich, wie wir ihn aus dem Stadtpark oder dem eigenen Garten kennen. Es ist ein Versickerungsteich mit Flusswasser aus der Wapel.

Viele Jahre lang wurde das Wasser aus der Wapel in einen Schnellklärer gepumpt. Die Funktion war simpel: Während sich der mitgeförderte Sand und Schlamm auf dem Boden der Anlage absetzten, floss das reine Wasser über große Ablaufrinnen aus dem Behälter in einen Versickerungsteich und von dort aus wieder ins Grundwasser. Dank des reinen Flusswassers konnte die normale Förderkapazität von 2 500 Kubikmetern auf 7 500 Kubikmeter am Tag gesteigert werden. Noch heute ist der sogenannte Schnellklärer Teil des Wasserwerks Nordrheda-Ems, mittlerweile aber seit 1993 außer Betrieb.

Helmut Reckmann erinnert sich, dass im Wassergewinnungsgebiet und am Wasserwerk selbst immer reges Treiben herrschte: Um die sechs Mitarbeiter der Stadtwerke arbeiteten ständig am Wasserwerk. Sie verlegten Leitungen, installierten Pumpen und übernahmen auch alle anfallenden Reparaturen. »Vieles wurde selbst in die Hand genommen. Nur für den Hoch- und Tiefbau war eine Firma vor Ort«, weiß der Pensionär. Auch nach der Inbetriebnahme des Wasserwerks führte man die Bauarbeiten in dem Waldstück fort. Es entstanden weitere Brunnen sowie eine Werkswohnung für den Wasserwerksmeister. Der sollte bei einer Störung schließlich auf kurzen Wegen schnell reagieren können – und das auch am Wochenende.

In den 70ern und 80ern legte man vor allem Wert auf die Unterhaltung des Wasserwerks. Schon damals waren regelmäßige Wasserkontrollen an der Tagesordnung. Man prüfte das Wasser lieber »ein paar Mal öfter«. Genau wie der Wasserwerksmeister hatten auch die genommenen Wasserproben kurze Wege. Sie konnten gleich im eigenen Labor untersucht werden. Helmut Reckmann war wöchentlich, wenn nicht sogar täglich vor Ort und bestens mit den Anlagen vertraut. Angetan von der Technik entschied er sich Ende der 80er für eine berufsbegleitende Ausbildung zum Wasserwerksmeister und übernahm 1990 das Amt im Wasserwerk Nordrheda-Ems. In die Werkswohnung zog er nicht ein. Bei Störungen erreichte man ihn über das interne Telefonnetz der Stadtwerke, das eigens bei ihm zu Hause verlegt wurde.

1993 war dann Schluss mit der künstlichen Grundwasseranreicherung, da die Wasserqualität der Wapel einfach nicht mehr ausreichte. Eine Aufbereitung des Flusswassers lohnte sich nicht. Langsam wurde das Wasserwerk Nordrheda-Ems zurückgefahren und wieder auf die natürliche Grundwassergewinnung umgestellt. Heute wird unser Trinkwasser aus sechs Gewinnungsgebieten mit mehr als 47 Brunnen an die Oberfläche gefördert und in den drei Wasserwerken »Langer Weg«, Nordrheda-Ems und Quenhorn aufbereitet. Das Wasser der Stadtwerke sprudelt heute nicht nur in den Gütersloher Haushalten, sondern auch in Herzebrock-Clarholz und kleinen Teilen Harsewinkels. Lediglich der große Schnellklärer und die tiefer gelegene Wiese vor dem Wasser-werk erinnern an die Zeiten, in denen frisches Wasser aus der Wapel durch unsere Leitungen floss.