Auf Carl haben Bibliotheken eine magische Anziehungskraft. Sie öffnen das Tor zu Phantasiewelten, bieten Informationen zu verschiedenen Themengebieten, Austausch und viele gemütliche Plätze zum Schmökern. Umso mehr freuen wir uns in der Stadtbücherei St. Lucia einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Bibliotheksleiterin Petra Haverkemper und ihre Kolleginnen Agnes Kasselmann von der Bücherei Marienfeld und Annette Beßmann von der Bücherei Greffen haben uns eingeladen. Nein, nicht zum Literaturkreis und auch nicht zur Vernissage der neuen Ausstellung. Es gibt Nachschub! Vor kurzem sind große Pakete voll mit neuen Medien eingetroffen. Aber wer entscheidet, was bestellt wird? Und was ist zu tun, bevor die Bücher hier über den Ausleihtresen gehen und sich auf die Reise in die Familien machen? Die drei Bibliothekarinnen nehmen uns mit und zeigen uns den Weg des Buches von der Bestellung bis zur Ausleihe. Dabei schlüpfen die drei auch in die Rolle von Ehrenamtlichen – ohne die der Alltag hier nicht auszudenken wäre.

Als wir die Bücherei St. Lucia betreten, stapelt sich im Foyer ein großer Haufen Kartons. Die Frühjahrs-bestellung ist eingetroffen. Ungefähr 200 Medien, die schon bald ihren Platz in den Regalen finden sollen. Mit Schere und Cutter machen sich Petra Haverkemper, Agnes Kasselmann und Annette Beßmann ans Auspacken. Schon bald stapeln sich Berge an Medien, darunter Romane, Kinderbücher und CDs zu unseren Füßen. »Fast schon ein wenig wie Weihnachten«, scherzen die Bibliothekarinnen. Wir erfahren, dass allein in Harsewinkel pro Jahr etwa 2000 neue Medien den Weg in die Regale finden. Bei den kleineren Büchereien in Marienfeld und Greffen sind es mit 800 und knapp 500 Medien etwas weniger. Nichtsdestotrotz stolze Zahlen. Im Frühjahr, kurz vor der Buchmesse, dürfen sich Leseratten über besonders viele Neuzugänge freuen.

Dabei beginnt die Arbeit schon ein ganzes Stück vorher. Denn die Leiterinnen der Büchereien müssen auswählen, welche Bücher neu angeschafft werden, welche CDs das Sortiment ergänzen oder welche Gesellschaftsspiele in der Sammlung noch fehlen. »In einigen Fällen haben wir eine ’Standing Order’«, erklärt Haverkemper, die bereits seit 11 Jahren die Bücherei in Harsewinkel leitet. Bestseller oder neue Teile beliebter Serien stehen immer auf der Bestellliste. Abseits der Verkaufsschlager helfen Rezensionen der Kirchengemeinden bei der Auswahl. »Wenn mich jemand fragt, welches Buch ich zuletzt gelesen habe, antworte ich, ich lese ich gar keine Bücher mehr, sondern nur noch über Bücher«, meint Annette Beßmann und lacht. Mit einigen tausend Rezensionen informieren sich die drei Leiterinnen jedes Jahr.

Sind die Kartons entpackt, geht es erst einmal an die Lieferkontrolle. Sind alle bestellten Werke dabei? Die Medien im Neuzustand? Erst nach einer genauen Kontrolle werden die Bücher katalogisiert, das heißt in den Bestand aufgenommen.

Mithilfe eines bestimmten Programms erfasst die Bibliothekarin Buch für Buch. Dazu gehört nicht nur die Angabe von Titel und Autor. Hinzugefügt wird auch der Klappentext sowie hilfreiche Schlagworte, die den Lesern die Suche nach einem Medium im Online- Katalog erleichtern. Neben einem ganz individuellen Barcode bekommt jedes Buch auch den klassischen Büchereistempel und ein Signaturetikett. Die Bibliothekarinnen ordnen das Buch dann in einen bestimmten Bereich oder Genre wie zum Beispiel Bilderbuch, Jugendbuch oder Krimi ein.

Bevor die Medien auf ihre Reise in die Haushalte, Wohnzimmer und Familien gehen, steht noch ein weiterer Arbeitsschritt an – der zeitaufwendigste, wie wir erfahren. Jedes Buch wird mit Schere, Rakel und Falzbeil in eine selbstklebenden Folie eingebunden. »Da hat jeder seine ganz eigene Technik«, verrät Agnes Kasselmann. Bei der großen Menge an Büchern, werden die drei von Ehrenamtlichen unterstützt. Rund 50 Freiwillige kommen regelmäßig in die drei Büchereien in Harsewinkel, Marienfeld und Greffen und helfen tatkräftig mit. »Jeder nimmt sich eine Kiste mit Büchern, man setzt sich gemeinsam an den Tisch und dann wird eingebunden«, erzählt Haverkemper. »Oder unsere Helfer nehmen gleich einen Karton mit nach Hause.«

Vielen Lesern sei nicht bewusst, was die Ehrenamtlichen hier überhaupt möglich machen. Die freiwilligen Helfer binden nicht nur neue Bücher ein, sondern unterstützen auch im Tagesgeschäft – und darüber hinaus. Ob Ausleihe, Vorlesen im Altenheim oder das Schreiben von Texten für die Homepage: Wer gerne mit Büchern arbeitet, ist herzlich willkommen, da sind die drei sich einig. »Bibliotheken sind schließlich auch ein Ort der Begegnung. Zu uns kann man einfach kommen und die Atmosphäre genießen, ohne etwas zu kaufen«, fügt Kasselmann hinzu. Einige Gäste kommen jeden Tag, um Zeitung zu lesen, wieder andere kommen einfach vorbei, um hier ein wenig Zeit zu verbringen. Und das dank der freiwilligen Helfer auch an den Sonntagen. Beliebt und gut besucht sind auch Veranstaltungen, wie der Literaturkreis, Vorlesestunden oder Spielnachmittage. Die Bücherei St. Marien ist auch beim Marienfelder Wollgrasblütenfest im Mai mit einem Bücherflohmarkt und Bastelaktion dabei.

Aber zurück zur Frühjahrsbestellung... Nach der Folierung findet das Buch, die CD oder das Spiel dann seinen Platz in der Bibliothek und gesellt sich zu den 21 500 Medien in den Regalen. Auf dem Weg hinaus finden sich allerdings keine Kisten, keine Büchertürme mehr im Eingangsbereich. Sind die etwa alle schon fertig verarbeitet? Von wegen, die türmen sich jetzt nur bei Petra Haverkemper im Büro und warten darauf von den vielen fleißigen Händen für die Leser fertig gemacht zu werden.