Eine dampfende Nudelsuppe köchelt auf der heißen Herdplatte. Daneben gluckert duftend eine Kaffeemaschine. Auf einem Tisch werden kalte Platten angerichtet, fleißige Hände schneiden Gemüse. Die Gäste sind bereits eingetroffen und haben es sich in dem kleinen Raum nebenan gemütlich gemacht. Belegte Brötchen werden serviert und Suppenteller gereicht. Das Personal ist fleißig und genau, den Besuchern soll es an nichts fehlen, zumindest an diesem Samstagmittag nicht. Wer nun glaubt, wir machten Werbung für ein neues Gütersloher In-Restaurant, der irrt sich. Direkt neben der Radstation hat keine neue Lokalität eröffnet, hier engagieren sich Menschen ehrenamtlich für andere. Willkommen in der Bahnhofsmission - praktische Nächstenliebe zwischen ICE und Busbahnhof.

Wir packen mit an und schwingen das Messer, schmieren Brötchen und kommen mit Menschen ins Gespräch. Da ist Johannes aus Gütersloh, der mit einem kleinen Team die Bahnhofsmission in Gütersloh aufgebaut hat und leitet. Er sei kein Held, betont er, was er und die anderen Mitarbeiter hier machten, sei normal. Sein Pflegesohn, das 4. Kind, haben er und seine Frau angenommen, weil sie die Schicksale der Menschen am Bahnhof verändert hätten. Einem Menschen eine Chance auf ein gutes Leben zu geben sei doch mehr als nichts zu tun. Erdogan ist auch Teil des Leitungsteams und hier für alles Praktische zuständig. Der Gärtner berichtet davon, wie er mit einem Helferteam über ein halbes Jahr lang die Räumlichkeiten der Bahnhofsmission renovierte, mit Sträuchern und Gestrüpp vor den Fenstern kämpfte und Löcher in der Decke stopfte. Es hat sich gelohnt: der Verein „Bahnhofsgemeinde Gütersloh e.V.“ kann die zwei kleinen Räume mit Blick auf die fahrenden Züge nun nutzen, um Gutes zu tun. Hier ist jeder willkommen, der sich bei einem Kaffee oder einer Suppe aufwärmen möchte, Reisende genauso wie Menschen, für die eine warme Mahlzeit und Freundlichkeit nicht selbstverständlich sind. Viele der Ehrenamtlichen sind engagierte Christen, die sich über längere Zeit die Frage gestellt haben, was Gütersloh fehlen würde, wenn ihre Kirchengemeinde nicht mehr da wäre. So fingen sie zunächst an, regelmäßig mit Obdachlosen zu frühstücken oder mit Flüchtlingen ein Sommerfest zu feiern. 

Als sie von der Bahnhofsmission in Bielefeld gefragt wurden, ob sie in ihrem Heimatort Gütersloh einen Ableger der bundesweit tätigen Organisation eröffnen wollten, sagten sie zu. 

Inzwischen arbeiten hier 16 Leute mit, so wie Mario, der der Gesellschaft etwas zurück- geben möchte. Ihm ist es wichtig, dass die Platten schön angerichtet werden und schon ermahnt er uns, die Butter auf der gesamten Brötchenhälfte zu verteilen. Ob wir bereits unsere Hände gewaschen hätten? Während wir am Waschbecken stehen fällt uns auf, wie hier jeder den Besuchern auf Augenhöhe begegnet. Mitleid ist fehl am Platze, was sich auch in dem Motto ausdrückt „Wir wollen die Menschen nicht verändern, sondern uns verändern lassen“. Respekt, ehrliches Interesse und praktische Hilfe bekommt jeder, der den Weg in die hellen und zweckmäßigen Räume findet. So wie ein Mann, der mitten im Winter eine lange Hose und warme Jacke erhielt, um nicht mehr frieren zu müssen. Oder wie der Drogenabhängige, der in eine Therapie vermittelt wurde. Der zupackende Gärtner Erdogan hat heute die Suppe gekocht. In einer schwierigen Lebenssituation hat er vor Jahren selber dankbar die Angebote einer Bahnhofsmission genutzt. „Deshalb kann ich die Menschen, die hier her kommen, sehr gut verstehen“, sagt er nachdenklich.

Die Einsätze der engagierten Helfer sind nicht immer so spektakulär: eine Frau hat ihr Portemonnaie verloren, jemand hat seinen Zug verpasst und wird kurzerhand zu seinem Ziel gefahren, ein anderer ist dankbar für Unterstützung am Fahrkartenautomaten. Die „Engel am Gleis“ begleiten minderjährige Kinder bei Zugfahrten, helfen Menschen mit körperlichen Einschränkungen beim Ein-, Aus- und Umsteigen und tragen Koffer und Kinderwagen die Treppen hinunter, wenn der Fahrstuhl defekt ist. Finanziert wird diese Arbeit durch Geld- und Sachspenden. Inzwischen sind die Gäste wieder in den kalten Wintertag verschwunden. Wir sitzen noch etwas zusammen und kosten die Reste der einfachen Suppe. Wie sie sich ihre Zukunft vorstellen? Johannes lächelt sein verschmitztes Lächeln. „Wir freuen uns über noch mehr Menschen, die uns unterstützen, egal ob durch Spenden oder durch praktisches Anpacken.“ Die Arbeit soll weiter wachsen, sie träumen von einer halben Stelle, täglichen Präsenzzeiten in der Bahnhofsmission und größeren Räumlichkeiten. Wir treten hinaus ins Getümmel rund um das Tor zu Gütersloh und sind uns sicher: diesen Menschen wird gelingen, was sie sich vornehmen. Mit der Bereitschaft, sich die Hände schmutzig zu machen und einer gehörigen Portion Gottvertrauen.