Es ist schon dunkel, als wir uns an diesem Dienstagabend kurz vor Weihnachten auf den Weg nach Harsewinkel machen. Unser Ziel ist eine Turnhalle – genauer gesagt die Turnhalle der Löwenzahnschule. Hier trainieren die Teams der Tanzsportgarde Harsewinkel an fünf Tagen in der Woche. Was viele nicht wissen: Neben dem klassischen Gardetanz, wie wir ihn vom Karnevalsumzug kennen, haben die TänzerInnen auch kreative Schautänze im Repertoire. Wenn es um Tanzsport geht, macht den Roten Funken so schnell niemand etwas vor. 10 Jahre in Folge wurden sie vom BDK (Bund Deutscher Karneval) als erfolgreichster Verein der Deutschen Meisterschaften ausgezeichnet. Wir durften die Stars der Harsewinkeler Vereinslandschaft beim Training erleben und haben sogar einen Abstecher ins Vereinsheim am Berliner Ring gemacht. 

Als wir die Turnhalle der Löwenzahnschule betreten, gehört die Fläche vor dem großen Spiegel den 25 Mädels des Junioren-Teams der Tanzsportgarde und ihren Trainerinnen. Wir staunen nicht schlecht, denn aus den Boxen erklingt Rap von Sido. Ein Teil des Schautanzes mit dem die jungen Tänzerinnen beim Turnier im Januar überzeugen wollen. Anders als heute beim Training, kommen die Mädels dann in bunten Kostümen und einer Maske auf die Bühne. Hinter der Choreografie mit dem Titel »Versteck dich nicht hinter deiner Maske« steckt eine Message, die zum Nachdenken anregen soll, wie wir von Trainerin Daniela Schafarik erfahren. »Es geht darum, dass wir uns im wirklichen Leben gerne hinter einer Maske verstecken und gar nicht immer unser wahres Gesicht zeigen«, erklärt sie uns. Die Musik zur Choreografie stellt ganz unterschiedliche Stimmungen dar, die die Mädchen im Tanz mit Bewegungen und Mimik umsetzen. Der Schautanz erzählt eine kreative Geschichte. Und dazu gehören auch schauspielerische Elemente.

Auch, wenn die fließenden Bewegungen der Mädchen leicht aussehen, die Bewegungskoordination und die Tänze haben es in sich. Das weiß Daniela Schafarik natürlich auch selbst. Wie viele ihrer SchülerInnen ist auch sie früh in den Tanzsport eingestiegen. Seit 1977 ist sie Teil der Roten Funken und stand auch schon als Tanzmariechen auf der Bühne. Mittlerweile in der 42. Session als Chef-Trainerin mit von der Partie. Dass der Sport von vielen Menschen belächelt wird, kann sie nicht verstehen. »Gardetanz ist ein vielfältiger Sport. Und das wissen viele Menschen eben nicht«, erklärt sie uns. Als Trainerin kämpft sie um Anerkennung, hat gemeinsam mit Mitstreitern aus anderen Vereinen die Trainerlizenz für karnevalistischen Tanzsport entwickelt und sogar ein Buch darüber geschrieben. »Erst wenn man es selbst versucht hat, weiß man, was die Mädels hier leisten.«

 

 

 

Für den Erfolg der 200 aktiven TänzerInnen sorgen die elf Trainer genauso, wie ein starkes Orga-, Näh- und Backstage-Team. Mittelpunkt des Vereinslebens ist seit 2005 das Vereinsheim am Berliner Ring. Hier stehen alle Auszeichnungen und Pokale des Vereins und es lagern alle Kostüme und Requisiten. Ganz spontan entscheiden wir uns für einen kurzen Abstecher dorthin. Im Vereinsheim angekommen, sind wir nicht allein. Im Nähzimmer wird noch fleißig gearbeitet. Petra Bußmann betätigt sich ehrenamtlich im Verein und näht gerade an den Kostümen für die jüngsten Tänzer. Jedes Kostüm entsteht hier in liebevoller Handarbeit. Die vielen Pokale und zahlreichen Bilder an den Wänden erzählen die lange und erfolgreiche Vereinsgeschichte. Als wir uns das Lager der Kostüme und Requisiten im ersten Stock anschauen wollen, staunen wir nicht schlecht. Auch hier am Treppenaufgang entdecken wir hunderte von Pokalen. Das sind die Gruppenpokale, erfahren wir. Wie viele es genau sind? Hier kann auch Andrea nur schätzen. 

Wieder zurück in der Turnhalle proben die Junioren den Gardetanz. Im Gegensatz zum Schautanz ist der typische Gardetanz viel gradliniger. Die Mädels tanzen mit den Händen in den Hüften eine Art Marsch und springen aus dem Stand in den Spagat. Eine bunte Mischung, die sowohl Ballettelemente und Akrobatik vereint. Als das Training der Junioren sich dem Ende entgegen neigt, ist noch lange nicht Schluss. Das Ü15-Team trifft in der Turnhalle ein. Auch sie präsentieren uns ihren aktuellen Schautanz. »Wenn das letzte Blütenblatt fällt« erzählt die Geschichte von der Schönen und dem Biest. Ein wunderschöner Tanz in dem wir nahezu versinken. Da können wir uns einen kleinen Applaus wirklich nicht verkneifen. Bevor wir uns verabschieden, bekommen wir noch eine weitere Showeinlage zu sehen. Die beiden Tanzmariechen Paulina Fölling und Elena Krieft zeigen uns einen freien Radschlag. Ohne mit den Händen aufzukommen drehen sie sich graziös um die eigene Achse. Wow! Wir sind begeistert von den synchronen Bewegungen, dem Ehrgeiz und Teamspirit der TänzerInnen. Und natürlich wünschen wir den »Goldschätzchen«, wie Andrea ihre Schützlinge nennt – ganz viel Erfolg bei den nächsten Turnieren.